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Der Hamburger Unternehmer Erck Rickmers mit HU-Präsidentin Sabine Kunst und Philosophin Rahel Jaeggi.

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Mäzen für die Humboldt-Universität: Hamburger Unternehmer stiftet Center für sozialen Wandel

Der Hamburger Schifffahrts- und Immobilienunternehmer Erck Rickmers stiftet weltweit vier Institute für "Humanities and Social Change" – eines davon in Berlin.

„Tiefe Sorge über die Entwicklungen in der Welt“ treiben den Hamburger Unternehmer Erck Rickmers um. Unsere Zeit sei geprägt von einer Veränderungsdynamik, die in der Weltgeschichte keine Parallele habe, sagt Rickmers am Dienstag im Sitzungssaal des Präsidiums der Humboldt-Universität. „Bevölkerungswachstum, ökonomische Veränderungen, Technikexplosion“ – all das löse eine „Überforderung der Menschen“ aus. Rickmers beklagt eine „zu große Technikorientierung“, bei der vergessen werde, „die Werte der Geisteswissenschaften einzubeziehen“. Das will der 53-Jährige ändern – mit der Stiftung von Zentren für Humanities and Social Change (Geisteswissenschaften und sozialer Wandel).

Das Berliner Forschungszentrum, für das Rickmers und HU-Präsidentin Sabine Kunst gestern den Gründungsvertrag unterzeichneten, ist eines von weltweit vier Zentren. Seitdem Rickmers 2016 seine internationale Stiftung für „Humanities and Social Chance“ gegründet hat, sind bereits an der Universität Cambridge, an der University of California in Santa Barbara und an der Universität Ca’Foscari in Venedig Institute mit Themenschwerpunkten zu sozialen Ungleichheiten entstanden. Bekanntgegeben hat Rickmers sein Engagement aber erst gestern in Berlin. Jedes der Zentren erhält für fünf Jahre zwei Millionen in der Landeswährung.

Leitfrage nach dem guten Leben im 21. Jahrhundert

Die Aufgabe der Center ist denkbar weit gespannt. Es geht um „interdisziplinäre wissenschaftliche Forschung zu den wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen“. Oder, wie Rickmers die Leitfrage zusammenfasste: „Wie führen Menschen im 21. Jahrhundert ein gutes Leben?“ In Berlin wird man sich unter der Leitung der Sozialphilosophin Rahel Jaeggi der „Krise von Kapitalismus und Demokratie“ widmen. In Cambridge forscht Altertumswissenschaftler Simon Goldhill „zum Einfluss der galoppierenden technischen Entwicklung auf die Gesellschaft“.

Anglist Shaul Bassi arbeitet in Venedig zum „kulturellen Pluralismus in Zeiten zunehmender Migration und religiöser Konflikte“. Und in Santa Barbara wird unter der Leitung von Thomas Carlton, Professor für Philosophie und Religion, „das Wechselspiel von Fakten, Werten und Wahrheit“ erforscht.

Während Trump Präsident wird, studiert Rickmers in den USA

Santa Barbara ist gleichzeitig der Ursprungsort von Rickmers Stiftungsidee. Der Kaufmann, der aus einer Reederdynastie stammt und sich in der Hamburger SPD engagiert, absolvierte dort 2015 bis 2017 ein Masterprogramm in Religious Studies. Die Auszeit fiel in die Jahre, als die Flüchtlingskrise Europa erfasste, sich nationalistische Regierungen etablierten und Donald Trump US-Präsident wurde. „Das sind Tendenzen, die darauf hindeuten, dass Menschen sich abgehängt fühlen und Vereinfachern zustreben“, sagt Rickmers heute. In Santa Barbara sei ihm dann die Idee gekommen, eine Plattform zu schaffen, auf der über Ursachen und Lösungen nachgedacht werden kann.

Über die nötigen Mittel für seine Stiftung verfügt Rickmers. Anfang Februar hat er die Sparte Schifffahrtsmanagement seines Unternehmens E.R. Schifffahrt mit 200 Mitarbeitern an Land und 2800 auf See an die Bremer Zeaborn Gruppe verkauft. Erhalten bleibt Rickmers’ Unternehmensgruppe, die weiterhin Schifffahrt, aber auch Schiffsfonds, Immobilien und Private Equity betreibt. Durch den Teilverkauf „nimmt die Komplexität des Unternehmerlebens etwas ab“, sagt Rickmers auf Nachfrage. So habe er „mehr Zeit für mein philanthropisches Engagement“.

Stiftung für die HU als "Flagship-Uni in den Humanities"

Warum aber Berlin und die Humboldt-Uni? In den Humanities sei die HU eine „Flagship-Uni“ und durch ihren historischen Campus in der Mitte Berlins international sehr sichtbar, sagt Rickmers. Präsidentin Sabine Kunst freut sich, dass die Universität mit der Förderung „ihre Ansätze in der angewandten Philosophie weiter ausbauen“ kann.

Tatsächlich hat Philosophin Rahel Jaeggi mit ihrer Professur seit 2009 bereits einen Schwerpunkt begründet, auf dem das Center aufbauen kann. So organisierte sie 2011 die internationale Konferenz „Re-thinking Marx“ und publizierte zur „Kritik von Lebensformen“ (2013) und zur „Entfremdung“ (2005/2016). Im Themenkreis des Centers – „Krisen des Kapitalismus und Krisen der Demokratie“ – werde es etwa um die Frage gehen, warum Wirtschaftssysteme zu verheerender Ungleichheit und in der Folge zu sozialen Spannungen führen, sagt Jaeggi.

Die Leiterin bleibt auf ihrer HU-Professur und kann am Center einen Koordinator einstellen, eine Postdoc-Stelle und eine halbe Promotionsstelle schaffen. Außerdem wird es vier Doktorandenstipendien geben sowie Fellows, die sich mit dem Team austauschen. Das gilt auch für den „Walter Benjamin-Chair“, auf dem prominente Wissenschaftler Ideen für öffentliche Lectures erarbeiten sollen. Hinzu kommen Summerschools und Meisterklassen für Studierende. Entwickeln will Jaeggi auch neue Formate, um Erkenntnisse über den sozialen Wandel in breitere Kreise zu vermitteln. „Wir wollen dicke Bretter bohren – und einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte leisten“, sagt Rickmers.

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