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Gucken kann sie, die Bordeaux-Dogge.

© picture alliance / dpa

Kommunikation zwischen Tier und Mensch: Bodybuilding für den Hundeblick

Des Menschen bester Freund manipuliert ständig per treudoofem Augenaufschlag. Dafür hat er sogar einen speziellen Muskel entwickelt.

Warum es ausgerechnet der Hund war, der zum wichtigsten tierischen Begleiter des Menschen wurde, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Seine Vorfahren waren die Feinde schlechthin. Mit ihm das oft nicht gerade im Übermaß verfügbare Protein teilen muss man auch. Und seine Hinterlassenschaften sind – aber das weiß ja in Berlin ohnehin jeder.

Der treue Freund ist der Mensch

Wissenschaftler glauben, dass ein wichtiger Grund, warum Hunde heute das sind, was sie sind, nicht ihre Treue zu uns ist, sondern unsere Treue zu ihnen. Es ist eine Fürsorglichkeit, für die sie offenbar in hochmanipulativer Art sorgen. Per Hundeblick. Eine Studie zeigt jetzt, dass sie sich dafür sogar einen fast komplett neuen Muskel angeschafft haben.

Dass der Augenkontakt entscheidend ist, zeigte eine Studie bereits 2013. Als wichtig erwies sich die Fähigkeit der Hunde, die „innere Augenbraue“ zu heben. Exemplare in Tierheimen, die dies oft und ausgeprägt taten, fanden sogar schneller wieder ein Zuhause.

Augen auf und durch

Die neue Studie – zum Teil von denselben Forschern – zeigt jetzt, dass der Hund diese Fähigkeit erst im Verlauf seiner Domestizierung entwickelt hat. Wissenschaftler um Juliane Kaminski von der University of Portsmouth in Großbritannien präsentieren ihre neuen Daten jetzt im Fachjournal „PNAS“.

Ohr schlapp, aber die Braue straff: Starke LAOM-Muskeln hat nur der Hund und nicht der Wolf. Die Abkürzung steht für "levator anguli oculi medialis". Auch RAOL-Muskeln ("retractor anguli oculi lateralis") kommen vor allem bei Hunden vor.
Ohr schlapp, aber die Braue straff: Starke LAOM-Muskeln hat nur der Hund und nicht der Wolf. Die Abkürzung steht für "levator anguli oculi medialis". Auch RAOL-Muskeln ("retractor anguli oculi lateralis") kommen vor allem bei Hunden vor.

© Tim Smith

Sie verglichen unter anderem die Gesichtsmuskulatur von vier Wölfen mit der von sechs Hunden. Es zeigte sich, dass diese sich fast nicht unterschied – außer im Bereich der Augen: Der Muskel, der die innere Augenbraue hebt, war bei den Hunden immer vorhanden. Bei den Wölfen fanden sich dort lediglich spärliche Muskelfasern und Bindegewebe. Ein anderer Muskel, der das Lid zur Seite wegziehen und damit auch mehr Auge sichtbar machen kann, fand sich zumindest bei fast allen Hunden. Bei Wölfen war er ebenfalls kaum entwickelt.

Brachten die Forscher einen Menschen mit Hunden oder Wölfen zusammen, ließen die Hunde ihren Augenmuskel spielen. Die Wölfe taten dies – und konnten es mangels Muskelmasse – kaum.

Mehr Hundeblick, mehr menschliche Zuwendung

Das Anheben der inneren Augenbraue lasse die Augen des Hundes größer erscheinen, schreiben die Wissenschaftler. Das Gesicht des Tieres wirke dadurch kindlicher, der Blick ähnele zudem dem eines traurigen Menschen. Das könnte bei Frau- oder Herrchen einen Betreuungsreflex auslösen. Zudem ermöglicht die hochgezogene Braue Augenkontakt von maximal weit unten – eine Aggression abbauende Unterwürfigkeitsgeste.

Der Wolf blickt eher nicht so süß. Das hat Gründe.
Der Wolf blickt eher nicht so süß. Das hat Gründe.

© picture alliance/dpa

Die Forscher nehmen an, dass Menschen Hunde bevorzugt haben, sich um diese mehr kümmerten und letztlich häufiger weiterzüchteten, die besser die Braue nach oben ziehen konnten als andere. Es ist gut möglich, dass die Menschen dies komplett unbewusst taten.

Bei Körperform und Knochenstruktur von Hunden ist bereits viel zuchtbedingter Wandel nachgewiesen worden. Doch eine solch massive Veränderung in den Weichteilen – in diesem Falle einem Muskel – beurteilen die Forscher als bemerkenswert. Die etwa 33.000 Jahre, die seit Beginn der Domestizierung vergangen sind, seien dafür eine eher kurze Zeitspanne. Auch generell ist es eher selten, dass solche Weichteilveränderungen, die sich in der Evolution ergeben, überhaupt gefunden werden. Denn meist sind Forscher auf Fossilien angewiesen. In denen erhalten sich solche Merkmale fast nie.

Braver Mensch

Die Befunde könnten die von dem Wissenschaftsautor Michael Pollan vor etwa zehn Jahren angestoßene Debatte neu befeuern, wer in der Züchtung eigentlich wen manipuliert. In der klassischen Sicht wählt der Mensch bewusst Merkmale aus und züchtet sie weiter.

Tatsächlich könne man den gleichen Vorgang aber auch als Manipulation des Menschen durch Nutztiere und -pflanzen interpretieren. Diese brächten ihn dazu, sie mit Nahrung, Schutz und Fortpflanzungsmöglichkeiten zu versorgen. Das geht laut Pollan so weit, dass etwa Gräser es geschafft hätten, sich mit menschlicher Hilfe weltweit auszubreiten. Heute sind manche Gräser tatsächlich allgegenwärtig – als Getreide, aber auch als Rasen. Und der Mensch hält im Schweiße seines Angesichts per Rasenmäher Gehölze in Schach – die wichtigsten Konkurrenten der Gräser.

Der Hundeblick passt in dieses Konzept. Er manipuliert das menschliche Hormonsystem in einer dem Hund und der Weitergabe seiner Gene nutzenden Weise. Vor ein paar Jahren wiesen Forscher der Azabu-Universität in Japan jedenfalls nach, dass der Blickkontakt die Werte des Bindungshormons Oxytocin – gern als Kuschelhormon bezeichnet – in die Höhe schießen lässt. So werden wir zum braven Menschen.

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