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Das Rembrandt-Gemälde Landschaft mit Bogenbrücke - mit einer weiblichen Hand, die auf das Bild weist.

© Annette Riedl/dpa

Kunsthistorische Forschung: Doch ein Rembrandt

Wie die Berliner Gemäldegalerie die „Landschaft mit Bogenbrücke“ als Werk des Meisters aus Amsterdam rehabilitierte.

Dreizehn Landschaftsgemälde von Rembrandt seien dokumentiert, berichtet Gary Schwartz, einer der besten Kenner des Gesamtwerks des Amsterdamer Meisters, in seinem „Rembrandt-Buch“, doch „existieren“ würden nur fünf. Die Zahlen mögen zur Zeit der Drucklegung 2006 gegolten haben, jedoch heute nicht mehr.

Nicht, dass plötzlich Rembrandt-Gemälde auf obskuren Dachböden entdeckt wurden. Nein, es sind die vorhandenen Gemälde, die Rätsel aufgeben, beinahe schon seit sie gemalt wurden und die Arbeiten von Rembrandts Hand seit jeher nicht eindeutig von jenen seiner Werkstatt zu scheiden sind.

Davon ist auch die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen Berlin betroffen. 1986 musste sie den bis dahin unbestrittenen Publikumslibling, den „Mann mit dem Goldhelm“, als Werkstattarbeit aussondern.

Dasselbe Schicksal traf 1989 die „Landschaft mit Bogenbrücke“, ein mit knapp 30 mal 40 Zentimetern kleinformatiges Werk, das Wilhelm von Bode, der legendäre „Museumsgeneral“ und Experte in Sachen Rembrandt, 1924 und also ganz gegen Ende seiner jahrzehntelangen Tätigkeit für die Berliner Museen erworben hatte. Das Bild konnte, den damals so armen Zeiten geschuldet, nicht etwa mit Geld vergütet werden, sondern nur im Tausch gegen andere Werke der Galerie.

Der fehlte eine Landschaft, um die Berliner Sammlung abzurunden. Und Rembrandt hatte nur wenige Landschaften innerhalb seines nach wechselnder Zählung mal 250, mal auch 637 Gemälde umfassenden Œuvres geschaffen.

1989 fiel das Bild durch die Prüfung des Rembrandt Research Projects

Die „wechselnde Zählung“ ist bei Rembrandt so wichtig wie bei keinem zweiten Künstler seines Ranges. Der 1606 in Leiden geborene und in Amsterdam 1669 gestorbene Rembrandt van Rijn war über mehr als vier Jahrzehnte hinweg ein ungemein fleißiger Künstler, wovon zudem mehr als 1000 erhaltene Zeichnungen und 300 Radierungen zeugen.

Doch gerade die Gemälde pflegte er nicht immer zu signieren. Der damaligen Zeit entsprechend, unterhielt er eine Werkstatt, die Aufträge abarbeitete und seine Kompositionen wiederholte. Gerade die besten Schüler konnten sich nahezu perfekt in Rembrandts Malweise hineinversetzen.

Von der Berliner Landschaft gibt es ein solches Doppel, die motivisch äußerst ähnliche „Steinbrücke“ im Amsterdamer Rijksmuseum. Dort stand die Autorschaft des Meisters nie in Zweifel. Auch nicht, als das vor über 50 Jahren ins Leben gerufene „Rembrandt Research Project“ (RRP) durch alle Museen zog, die eigenhändige Werke zu besitzen glaubten, und Bild für Bild aus dem Korpus der Rembrandt-Originale ausschied.

Das Landschaftsbild Rembrandts ist mit einem anderen Werk an einer Wand in einem Museumsraum zu sehen, im Bild auch eine Betrachterin.
Aktuell ist die "Landschaft mit Bogenbrücke" in der Sonderausstellung "David Hockney - Landschaften im Dialog" in der Gemäldegalerie zu sehen (bis 10. Juli 2022).

