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Gefördertes Kobalt-haltiges Erz wird in zugänglichen Gewässern gewaschen, was giftige Rückstände hinterlässt.

© Northwestern University

Landnahme, Kinderarbeit, Umweltbelastung: Die schmutzige Seite des Kobalt-Abbaus in Kongo

In vielen Akkus und Batterien steckt Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo. Das Metall wird in Wildwest-Manier abgebaut, fanden Forschende.

Das Metall Kobalt steckt in Akkus von Handys, Batterien von E-Autos und vielen anderen Industrieprodukten. Die globale Nachfrage nach dem Metall steigt und mehr als die Hälfte der weltweiten Vorkommen lagert in der Demokratischen Republik Kongo.

In den dortigen Abbaugebieten herrscht einer Studie zufolge Wildwest-Mentalität, weitgehend ohne Einhaltung sozialer, arbeitsrechtlicher, gesundheitlicher oder ökologischer Standards.

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Ungesicherten Schächten und Stollen

Ein US-Forschungsteam beschreibt die Praktiken im Fachblatt „One Earth“. Mehr als die Hälfte des weltweit verarbeiteten Kobalts stamme aus der Region Katanga im Süden des Landes, schreibt die Gruppe um die Ingenieurin Jennifer Dunn von der Northwestern University. Während der Großteil des Kobalts in Katanga industriell gefördert werde, würden 15 bis 20 Prozent der Gesamtmenge von etwa 110.000 bis 150.000 Arbeitern im Kleinbergbau geschürft.

Das Team, zu dem auch zwei Ethnologen zählen, untersuchte in der Katanga-Provinz Lualaba die Auswirkungen des Kleinbergbaus auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen. Zwar habe die Zentralregierung spezielle Bergbauzonen ausgewiesen, doch auch am Rand dieser Gebiete werde in vielen spontan gegrabenen und ungesicherten Schächten und Stollen nach dem Rohstoff gesucht.

„Man könnte meinen, Bergbau bedeute, einfach nur etwas auszugraben“, wird Ko-Autorin Sera Young von der Northwestern University in einer Mitteilung ihrer Uni zitiert. „Aber sie graben nicht auf freiem Land. Es wird Wohnland umgegraben. Die Menschen graben buchstäblich Löcher in ihren Wohnzimmern.“

Ausbeute in 25-Kilogramm-Säcken

Der größte Teil des Kleinbergbaus in Lualaba werde von Kooperativen kontrolliert, die von lokalen Händlern oder fremden Investoren gegründet würden, schreibt das Team. Solche Kooperativen würden wiederum Verträge mit den örtlichen Bergbauunternehmen abschließen.

Für eine Mitgliedschaft in einer Kooperative müssen Arbeiter demnach eine jährliche Gebühr von umgerechnet 15 US-Dollar (etwa 13 Euro) zahlen. Daneben gebe es viele nicht-organisierte Bergleute, die Kobalt auf eigene Faust abbauten und verkauften. Fest voneinander abgrenzen lassen sich beide Gruppen kaum, weil Arbeiter auf der Suche nach den ertragreichsten Vorkommen oft umherziehen.

Die Kooperativen müssten zwar eigentlich Sicherheits- und Umweltstandards einhalten, heißt es. Dies werde aber in der Regel nicht kontrolliert. Das Erz, aus dem Kobalt gewonnen wird, wird demnach meist mit einfachen Handwerkzeugen wie Hämmern und Meißeln oder Hacken abgebaut.

In den Schächten, die teilweise mehr als 30 Meter tief sind, dürfen dem Bericht zufolge nur Männer schürfen. Frauen arbeiten demnach oberirdisch, auch Kinderarbeit ist in den Bergbauorten gängig. Die abgebauten Erze werden zu Bächen, Seen oder Wasserstellen getragen, um sie zu waschen und zu sortieren.

Das kobalthaltige Erz werde dann typischerweise in 25-Kilogramm-Säcken verkauft. Für einen Sack mit einem Kobaltgehalt von 1,5 Prozent zahle die Kooperative den Arbeitern etwa 25 US-Dollar (22 Euro). Die Kooperativen verkauften die Säcke zu einem Preis weiter, den die Arbeiter in der Regel nicht kennen.

