zum Hauptinhalt
Geheilt. Die 34 Tage alte Noubia war die letzte Patientin der Ebola-Epidemie in Guinea. Am 8. November 2015 wurde das Baby aus dem Behandlungszentrum der Ärzte ohne Grenzen in Conakry unter Applaus entlassen.

© Cellou Binani/AFP

Lehren aus Ebola: Die nächste Seuche

Wie kann sich die Welt künftig vor gefährlichen Epidemien und neuen Erregern schützen? Überwachung, rasches Handeln und Transparenz sind Eckpfeiler.

Jede Seuche hat ihren ersten Patienten. Im Fall der westafrikanischen Ebola-Epidemie von 2014/15 war dies vermutlich ein zweijähriges Kleinkind. Bereits Ende 2013 steckt sich Emile Ouamouno in Meliandou, einem Dorf im Südosten Guineas, mit dem tödlichen Virus an, möglicherweise beim Spielen mit einer infizierten Fledermaus. Am 6. Dezember 2013 stirbt der kleine Emile, innerhalb eines Monats folgen ihm seine kleine Schwester, seine Mutter und seine Großmutter. Ebola ist in Westafrika angekommen. In den nächsten zwei Jahren, bis zum Januar 2016, wird der Erreger mehr als 11 000 Menschen umbringen.

Der Kampf gegen Keime ist auch ein Wettlauf mit der Zeit. Heute ist klar, dass zu spät auf die Gefahr durch Ebola reagiert wurde. Das Virus war schneller, hatte Monate Zeit, sich ungehindert zu verbreiten. Es dauerte ein Vierteljahr, bis die Weltgesundheitsorganisation WHO über den Ausbruch alarmieren konnte. Hat man seitdem die Lehren aus den Versäumnissen gezogen? Wie kann man sich zukünftig vor gefährlichen, vielleicht noch unbekannten Erregern schützen?

Vorsichtiger Optimismus herrschte bei einer Podiumsdiskussion vor, die der Tagesspiegel und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zum Thema „Viren kennen keine Grenzen“ im Verlagshaus veranstaltet hatten. „Man hat zu spät mit den Gegenmaßnahmen begonnen, aber dann massiv reagiert“, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, das für Seuchenbekämpfung zuständig ist. Forscher des Instituts waren entscheidend daran beteiligt, die Spur zu den ersten Erkrankten zu finden. Bei Seuchen in Afrika wird die „schnelle Eingreiftruppe“ des Instituts häufig von betroffenen Ländern angefordert.

Wieler nahm die WHO vor Kritik in Schutz: „Bei ihr wird zu viel abgeladen.“ Er sieht vor allem die betroffenen Länder in der Verantwortung, in denen der Ausbruch nicht erkannt oder sogar vertuscht wurde.

Kampf den Keimen. Zum Thema Seuchen diskutierten im Tagesspiegel(v. l.): Lothar Wieler (RKI), Ulrike Scheffer (Tagesspiegel), Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Tanja Gönner (GIZ).
Kampf den Keimen. Zum Thema Seuchen diskutierten im Tagesspiegel(v. l.): Lothar Wieler (RKI), Ulrike Scheffer (Tagesspiegel), Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Tanja Gönner (GIZ).

© Thilo Rückeis

Um als ausländischer Helfer vor Ort Epidemien einzudämmen, komme es darauf an, sich auf das jeweilige Land einzulassen und dort das Vertrauen zu gewinnen, riet Tanja Gönner, Vorstandssprecherin des GIZ. Keine leichte Aufgabe, wurden doch die Ebola-Bekämpfer in abgelegenen Regionen Westafrikas mitunter selbst als Feinde betrachtet und attackiert – mit tödlichen Folgen.

Damit Epidemien in Entwicklungsländern bekämpft werden können, bedarf es starker Gesundheitssysteme und ständiger Wachsamkeit, sagte Wieler. Ein Argument, das Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch verstärkte. Gute Gesundheitssysteme seien die Grundlage für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes. Rasches Handeln bei einer Seuche gehöre ebenso dazu wie die „Bereitschaft zur Transparenz“. Länder, die von der internationalen Gemeinschaft unterstützt würden, müssten es sich dabei gefallen lassen, ihre Gesundheitswesen bewerten zu lassen, auch wenn das Empörung auslöse.

Gröhe: Die Welt muss gegen globale Gesundheitsgefahren zusammenstehen

Gröhe will die Rolle der WHO bei der Seuchenbekämpfung stärken. Dazu gehört, dass die Organisation mehr Geld aus Deutschland bekommt. Beim Krisenfonds der WHO ist die Bundesrepublik Geberland Nummer eins. Den Genfer Gesundheitshütern kommt aus Sicht der Bundesregierung eine wichtige Rolle bei einem „Verteidigungsbündnis gegen globale Gesundheitsgefahren“ zu, das Gröhe in einem Interview mit der „Zeit“ forderte. Zwei Themen stehen im Vordergrund: Antibiotika-Resistenz und Seuchenbekämpfung.

Schon vor dem heute in Hamburg beginnenden G-20-Gipfel hatte Gröhe die Gesundheitsminister der G 20 im Mai nach Berlin gebeten, um hier gemeinsam mit WHO und Weltbank in einem Planspiel den Ernstfall zu proben. In einem Land namens „Anycountry“ mit niedrigem Einkommen bricht eine Krankheit aus. Der Erreger breitet sich rasch aus, die Gefahr einer weltweiten Gesundheitskrise besteht. Riecht nach Ebola, könnte aber „Anyvirus“ sein. Moral: Gegen Epidemien muss die Welt zusammenstehen, Egoismus schadet allen.

Fällt Deutschland in der Ära Trump eine Rolle als Weltpolizist der Gesundheit zu? Kann das Land eine mögliche Lücke füllen, die eine auf sich selbst bezogene USA hinterlässt, wie die Moderatorin und Tagesspiegel-Redakteurin Ulrike Scheffer gegenüber Gröhe spekulierte? So weit wollte der Minister nicht gehen. Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien profitierten vom Welthandel, also hätten sie die moralische Pflicht, für diese Welt zu sorgen. Das Gehirn der Infektionsbekämpfung wird auch künftig in Atlanta sein, daran ließ Gröhe keinen Zweifel. Dort hat die US-Seuchenbehörde CDC ihren Sitz.

Zur Startseite