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Eine Lehrerin begrüßt einer Grundschule in Schleswig-Holstein begrüßt ihre Schüler. Hier wurden die Schulen für die 4. Klassen an Grundschulen wieder geöffnet. 

© Carsten Rehder/dpa

Lockerungen in der Coronakrise: Ärzte zweifeln an Wirksamkeit von Schulschließungen

In einem Artikel beschreiben fünf Kinderärzte, es sei unklar, wie stark Kinder das Virus übertragen - und dass die Wirksamkeit von Schulschließungen nicht nachgewiesen sei. 

Deutschland debattiert über die Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, Bund und Länder einigten sich am Mittwoch. Ein wichtiger Aspekt dabei der Umgang mit den Schulen. Seit mehreren Wochen werden Kinder zu Hause im Home Office unterrichtet, in Deutschland werden Schulen nun schrittweise geöffnet. 

Ein Artikel aus der neuesten Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes meldet nun Zweifel an der Effektivität und Legitimität von Schulschließungen an. Unter der Überschrift "Kinder haben das Recht auf Bildung" schreiben insgesamt fünf Kinderärztinnen und -ärzte der LMU München, dass die Schließungen nicht primär dem Schutz der Kinder dienten, sondern der Eindämmung der Pandemie. Denn sie selbst erkrankten eher mild oder gar nicht an Covid-19. Im April 2020 seien aber etwa 1,6 Milliarden Kinder nicht beschult worden - etwa 90 Prozent der Schulkinder weltweit. 

Das widerspreche dem Recht der Kinder auf Bildung laut UN-Konvention der Kinderrechte, soziale und psychische Folgen für die Betroffenen seien die Konsequenz. Schulschließungen über einen längeren Zeitraum müssten deshalb nachvollziehbar begründet sein. 

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Wie stark Kinder das Virus übertragen, ist unklar

Dabei sei vor allem nicht geklärt, in welchem Ausmaß Kinder als Überträger  des Virus fungierten. Es gäbe klare Hinweise darauf, dass Kinder seltener Überträger des Virus seien als Erwachsene - beispielsweise könnten der mildere Krankheitsverlauf und ein weniger starker Hustenstoß dafür verantwortlich sein. Charité-Virologe Christian Drosten habe mit Kollegen in einer Studie festgestellt, dass die Viruslast in den oberen Atemwegen bei Kindern und Erwachsenen vergleichbar sei - jedoch sei der Rückschluss, dass auch beide vergleichbar infektiös seien nicht zulässig. 

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Schulschließungen, so die Verfasser, seien seit der Spanischen Grippe von 1918/19 Teil eines Maßnahmenkataloges bei Pandemien und auch Teil des Nationalen Pandemieplans in Deutschland - und dieser sei vor allem von der Vorbereitung auf eine Influenzapandemie geprägt. "Coronavirus-Infektionen unterscheiden sich aber in ihrer altersspezifischen Übertragung von der Influenza", schreiben die Verfasser. So habe es beispielsweise während der SARS-Pandemie 2002/2003 in China keine dokumentierte Übertragung in Schulen gegeben. 

Es wurde sich auf Erkenntnisse zur Influenza gestützt

Auch sei die Auswirkung von Schulschließungen auf die Mortalität des Coronavirus untersucht worden: Ein moderater Effekt wurde hier vorhergesagt. Aber: Auch hier wurde sich auf ein Infuenzamodell bezogen, weshalb dies nur begrenzt auf die aktuelle Situation übertragbar sei. Zahlen aus Australien zeigten zudem, dass nur bei 0,23 Prozent der Kontaktpersonen infizierter Schüler sich infiziert hätten. Die Wirksamkeit von Schulschließungen in der aktuellen Coronavirus-Pandemie zweifeln die Verfasser deshalb an.

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Die Mediziner resümieren, dass die Schließung von Schulen und Kindergärten wahrscheinlich weniger als erwartet zur Eindämmung des Virus beitragen würden als erwartet. Kinder trügen nach derzeitigem Stand nicht so viel zur Übertragung des Virus bei wie Erwachsene - ihr Recht auf Bildung müsse deshalb Vorrang haben.

Drosten beunruhigt über Studie aus Frankreich

Der Artikel scheint den Aussagen von Charité Virologie-Chef Christian Drosten entgegenzustehen. Mit Bezug auf eine Studie aus Nordfrankreich zum Infektionsgeschehen an Schulen, zeigte er sich beunruhigt.

In der Studie wurde der Ausbruch des Coronavirus an einer Schule im nordfranzösischen Départment Oise dokumentiert, bei dem sich laut Drosten 38,3 Prozent der Schüler und 43,3 Prozent der Lehrer infiziert hätten. „Das sind Zahlen, da muss man schon sagen: Wenn das in Schulen passiert, dann darf man Schulen nicht öffnen. Da infizieren sich wirklich im Mittel über 40 Prozent“, sagte Drosten im NDR-Podcast. Diese Zahlen seien ziemlich „beeindruckend“. 

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Drosten sagte jedoch in diesem Zusammenhang auch, dass die Situation dort nicht eins zu eins mit Deutschland vergleichbar sei, da hier schrittweise Öffnungen geplant seien. „In der jetzigen Realität sollen die Schüler eine Maske tragen, es soll Abstand in den Klassen geben, ausgedünnte Jahrgänge, zum Teil nicht jeden Tag Unterricht, sondern an versetzten Tagen, sodass weniger Schüler in der Schule sind. Pausenregelungen anders gestalten, dass die große Pause nicht so aussieht, dass alle Schüler auf dem Schulhof durcheinanderlaufen" sagte Drosten.

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