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Live-Grafiken zum Coronavirus: Tagesspiegel stellt Corona-Zahlen um

Seit Beginn erheben wir kontinuierlich die neuesten Coronazahlen für alle Länder und deutschen Landkreise. Nun stellen wir die Datenquelle um. Hier erklären wir, warum.

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Am 29. Januar 2020 veröffentlichten wir einen Artikel darüber, wie sich ein neuartiges Virus von China aus verbreitet, genannt „Coronavirus 2019-nCoV“. Er erklärte anhand von Karten, warum sich dieses Virus so schnell ausbreiten konnte, ausgehend vom chinesischen Wuhan. Das war genau einen Tag, nachdem der erste Covid-Fall in Deutschland bestätigt worden war. Einen Tag später, am 30. Januar 2020, waren vier Fälle im bayrischen Starnberg bestätigt. Der Artikel wurde binnen weniger Tage mehrere Hunderttausend Mal gelesen – deutschlandweit und international.

Am Ende dieses Artikels war eine Landkarte eingebaut, die zeigte, wie viele Fälle in der Welt schon bekannt sind. Für China gab es diese Zahlen auf einer chinesischen Website für medizinisches Personal. Für den Rest der Welt sammelten wir die Fallzahlen aus einzelnen Medien- und Behördenberichten zusammen. Das tun wir bis heute.

Die aktuellsten Zahlen für alle

Je schneller Covid sich ausbreitete, desto größer wurde das Interesse bei unseren Leserinnen und Lesern. Die Menschen wollten so genau wie möglich wissen, wie das Infektionsgeschehen ist, wie es in anderen Ländern aussieht und wie viele Fälle es bereits in ihrer Nachbarschaft gibt.

Interaktive Karte -  Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in Deutschland - Landkreise und Bundeslaender
Interaktive Karte - Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in Deutschland - Landkreise und Bundeslaender

© Tagesspiegel

Also bauten wir so schnell wie möglich eine Karte, die für jeden der 400 Landkreise zeigte, wie viele Fälle gemeldet wurden. In einem zentralen Grafik-Artikel zu Covid-19 bauten wir weitere Suchmöglichkeiten und Fakten ein, Ländervergleiche und Testzahlen, später die Auslastung der Krankenhäuser und die Zahl der Geimpften. Der Artikel ist der erfolgreichste Artikel, der je auf Tagesspiegel.de veröffentlicht wurde. Er wird bis heute gelesen – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Zahlen daraus werden international zitiert und flossen weltweit in Berichte zum Coronavirus ein, beispielsweise auf Wikipedia oder Google.

Die Sache hatte jedoch einen Haken: Während das Coronavirus sich extrem schnell ausbreitete, glänzten die meisten deutschen Behörden mit atemberaubender Langsamkeit und Technologieferne. Anstatt alle aktuellen Fallzahlen deutschlandweit automatisch und strukturiert an einem zentralen Ort bereitzustellen, gab es lange gar keine aktuelle zentrale Berichterstattung von Fallzahlen – geschweige denn für die einzelnen Landkreise. Es dauerte Tage, bis neue Fälle von den lokalen Ämtern bis zum RKI gelangten. Und das galt nicht nur für die Zahl der Neuinfizierten, sondern auch für die Anzahl von  Verstorbenen oder Hospitalisierten.

Eine der Weltkarten, die wir zu Beginn der Pandemie veröffentlichten zeigte an, in welchen Ländern schon Covid-19-Fälle bekannt sind und wie viele.
Eine der Weltkarten, die wir zu Beginn der Pandemie veröffentlichten zeigte an, in welchen Ländern schon Covid-19-Fälle bekannt sind und wie viele.

© Tagesspiegel

Schnellere Fallzahlen durch Schwarmrecherche

Die Alternative war, die Ämter vor Ort direkt zu befragen. Weil es extrem aufwändig ist, Fallzahlen von allen 400 Landkreisen einzeln abzufragen, schloss sich das Tagesspiegel Innovation Lab einem gemeinsamen Projekt zur Datenerhebung an, das damals von dem Risikoforscher James Daniell, Geschäftsführer der Firma Risklayer und Forscher am Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology am Karlsruhe Institute of Technology (KIT), initiiert wurde. Statt auf zentrale Behörden setzte dieses Projekt auf Schwarmintelligenz. Mithilfe von zeitweise Dutzenden Freiwilligen sammelte das Projekt die Fallzahlen von den Webseiten der Gesundheitsämter in den Landkreisen.