© Monika Skolimowska/dpa

[Lesen Sie auch unseren Bericht über die Hockney-Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie: Kronen von Yorkshire]

Das ist der Fall, wenn sich bei näherer und vor allem auch naturwissenschaftlicher Untersuchung gewichtige Argumente dagegen ergeben. So schrumpfte Rembrandts Œuvre bis auf einen Tiefpunkt von 250 vom RRP autorisierten Gemälden, deren Zahl durch Wiederzuschreibungen inzwischen wieder auf gut 350 gewachsen ist.

Die Argumente des RRP ließen auch das Berliner Bild in Zweifel geraten. So ist hier der Himmel viel ruhiger und kompakter als in Amsterdam, wo die farblich fein abgestufte Dramatik jene eigentümliche Stimmung erzeugt, die Rembrandts Bilder zugleich zeitlos ruhig wie spontan aufgewühlt erscheinen lässt. Dieser Unterschied schien auf den Rembrandt-Schüler Govert Flinck zu deuten, dem das Bild 1989 zugeordnet wurde.

Rembrandt hat die ursprüngliche Komposition deutlich verändert

Seit Jahren beschäftigt sich Restauratorin Claudia Laurenze-Landsberg mit dem Rembrandt-Bestand der Gemäldegalerie. Sie konnte unter Mitwirkung des Hahn-Meitner-Instituts erstmals die aufwendige Technik der Neutronen-Autoradiographie einsetzen, die bereits für die große Berliner Rembrandt-Jubiläumsausstellung von 2006 gewichtige Erkenntnisse lieferte.

Die Landschaft blieb seinerzeit unberücksichtigt, weil sie als Werkstattarbeit galt. Nun hat Niederlande-Kuratorin Katja Kleinert sie hervorgeholt und gemeinsam mit der Restauratorin den Aufbau des Gemäldes entschlüsselt.

Demnach hat Rembrandt die ursprüngliche Komposition ausweislich der Unterzeichnung deutlich verändert, und zwar so, wie er sie beim Amsterdamer Doppel quasi in einem Zug verwirklichte, das darum wohl als Variante anzusehen ist. Die dendrochronologische Untersuchung des Bildträgers Holz ergab, dass das Berliner Werk schon ab 1622 hätte gemalt sein können, das Amsterdamer hingegen nicht früher als 1638. Das ist das Jahr, unter dem das Rijksmuseum sein Gemälde führt und das wohl auch für das Berliner Bild anzunehmen ist.

Wenige Landschaften, aber die waren stilbildend

Da kommt dann wieder die altehrwürdige „Stilkritik“ ins Spiel. Schwartz urteilte 2006 zwar: „Die herkömmlichen Methoden der Kennerschaft sorgen für ein Fortbestehen der Uneinigkeit und Unsicherheit.“ Doch mittlerweile erlebt connoisseurship zumal im angelsächsischen Raum eine wahre Renaissance.

Man wird sich freilich endlos darüber austauschen können, ob die Strichführung nun Rembrandt oder gerade nicht Rembrandt ist; müßig im Grunde bei diesem Künstler, dem alle Mittel zu Gebote standen und der ein Œuvre von ungeheurer Vielfalt schuf.

Es ist erstaunlich, dass Rembrandt nur wenige Landschaften gemalt hat. Die jedoch wurden prägend für die holländische Malerei danach. Mit seiner Lichtführung lenkt er den Blick des Betrachters, ohne dass etwas Besonderes hervorgehoben würde. So bleibt beim Berliner wie beim Amsterdamer Bild die „Steinbrücke“ eher im Dunkel, während Baum und Bewuchs rechts von ihr dramatisch im Sonnenlicht aufleuchten, das von links unter die nach rechts abziehende Gewitterwolke dringt. Schwartz rühmt die Komposition als ein „Gemälde, das vor Lebendigkeit bebt“: Man kann es so ausdrücken und sich damit der sinnlichen Wirkung des Berliner Bildes nähern.

Mit diesem Meisterwerk ist der Berliner Rembrandt-Bestand wieder auf 20 Gemälde gewachsen, und man versteht um so mehr, warum Bode ein Leben lang hinter einer Landschaft von Rembrandt her war.

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