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Vor dem Eingangstor eines ehemaligen deutschen Konzentrationslagers in Polen gehen zwei Frauen einen Weg entlang.

© picture alliance / dpa

KZ-Inspektion in Oranienburg als europäischer Gedenkort: Museum der Schreibtischtäter

In der ehemaligen Inspektion der Konzentrationslager in Oranienburg soll ein europäischer Gedenkort entstehen - mit einer Ausstellungen zu deutschen Lagern in Polen, Frankreich und den Niederlanden.

In Oranienburg soll ein neuer europäischer Gedenkort für die deutschen Konzentrationslager im Ausland entstehen. „In Polen, aber auch in Frankreich und den Niederlanden befanden sich KZ-Hauptlager, die endlich einer Darstellung auch in Deutschland bedürfen“, sagt Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mit Sitz in Oranienburg und Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen. Insbesondere die im heutigen Polen gelegenen Lager Groß Rosen (bei Breslau), Stutthof (bei Danzig) und Majdanek (in Lublin) seien in Deutschland zu wenig bekannt. Intensiv wahrgenommen und von Deutschen besucht würden allein die KZ-Gedenkstätten in Auschwitz und Birkenau. Marginalisiert seien aber auch das elsässische Natzweiler und das niederländische Herzogenbusch.

Die KZ-Inspektion legte Hungerrationen fest, entschied über Todesstrafen

„Eine zentrale Ausstellung in Oranienburg soll die Brücke sein, auch die anderen Orte aufzusuchen“, sagt Morsch. Als Standort sieht er das nach seiner Bauform benannte T-Gebäude in Oranienburg, in dem von 1938 bis 1945 die 1934 geschaffene „Inspektion der Konzentrationslager“ untergebracht war. Unter der Leitung des SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS, Theodor Eicke, und seines Nachfolgers Richard Glücks entschieden dort etwa 100 SS-Männer über das Schicksal vieler hunderttausend KZ-Häftlinge. Die KZ-Inspektion war für alle Vorgänge in den Lagern zuständig, erließ Bekleidungsvorschriften, legte die Hungerrationen fest, entschied über Prügel- und Todesstrafen, organisierte Massenmorde und Zwangsarbeit. Sie stellte Fahrerlaubnisse für den Transport von Zyklon B in die Vernichtungslager aus – und die Urlaubsscheine für die SS-Offiziere.

„In den KZ-Gedenkstätten haben wir heute zu Recht nicht nur das Opfer-Gedenken, sondern auch Täter-Ausstellungen“, sagt Morsch. Das könne aber den Eindruck vermitteln, dass allein der einzelne KZ-Kommandant für die Verbrechen verantwortlich war. „Aber es gibt einen Ort, an dem fast alles geplant und bis in die letzten Tage durchorganisiert wurde – bis hin zu den Todesmärschen.“

NVA-Gebäude in der DDR-Zeit, danach Finanzamt

Das T-Gebäude als Zentrale des KZ-Terrors war über Jahrzehnte nahezu vergessen. Nach 1945 zog dort die Nationale Volksarmee der DDR ein, schottete das Gebäude mit einem hohen Zaun gegen die Außenwelt ab. Nach der deutschen Wiedervereinigung stand es nur für eine kurze Zeit leer, dann wurde es Sitz des Finanzamts Oranienburg, das bis heute den Großteil des Bauensembles einnimmt.

Im Nachwende-Streit um die „Banalisierung“ dieses Schreckensortes erhielt neben dem Finanzamt auch die Brandenburgische Gedenkstättenstiftung dort ihren Sitz. Und Ende 2013 konnte Morsch am authentischen Ort auf 260 Quadratmetern eine neue Dauerausstellung zum Thema „Die Zentrale des KZ-Terrors. Die Inspektion der Konzentrationslager 1934–1945“ eröffnen – mit dem original erhaltenen Arbeitszimmer des KZ-Inspekteurs als Kernstück.

Zentrum der mörderischen Bürokratie des KZ-Terrors

Mit seinem Ausbauplan will Morsch der Inspektion der Konzentrationslager einen Platz im kollektiven Gedächtnis an die NS-Verbrechen verschaffen, den es bisher nicht hatte. In zusätzlichen Ausstellungsräumen sollen sich die ausländischen KZ-Gedenkstätten auf insgesamt 160 bis 200 Quadratmetern präsentieren können. Gezeigt werden sollen Leitobjekte aus den ehemaligen Lagern, historische und aktuelle Fotos und Texttafeln. Demnächst wolle er auf die Leiter der anderen KZ-Gedenkstätten zugehen, sagt Morsch. Maximal 200 000 Euro könnte das Projekt kosten.

Eröffnen will der Oranienburger Stiftungs- und Gedenkstättendirektor den europäischen Gedenkort möglichst im Frühjahr 2018. Dann beziehen einige Abteilungen des Finanzamts einen neben dem T-Gebäude entstehenden Neubau und könnten für die neue Ausstellung Platz machen. Dem Brandenburger Finanzministerium habe er die Pläne bereits vorgestellt und bislang Zustimmung erhalten. Dies wird aus Potsdam bestätigt. Der dafür notwendige Umzug von Beschäftigten werde geprüft, heißt es, man sei „optimistisch, eine gute Lösung zu finden“.

„Das T-Gebäude ist der wichtigste noch erhaltene authentische Ort der Schreibtischtäter“, sagt Morsch. Dafür stünden etwa in die Treppengeländer eingebrannte Hakenkreuze, in Sandstein gemeißelte Wappen der SS-Totenkopfverbände sowie der große Sitzungssaal, in dem Eicke und Glücks einmal monatlich sämtliche KZ-Kommandanten instruierten. Hier könne sich Deutschland der Erinnerung an die mörderische Bürokratie des KZ-Terrors stellen.

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