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Der haitianischen Rotbauch-Anolis (Anolis rupinae) fehlt es an geegnetem Waldlebensraum, die IUCN führt sie als "gefährdet".

© S. Blair Hedges, Center for Biodiversity at Temple University

Krokodil, Schildkröte und Co.: Jede fünfte Reptilienart ist bedroht

Jagd, Landwirtschaft, Verstädterung und Entwaldung: Eine globale Erhebung zeigt wie bedroht Reptilien sind und wie sie besser geschützt werden können.

Beim Stichwort Artensterben denken viele Menschen an Vögel und Säugetiere, oft auch an Wildbienen und andere Insekten. Reptilien finden sich dagegen zumindest in Mitteleuropa viel seltener auf der Agenda von Naturschutzorganisationen und Bürgerinitiativen.

Dabei werden viele Arten von Krokodilen, Schildkröten, Eidechsen und Schlangen auf den roten Listen gefährdeter Arten geführt. Das berichten Neil Cox von der Internationalen Naturschutz-Union IUCN in Washington und Bruce Young von der gemeinnützigen Naturschutz-Informatik-Organisation „NatureServe“ im US-amerikanischen Arlington gemeinsam mit einem 50-köpfigen Team jetzt in der Zeitschrift „Nature“: Von 10196 untersuchten Reptilien-Arten sind 1829 und damit 21,1 Prozent gefährdet.

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Geringere Bedrohung in trockenen Lebensräumen

In den vier Gruppen der Landwirbeltiere geht es den Reptilien damit ähnlich wie den Säugetieren mit 25,4 Prozent gefährdeten Arten. In einem solchen Ranking stehen die Amphibien mit 40,7 Prozent deutlich schlechter und die Vögel mit 13,6 Prozent ein wenig besser da. Die Maßnahmen und Projekte des Arten- und Naturschutzes konzentrieren sich bisher aber vor allem auf Säugetiere und Vögel, auch für Amphibien wurde einiges getan, weniger für Reptilien. Die Bemühungen, andere Tiere zu schützen, kommen aber recht häufig auch ihnen zugute, zeigt die Untersuchung.

Zwar übertrifft die Vielfalt der Reptilien besonders in trockenen Gebieten oft die der Säugetiere und Vögel und viele Schutzmaßnahmen konzentrieren sich auf feuchtere Regionen wie Wälder und Sümpfe. Aber auch in diesen Gebieten leben sehr viele Reptilienarten – und werden von den gleichen Entwicklungen bedroht wie Säugetiere, Vögel und Amphibien.

Um den Gefährdungsstatus des Sokotran-Chamäleons (Chamaeleo monachus) zu beurteilen, liegen zu wenige Daten vor, doch sein Lebensraum auf der jemenitischen Insel Sokotra ist begrenzt.
Um den Gefährdungsstatus des Sokotran-Chamäleons (Chamaeleo monachus) zu beurteilen, liegen zu wenige Daten vor, doch sein Lebensraum auf der jemenitischen Insel Sokotra ist begrenzt.

© Johannes Els

Entscheidender Faktor ist meist ein direkter Einfluss der Menschen, die zum Beispiel Wälder roden und Sümpfe trockenlegen, um dort ihre Äcker und Plantagen anzulegen oder Vieh weiden zu lassen. Weil sich viele Wald- und Sumpf-Arten nicht an die neuen Verhältnisse anpassen können, verschwinden sie.

Da Menschen seltener in Wüsten und Trockengebieten leben, ist der Druck auf die Artenvielfalt dort geringer. Das gilt nach den Zahlen der Studie von Cox und Young und ihrem Team auch für Reptilien, von denen 30 Prozent der im Wald lebenden Arten als gefährdet auf den Roten Listen stehen, während es in den menschenarmen Trockengebieten nur 14 Prozent sind.

Neben der Abholzung der Wälder und der Landwirtschaft leiden Landwirbeltiere vor allem unter der Ausbreitung menschlicher Siedlungen und dem Einschleppen fremder Arten, die einheimischen Tieren oder ihren Nachkommen nachstellen oder ihnen ihren Lebensraum wegnehmen. Auf diese Gefährdungen konzentrieren sich bereits die vorhandenen Schutzmaßnahmen für Säugetiere, Vögel und Amphibien, von denen oft auch die Reptilien profitieren.

Der Lebensraum der südafrikanischen Geometrischen Landschildkröte wird unter anderem durch Weinanbau zerstört.
Der Lebensraum der südafrikanischen Geometrischen Landschildkröte wird unter anderem durch Weinanbau zerstört.

© Uwe Fritz

Die verschiedenen Gruppen der Reptilien sind allerdings nicht gleichmäßig gefährdet: Besonders stark betroffen sind die Krokodile mit 57,9 Prozent und die Schildkröten mit 50 Prozent gefährdeter Arten. Die Vertreter dieser beiden Gruppen werden besonders groß – und vor allem Schildkröten, sowie in Afrika auch Krokodile werden daher wegen ihres Fleisches bejagt. „Je größer die Arten sind, umso lukrativer ist die Jagd und umso schneller verschwinden sie oft Arten“, erklärt Uwe Fritz vom Museum für Tierkunde der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden, der an der Nature-Studie nicht beteiligt war.

Giganten wie die Jangtse-Riesenweichschildkröte, die in den Flüssen Chinas und Vietnams leben und mehr als einen Meter lang werden und mehr als 200 Kilogramm wiegen können, sind daher besonders bedroht. Tatsächlich galt die Jangtse-Riesenweichschildkröte faktisch bereits als ausgestorben, weil seit 2019 nur noch ein Männchen in einem chinesischen Zoo lebt. „Dann aber wurde im Oktober 2020 im Dong-Mo-See Vietnams doch noch ein Exemplar dieser Art entdeckt, bei dem es sich noch dazu um ein Weibchen handelte“, berichtet Uwe Fritz. „Vielleicht hat die Art also doch noch eine kleine Überlebenschance.“

Klimawandel und Geschlechterverhältnisse

Zumindest, wenn der Klimawandel dem Artenschutz keinen Strich durch die Rechnung macht. Schließlich legen sehr viele Reptilien Eier, aus denen später der Nachwuchs schlüpft. Über das Geschlecht der Nachkommen entscheidet bei allen Krokodilen und vielen Schildkröten die Temperatur, bei der sich die Eier entwickeln. Bei hohen Temperaturen schlüpfen aus Krokodil-Eiern nur Männchen. Wenn es nur vier Grad kälter ist, entwickeln sich dagegen nur Weibchen.

Auch wenn bei Schildkröten der Einfluss der Temperatur auf das Geschlecht gerade umgekehrt ist, droht der Klimawandel also bei beiden Gruppen gleichermaßen, das Verhältnis der Geschlechter zu verändern und weitere Arten auf die Roten Listen zu bringen.

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