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"Auf Kipp" reicht nicht für den Unterricht. Vor allem in der wärmeren Jahreshälfte muss der Luftaustausch angetrieben werden, um Aerosole effektiv zu verdünnen, empfiehlt die Deutsche Physikalische Gesellschaft.

© Gregor Fischer/dpa

Lüften, aber technisch: Ventilatoren und Luftfilter sollen Virenübertragung in Schulen bremsen

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft empfiehlt Klassenzimmer nicht nur durch Fensteröffnen zu lüften, um Covid-19-Ansteckungen zu verhindern.

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) spricht sich für ein neues Lüftungskonzept für Schulen und andere öffentliche Einrichtungen aus. Mit einem offenen Brief wendet sich die Fachgesellschaft an die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Bundesländer, die Kultusministerkonferenz, Lehrerverbände und wissenschaftliche Organisationen.

Schulen sollen in den nächsten Wochen wieder geöffnet werden, könnten das Infektionsgeschehen mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in Deutschland aber wieder deutlich verstärken. Das Ansteckungsrisiko mit Covid-19 hänge in den Klassenräumen auch von der Konzentration von virenbeladenen Aerosolen ab. Technische Lösungen mit kontrolliertem Luftwechsel könnten die Verringerung der Aerosole im Raum aber gewährleisten, so der Vorschlag der DPG.

Der Kostenaufwand sei mit ausreichender Wartung in Schulen und öffentlichen Gebäuden überschaubar und der Einsatz von Geräten zur Belüftung jeder Art passiver Lüftung durch bloßes Öffnen von Fenster und Türen „weit überlegen“, so der offene Brief.

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Lüftung und Masken

Virenpartikel werden mit Tröpfchen beim Niesen, Husten oder auch Sprechen von Infizierten an die Raumluft abgegeben, erklärt Eberhard Bodenschatz. Dort können sie als Aerosole lange verbleiben und von Menschen eingeatmet werden. Am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation hat Bodenschatz die Aerosolabscheidung von 140 freiwillig Mitwirkenden untersucht. Zudem haben die Forscher eine Berechnungsmethode des Ansteckungsrisikos entwickelt. Die Publikation der Ergebnisse und Methoden sei geplant, bislang wurden sie also noch nicht unabhängig fachlich begutachtet.

Der Physiker schildert ein Beispiel: Wenn eine mit Sars-CoV-2 infizierte Lehrkraft eine Klasse von 30 Kindern einen Schultag mit sechs Unterrichtsstunden unterrichtet, dann liege die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein Kind ansteckt ohne Lüften bei 85 Prozent. Durch Luftwechsel sinkt diese Wahrscheinlichkeit, liegt aber nach 30 Luftwechseln immer noch bei neun Prozent. Das bedeutet, es würden sich wahrscheinlich drei Kinder anstecken und das Virus weitergeben können. Und das Risiko nimmt solange zu, wie die Infektion der Lehrkraft nicht erkannt wird.

Wenn Kinder und Lehrerinnen und Lehrer Masken tragen – „schon Stoffmasken funktionieren einigermaßen ok“, sagte Bodenschatz – nimmt die Ansteckungsgefahr stark ab. „Wir brauchen in Situationen, in denen wir mit vielen anderen in einem Raum sind, zuverlässige Lüftung und müssen Masken tragen“, resümiert Bodenschatz.

Schutz durch Mischlüftung

Die Fenster zu öffnen sorge so lange für guten Luftaustausch, wie ein ausreichend großer Temperaturunterschied zwischen Drinnen und Draußen besteht. Bei milder Witterung werde aber zu wenig Luft ausgetauscht, wenn nicht Wind die Luft in Bewegung versetzt. „Das heißt wir brauchen eine technische Lösung für den Luftaustausch“, sagt der Physiker.

Forschende vom Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin zeigen mit einem Modell, dass sich Aerosolpartikel in einem Raum jedoch nicht gleichmäßig verteilen. Trotz hoher virenfreier Zuluftströme könne es in Innenräumen zu Bereichen mit hoher Virenkonzentration kommen, teilte das Institut mit.

Laut der DPG-Empfehlung biete Mischlüftung exzellenten Schutz, die Abluftventilatoren und Reinluftfilter kombiniere. Dabei wird die Raumluft vermischt und mit Frischluft oder gereinigter Luft verdünnt, was das Ansteckungsrisiko senken könne.

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