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Die heutige Insel Santorin ist ein Überbleibsel der einstigen Insel Thera, die durch mächtige Vulkanexplosionen in mehrere Einzelteile, die Ränder des Kraters, zerfallen ist.

© Philipp Laage/dpa

Mehrere extreme Flutwellen: Der Untergang von Thera

Forscher rekonstruieren die Folgen der Supereruption von Santorin, der einstigen Vulkaninsel Thera. Dafür haben sie Tsunami-Spuren in der Türkei ausgewertet.

Der Vulkanausbruch auf der Ägäisinsel Thera, dem heutigen Santorin, vor mehr als 3500 Jahren zählt zu den heftigsten Eruptionen der letzten Jahrtausende und beeinflusste den gesamten östlichen Mittelmeerraum. Nach Ausgrabungen an der türkischen Küste rekonstruiert ein internationales Forschungsteam nun den Ablauf und datiert zudem den bislang umstrittenen Zeitpunkt des Ausbruchs neu.

Erdbeben, Ascheregen und Tsunamis

Heute zeugen in der südlichen Ägäis nur noch die zum Großteil ringförmig angeordneten Inseln des Santorin-Archipels von der einstigen Vulkaninsel Thera. Der dortige Ausbruch in der späten Bronzezeit, dem die Forscher den zweitheftigsten Vulkanexplosivitätsindex 7 zuordnen, wurde unter anderem von Erdbeben, Ascheregen und Tsunamis begleitet.

Nachweisen lasse sich der Ausbruch auch anhand von Baumringen sowie im Eis der beiden Pole, schreibt das Team um Vasif Sahoglu von der Universität Ankara in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“). Unklar war unter anderem, wann der Vulkan genau ausbrach. Bisher gingen Experten vom 16. oder 17. Jahrhundert vor Christus aus.

230 Kilometer vom Vulkan entfernte Spuren 

Frühere Studien hätten sich vor allem auf Ablagerungen von Bimsstein, Asche und lockeren Lavafragmenten konzentriert, schreiben die Forscher aus der Türkei, Israel und Österreich. Sie ziehen ihre Rückschlüsse dagegen vor allem aus Tsunami-Ablagerungen in der Stadt Cesme-Baglararasi. Das damalige Regionalzentrum liegt westlich von Izmir auf einer Landzunge an der türkischen Westküste knapp 230 Kilometer von dem Vulkan entfernt.

In den Ablagerungen fand das Team die ersten dokumentierten mutmaßlichen Opfer der Flut-Katastrophe – zwei Skelette, von einem jungen Mann und einem Hund. Nach der Analyse von Erdschichten, die Rückstände von Meeresbewohnern wie Lagunen-Herzmuscheln (Cerastoderma glaucum) und Napfschnecken (Patella) enthalten, geht das Team davon aus, dass der Ort damals von mehreren Tsunami-Wellen überrollt wurde.

Ausgegrabenes Skelett eines Tsunami-Opfers in der Türkei.
Ausgegrabenes Skelett eines Tsunami-Opfers in der Türkei.

© Vasif Sahoglu

Dass die Zerstörungen von Tsunamis stammen und nicht etwa von Erdbeben, schließen die Forscher auch aus der einseitigen Ausrichtung der Trümmer. So wurden etwa Teile der Festungsmauer und angrenzender Häuser landeinwärts gespült.

Vereinzelte tiefe Gruben innerhalb der Tsunami-Schichten zeugen demnach davon, dass Menschen in den Trümmern nach Überlebenden und Toten suchten. „Das menschliche Skelett befand sich etwa einen Meter unter einer solchen Grube, was darauf hindeutet, dass es zu tief lag, um gefunden zu werden, und daher (wahrscheinlich unwissentlich) zurückgelassen wurde.“

Radiokarbon-Datierungen der Schichten kommen zu unterschiedlichen Jahreszahlen, von denen jedoch keine älter ist als 1612 vor Christus. Das würde die bislang ältesten Datierungen ausschließen. Die insgesamt über einen Meter dicken Tsunami-Ablagerungen unterteilen die Forscher in vier Abschnitte, die unter anderem durch vulkanische Asche voneinander getrennt sind.

Vier Tsunamis an mehreren Tagen

Daraus rekonstruieren sie verschiedene Phasen des Ausbruchs: Demnach führte die erste Flutwelle zu starken Zerstörungen und auch zum Tod jenes jungen Mannes, dessen Skelett gefunden wurde. 

Wenige Stunden danach folgte eine zweite Welle, die möglicherweise mit derselben Eruptionsphase des Vulkans zusammenhing. Auf eine etwas längere Ruhephase folgte dann ein dritter, kleinerer Tsunami, der auch verkohltes Material anschwemmte.

Danach setzte demnach eine mehrtägige Ruhephase ein, während der die Menschen Trümmer wegräumten und nach Verletzten und Toten suchten. „Zu ihrem Unglück traf ein weiterer Tsunami ein, mit einer ähnlichen Stärke wie die erste Flutwelle, und hinterließ über der bereits zerstörten Gegend eine weitere dicke Schicht, und füllte die bereits gegrabenen Gruben wieder auf“, schreiben die Forscher.

Die Schäden durch den Ausbruch hatten demnach langfristige Folgen für die Stadt: Die Tsunamis und der Ascheregen hätten Bauwerke und Wasserleitungen beschädigt und Ernten vernichtet, so das Team. 

Das einst blühende Regionalzentrum Cesme-Baglararasi sei danach mindestens ein Jahrhundert lang nicht mehr bewohnt worden. (dpa)

Walter Willems

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