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Schädeldach eines Homo erectus. Dieses Exemplar stammt aus einer Höhle in Zhoukoudian, China.

© Museo Arqueológico Nacional de España

Letzter Auftritt von Homo erectus: Frühmensch überlebte auf Java bis vor 108.000 Jahren

Neu datierte Fossilien deuten darauf hin, dass unser Vorfahre überraschend spät ausgestorben ist. Sein Ende kam wohl auch, weil sich die Umwelt veränderte.

Der Frühmensch Homo erectus hat auf der indonesischen Insel Java noch bis vor etwa 108.000 bis 117.000 Jahren überlebt. Das belegen in den 1930er Jahren entdeckte Schädel- und Schienbeinknochen, deren Alter jetzt mit modernen Methoden erstmals genau bestimmt wurde. Die Ergebnisse dieser Neudatierung präsentiert ein Forschungsteam um den Anthropologen Russell Ciochon von der Universität Iowa im Fachblatt "Nature".

Homo erectus gilt als einer der Vorfahren des modernen Menschen und als erster Vertreter der Gattung Homo, der ständig aufrecht ging. Er entwickelte sich vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika und breitete sich von dort nach Asien aus. Die indonesische Insel Java erreichte er vor etwa 1,5 Millionen Jahren. Dort wurden Ende des 19. Jahrhunderts auch die ersten Fossilien der Art gefunden, weshalb sie zuerst als "Java-Mensch" bekannt wurde.

Eine besonders reiche Fundstätte ist die Terrasse des Flusses Solo nahe des Dorfs Ngandong. Dort fanden holländische Forscher zwischen 1931 und 1933 insgesamt 12 Schädel- und zwei Schienbeinknochen – der größte Fund weltweit. Bisher wusste allerdings niemand, wie alt die Knochen wirklich sind.

Auch bei vorherigen Expeditionen von Wissenschaftlern um Ciochon in den Jahren 2008 und 2010 gelang eine exakte Datierung nicht, obwohl die Forscher die Notizen der Niederländer aus den 30er Jahren zurate zogen.

Ausgrabungen bei Ngandong auf Java.
Ausgrabungen bei Ngandong auf Java.

© Russell Ciochon

In vielen Fällen wussten sie aber schlicht nicht genau, wo diese die Knochen damals gefunden hatten. Dazu kommt eine komplexe Bodenschichtung der Flussterrasse, die eine genaue Zuordnung der Fossilien erschwerte. Daher schwankten die Schätzungen, wie alt die Knochen sind, sehr stark, von 550.000 Jahren bis 27.000 Jahren.

Ein Fluss spülte die Knochen in grauer Vorzeit an

Jetzt nahmen die Wissenschaftler einen neuen Anlauf, um das Datierungsproblem zu lösen. "Das konnte nur gelingen, indem wir die weitere Umgebung in den Blick genommen haben", sagte Mitautorin Kira Westaway von der Macquarie University in Sydney.

Dafür rekonstruierten sie auch, wie die Landschaft um die Fundstelle zu der wurde, die sie heute ist. So hatte der Solo-Fluss, der die Knochen in grauer Vorzeit anspülte, seine Richtung im Laufe der Zeit mehrfach geändert, als sich auf Java Gebirge gebildet hatten.

Indem sie Tropfsteine aus mehreren Höhlen des Gebirges datierten, fanden die Wissenschaftler heraus, wann sich diese Gebirge heraushoben, bevor der Fluss sich anschließend in die Umgebung einschneiden und über die Zeit Terrassen bilden konnte.

Der Fluss Solo auf Java mit Flussterrassen.
Der Fluss Solo auf Java mit Flussterrassen.

© Kira Westaway

Außerdem bestimmten sie mit verschiedenen Methoden das Alter der einzelnen Flussterrassen – von der jüngsten, die nicht viel höher liegt als der heutige Flusslauf, bis zu den ältesten, die etwa 100 Meter hoch über dem Tal thronen.

Und sie gruben sich um die Fundstelle der Knochen herum erneut in den Boden, um aktuelles Material aus den verschiedenen Terrassenschichten zu datieren. Zwar fanden sie dabei keine weiteren Überreste von, wohl aber mehrere Rinderzähne und 15 Röhrenknochen von Säugetieren.

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Insgesamt präsentieren die Forscher 52 neue Altersschätzungen von Tierknochen und Sedimenten. Demnach bildete sich das Knochenlager mit den Schädeln und Schienbeinknochen von Homo erectus etwa vor 108.000 bis 117.000 Jahren.

"Das muss die richtige Altersspanne sein, die Datierung ist sehr einheitlich", sagte Russell Ciochon einer Mitteilung seiner Universität zufolge. Damit handle es sich den Forschern zufolge um das letzte bekannte Auftreten der Art weltweit. "Das bedeutet nicht, dass wir das Aussterben von Homo erectus datiert haben", so Ciochon. Es gebe aber keine Hinweise, dass die Art anderswo länger überlebt habe.

Vor 130.000 Jahren änderte sich die Umgebung

Ein Grund, warum Homo erectus wohl mehr als eine Million Jahre auf Java lebte, war, dass er an das dortige flache Grasland angepasst war. Bis sich vor etwa 130.000 Jahren die Umgebung änderte. "Wir wissen, dass sich die Pflanzenwelt von Grasland in tropischen Regenwald verwandelte", sagte Ciochon. "Dort gab es die Pflanzen und Tiere nicht mehr, die Homo erectus kannte, und er konnte sich einfach nicht daran anpassen."

Knochenlager bei den Ausgrabungen von 2010.
Knochenlager bei den Ausgrabungen von 2010.

© Russell L. Ciochon

Dass Homo erectus auf Java mit dem modernen Menschen zusammentraf, halten die Forscher aufgrund ihrer Ergebnisse für unwahrscheinlich. Auf der indonesischen Insel Flores und der philippinischen Insel Luzon wurden allerdings zwei Zwerghomininen gefunden, die Homo erectus äußerlich ähnelten: Homo floresiensis und Homo luzonenis. Alle drei waren Vertreter der Gattung Homo in Südostasien. Alle drei starben aus.

Sind wir zu einem Prozent Homo erectus?

Genetische Daten deuten allerdings darauf hin, dass eine andere Frühmenschenart schon recht früh (vor etwa 360.000 Jahren) auf den südostasiatischen Inseln angekommen sein könnte: Denisova-Menschen. Sie trafen wohl vor etwa 45.000 und 30.000 Jahren in der Region auf Homo sapiens, den modernen Menschen.

Die Autoren schreiben, dass sich etwa ein Prozent des Erbguts moderner Populationen weder dem Menschen noch dem Neandertaler oder dem Denisovaner zuordnen lässt. Das könnte bedeuten, mutmaßen sie, dass die Denisovaner bei ihrer Ankunft in Südostasien doch noch auf die letzten lebenden Exemplare von Homo erectus getroffen sein könnten – mit genetischen Spuren bis in die Gegenwart.

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