Arbeiter ohne Anschluss an Kooperativen könnten ihr Material zwar direkt absetzen und den Preis auch selbst aushandeln, schürfen dann aber auf eigene Faust nach dem Metall. „Sie müssen sich um eigene Mineralvorkommen kümmern, was gefährlich sein kann, aber auch fruchtlos.“

Feste Löhne gebe es für die Menschen im Kleinbergbau ebenso wenig wie ein festgelegtes Arbeitspensum. „Die Bezahlung hängt ausschließlich von der geförderten Menge Kobalt ab und vom Marktpreis für einen 25-Kilo-Sack“, erläutert das Team. „Bergleute arbeiten oft so lange sie können, um ihr Einkommen zu erhöhen.“

Verschmutztes Trinkwasser, sinkende Erträge

Als großes soziales Problem hebt das Team die Enteignung von Land und die Umsiedlung von Menschen hervor, die auf Kobaltvorkommen wohnen. Traditionell gehöre das Land zwar den jeweiligen Kommunen. Deren Anführer werden dem Bericht zufolge aber von den Bergbauunternehmen massiv umworben, etwa mit Geld, Geschenken oder Angeboten wie dem Bau einer Schule.

Wer seinen Besitzanspruch auf ein Grundstück nicht belegen könne, was traditionell meist der Fall sei, werde gewöhnlich entschädigungslos vertrieben. „Das ist unser Land, wir haben immer hier gelebt“, zitiert das Team einen Bewohner des Ortes Kasulo. „Manche Leute fälschen Besitzdokumente, nicht nur um an die Entschädigungszahlung zu kommen, sondern auch, um uns unser Land wegzunehmen.“

Die Aussicht auf ein besseres Einkommen lockt dem Bericht zufolge viele Menschen von außerhalb in die Gegend. Sie bauten dort ihre Siedlungen und eigene Verwaltungsstrukturen auf, was ebenfalls zu Konflikten führe. „Gewalt ist gängig und beeinflusst die Lebensbedingungen in Lualaba negativ“, schreibt das Team. „Während unseres Aufenthalts berichteten Teilnehmer von Konflikten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, vor allem zwischen Wanderarbeitern und lokalen Bewohnern.“

Ein weiteres Problem betrifft der Studie zufolge die Umwelt und die Gesundheit der Anwohner, da der Bergbau vielerorts Böden, Luft und Wasser verseucht. So sei etwa das Wasser an jenen Stellen, wo das geförderte Erz gewaschen wird, nicht mehr zum Trinken geeignet und auch für viele andere Zwecke unbrauchbar. „Ackerland kann ebenfalls unfruchtbar werden durch Gifte und Schadstoffe, die beim Kobaltabbau anfallen.“ Demnach verschlechterten sich vielerorts die landwirtschaftlichen Erträge so sehr, dass manche Menschen sich jenseits der Grenze im angrenzenden Sambia mit Lebensmitteln versorgen müssen.

Warnhinweise und absichernde Maßnahmen fehlen an vielen der bis zu 30 Meter tiefen Stollen.
Warnhinweise und absichernde Maßnahmen fehlen an vielen der bis zu 30 Meter tiefen Stollen.

© Northwestern University

Eine weitere Gesundheitsgefahr sei die Arbeit in den oft einsturzgefährdeten Schächten selbst, schreiben die Forscher. Arbeitsschutz gebe es gewöhnlich nicht. Bei ihren Besuchen in solchen Kleinbergwerken hätten sie keine Schutzmaßnahmen bemerkt: Die Schächte selbst seien meist nicht gesichert, auch Anlagen wie Haltegeländer oder Warnschilder gebe es nicht.

Der Bericht solle nicht nur Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft informieren, betont das Team, sondern auch Verbraucher: Bei der Entwicklung, Finanzierung und Nutzung etwa von grünen Energien sollten nicht nur technologisch, sondern auch sozial und ethisch verantwortungsbewusste Entscheidungen getroffen werden.

Alice Lanzke, Walter Willems, dpa

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