Mitarbeitende des Tagesspiegel Innovation Lab sammelten diese Zahlen seither mit und achteten besonders darauf, sie unabhängig zu verifizieren. Bei Ungereimtheiten wurden immer wieder lokale Behörden angeschrieben: seit über 830 Tagen – an sieben Tagen pro Woche.

Diese Methode ermöglichte es, die neuesten Fallzahlen meist wesentlich schneller zu erfassen als das Robert Koch-Institut. Denn mangels digitaler Infrastruktur gab es oft einen Meldeverzug von mehreren Tagen, bis die Zahlen erfasst und weitergemeldet wurden. Außerdem gab es zu Beginn keine geeignete zentrale Datenbank des RKI, um die Fallzahlen automatisiert abzufragen.

Die von dem Team gesammelten Fallzahlen wurden seit Beginn offen, transparent und nachvollziehbar bereitgestellt. So konnten sie von anderen Medien und Forschenden genutzt werden. Das wurden sie auch, unter anderem von ZDF, Spiegel, MDR und der Johns Hopkins University. Im März 2022 beendete Risklayer seine Mitarbeit an dem Projekt. Seither sammelte der Tagesspiegel die Fallzahlen alleine.

Die Umstellung auf RKI-Inzidenzen

Inzwischen ist das RKI bei der Digitalisierung ein wesentliches Stück vorangekommen. Aktuelle Fallzahlen werden mittlerweile in einem sauberen, maschinenlesbaren Format bereitgestellt. Außerdem wurden die Landesbehörden verpflichtet, die Zahlen schnell und digital weiterzugeben. Einige Landkreise sind im Gegenteil nun dazu übergegangen, ihre Zahlen zwar schnell ans RKI weiterzureichen, stellen sie aber nicht mehr so schnell auf ihre Webseite. Viele stellten die Meldungen am Wochenende ganz ein oder melden Fallzahlen nur noch einmal pro Woche. Manche tun es sogar gar nicht mehr. So ist es in den letzten Monaten immer schwerer geworden, vergleichbare Zahlen von den Landkreisen direkt zu erheben. Wir haben daher beschlossen, unsere Datenquelle am Dienstag, den 14. Juni, auf die Schnittstellen des RKI umzustellen. So kann es zwar weiterhin zu Verzögerungen der Meldung neuer Fälle aus wenigen Landkreisen kommen, aus anderen kommen sie dadurch jedoch schneller auf unserer Website an. Auch die 7-Tage-Inzidenzen, die in Artikeln auf Tagesspiegel.de dargestellt werden, sind ab heute die offiziellen Inzidenzen, die das RKI meldet.

Die neuen Schwächen der Fallzahlen

Weil immer weniger PCR-Tests durchgeführt werden und die Quarantäneregeln stark vereinfacht wurden, sind die Corona-Fallzahlen, die heute von den Behörden gemeldet werden, weitaus ungenauer als noch vor einigen Monaten. Auch gibt es teils massive Unterschiede zwischen Bundesländern und den verschiedenen lokalen Behörden, wie und wie viel noch getestet wird.

Bei der Interpretation von Fallzahlen ist daher noch mehr Vorsicht geboten als zuvor. Dennoch glauben wir, dass die gemeldeten Fallzahlen weiterhin zumindest ein wichtiger Anhaltspunkt sind, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Deshalb stellen wir die Fallzahlen weiterhin so aktuell wie möglich auf unserer Coronaseite dar.

Die erhobenen Coronadaten der Landkreise – kostenfrei als offene Daten

Die lokalen Daten der Landkreise zu erheben war nicht nur sehr mühsam. Es erlaubte uns vor allem, oft früher als das RKI die schnell steigenden Fallzahlen am Beginn neuer Wellen zu berichten. Durch die geringere Verzögerung ist zudem oft das lokal sehr unterschiedliche Infektionsgeschehen zu Beginn der Pandemie besser nachvollziehbar.

Deshalb wurden wir im Verlauf der Pandemie immer wieder von Forschenden großer internationaler Universitäten um die erhobenen Daten gebeten. Damit die Forschung die erhobenen Daten auf Landkreisebene auch weiterhin nutzen kann, stellen wir diese Corona-Landkreisdaten auf Github als offene Daten zur Verfügung. So hoffen wir, dass Forschung, Journalismus und Interessierte weiterhin von diesem enormen Rechercheaufwand der letzten zwei Jahre profitieren können.

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