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Leibniz-Preise: Zwei Ausgezeichnete sind Berliner

Gleich zwei Berliner können sich in diesem Jahr über den wichtigsten deutschen Forschungsförderpreis, den Leibniz-Preis, freuen. Beide kommen aus den Lebenswissenschaften.

Gleich zwei Berliner können sich in diesem Jahr über den wichtigsten deutschen Forschungsförderpreis, den LeibnizPreis, freuen. Einer von ihnen ist Michael Brecht (44), Biologe am Bernstein-Zentrum für Computational Neuroscience und an der Humboldt-Universität. Der Neurophysiologe Brecht geht in seiner Arbeit einer grundsätzlichen Frage der modernen Hirnforschung nach: Wie beeinflussen Neuronen (Nervenzellen) Verhalten? „Wir wollen die Sprache der Neuronen verstehen“, hat Brecht sein Forschungsziel einmal gegenüber dem Tagesspiegel umrissen.

Um darauf eine Antwort zu finden, hat Brecht eine revolutionäre Technik entwickelt. Sie ermöglicht es, die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn aufzuzeichnen, ohne dass die Tiere dazu starr fixiert werden müssen. Brechts Verfahren ermöglicht es, dass die Versuchstiere sich frei bewegen können. Bei seinen Messungen stellte der Biologe fest, dass es schon genügt, eine einzelne Nervenzelle anzuregen, um das Verhalten zu beeinflussen.

Nach einem Studium der Biochemie und Biologie in Tübingen und einem Aufenthalt in San Francisco promovierte Brecht bei dem Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer und habilitierte sich bei dem Nobelpreisträger Bert Sakmann in Heidelberg. Seit 2006 ist er Professor am Bernstein-Zentrum.

Mit seiner Arbeit an einzelnen Nervenzellen konzentriert sich Brecht auf eine winzige Komponente eines großen Ganzen, des Gehirns. Nikolaus Rajewsky (43), zweiter Berliner Leibniz-Preisträger, geht den umgekehrten Weg. Er will verstehen, wie die Gesamtheit eines biologischen Systems funktioniert, etwa eine Zelle oder ein Organismus. Um diese Aufgabe zu lösen, bedarf es nicht nur der Biologie und Chemie, sondern auch der Mathematik und Physik. Große Datenmengen müssen verarbeitet werden, um die komplexen Lebensprozesse einer Zelle zu registrieren und zu verstehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Rajewsky seine Wurzeln in der Mathematik und Physik hat.

Rajewskys Spezialstrecke ist die Mikro-RNS. Das sind kleine Erbgutpartikel, die viele Prozesse in der Zelle direkt steuern und nicht, wie herkömmliche Gene, über die Herstellung von Eiweißmolekülen. Nach seiner Promotion in theoretischer Physik an der Kölner Uni ging Rajewsky in die USA, wo er sich der Systembiologie zuwandte. 2006 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde Professor am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch. Das von ihm geleitete Berlin-Institut für medizinische Systembiologie ist zwar Teil des MDCs, es wird aber voraussichtlich 2015 nach Berlin-Mitte auf den Campus Nord der HU am Fuße der Charité umziehen.

Auch unter den weiteren Leibniz-Preisträgern dominieren die Naturwissenschaftler. Eine – von insgesamt nur zwei – prämierten Frauen ist die Mathematikerin Barbara Wohlmuth (TU München). Geehrt werden auch die beiden Bonner Immunologen Gunther Hartmann und Christian Kurts, der Biochemiker Matthias Mann vom Max-Planck- Institut für Biochemie in Martinsried bei München, der Stuttgarter Physiker Jörg Wrachtrup und der Kieler Ozeanologe Ulf Riebesell. Als einzigen Technikwissenschaftler bedachte die DFG den Informatiker Peter Sanders vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Aus den Geisteswissenschaften kommen zwei Preisträger. Sehr aktuell ist das Gebiet der Marburger Arabistin Friederike Pannewick – die erste Arabistin überhaupt, die die Auszeichnung erhält. Pannewick erforscht, wie die arabische Gegenwartsliteratur Bürgerkriegserfahrungen und Rebellionen behandelt. Sie habe es sogar geschafft, die Grundlagen der Revolutionen in der arabischen Welt schon vor deren Ausbruch zu analysieren, hebt die Jury hervor. Bedeutende wissenschaftliche Themen im Mittleren und Nahen Osten habe sie frühzeitig identifiziert. Mit dem Frankfurter Philosophen Rainer Forst werde der „wichtigste deutsche politische Philosoph der Generation ‚unter 50’ geehrt“, wie die DFG lobt.

Neun Ausgezeichnete bekommen ein Preisgeld in Höhe von je 2,5 Millionen Euro, zwei Wissenschaftler teilen sich einen Preis zur Hälfte mit je 1,25 Millionen Euro. Das Geld muss in die Forschung gesteckt werden. Verliehen werden die Preise im Februar in Berlin. tiw/wez

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