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Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Kolumne "Wiarda will’s wissen": Stark-Watzinger wird um Geld kämpfen müssen

Irgendwo muss es herkommen. Unser Kolumnist kann nicht recht glauben, dass die Zusatzausgaben für Rüstung nicht auch zu Lasten von Bildung und Forschung gehen.

100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr, und 65 Prozent der Deutschen sagen: Richtig so. Sogar 68 Prozent begrüßen laut „ARD-Deutschlandtrend“ die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern. Was, Stand 2022, 24 Milliarden pro Jahr mehr bedeutet. Jedes Jahr.

Um die Dimensionen dieser politischen Zeitenwende zu verdeutlichen: Der Haushaltansatz für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) betrug im vergangenen Jahr 20,8 Milliarden Euro. Und das war ein Allzeit-Rekord, hochgetrieben durch Corona-Sonderprogramme.

Offizielle Zusicherungen

Regierungssprecher Steffen Hebestreit versicherte zwar, dass die Bundesregierung alle ihre Projekte in allen Politikbereichen dieses Jahr unverändert fortführen werde. Seine Argumentation, dass die Haushalte der anderen Ministerien unbehelligt blieben, weil die 100 Milliarden als „Sondervermögen“ an die Bundeswehr fließen sollen, gilt freilich nur kurzfristig. Abgesehen davon, dass auch diese 100 Milliarden die Bundesschuld und damit den allgemeinen Spardruck erhöhen, sind sie irgendwann aufgebraucht.

Die mindestens 24 Milliarden Extra-Verteidigungsausgaben pro Jahr, Tendenz steigend, gehen danach jedoch weiter. Während ab sofort weitere bislang nicht eingeplante Milliardensummen auf den schon Corona-gebeutelten Bundeshaushalt drücken: für die Aufnahme Geflüchteter und humanitäre Hilfen für die Ukraine, für die soziale Abfederung steigender Energiepreise und den eiligen Ersatz russischer Gaslieferungen.

(Aktuelle Karte der von Präsident Putin befohlenen Invasion in der Ukraine.)

Finanziert werden müssen sie mit Steuereinnahmen, die durch den wahrscheinlichen Konjunktureinbruch wegen der Russlandkrise niedriger ausfallen dürften als erhofft. Und trotz allem will FDP-Finanzminister Christian Lindner schon von 2023 an wieder die Schuldenbremse im Grundgesetz einhalten.

Plausible Zweifel

Das funktioniert nur, wenn alle Ministerien massiv sparen. Den Verteilungskampf, den das auslösen wird angesichts der vielen im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltenen Prestigeprojekte und Zukunftsinvestitionen, vermag man sich kaum vorzustellen. Dass Bildung und Forschung dabei besonders gut wegkommen, ist bestenfalls eine Hoffnung.

Auf Twitter machte bereits ein Bericht die Runde, angeblich verschiebe das Forschungsministerium wegen der 100 Bundeswehr-Milliarden die Finanzierung von Drittmittelprojekten, so dass wissenschaftliche Mitarbeiter aufs Arbeitsamt müssten. „Rüsten wir etwa mit Geld aus der Bildung auf?“, fragte eine Wissenschaftlerin. „Unsinn“, kommentierte der parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg. Die 100 Milliarden Sondervermögen hätten mit aktuellen BMBF-Förderentscheidungen nichts zu tun.

Was mit hoher Wahrscheinlichkeit so ist. Doch zeigt die Episode, dass die Nervosität steigt. Auch an den Hochschulen, die die Ampel doch so viel besserstellen wollte. Wie Bildung und Forschung insgesamt: Die diesbezüglichen Kapitel im Vertrag der selbsternannten „Fortschrittskoalition“ zählten zu den ambitoniertesten überhaupt: 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung. Mehr Geld für Kitas, Schulen und Hochschulen.

(Lesen sie hier unseren Live-Blog zur aktuellen Situation im Ukraine-Konflikt.)

Ein Digitalpakt 2.0. Ein Neuanfang beim BAföG. Ein Aufstocken der Exzellenzstrategie. Eine neue Förderagentur für Transfer und Innovation. Bessere Karrierebedingungen in der Wissenschaft. Und und und.

Entsprechend viel Vorschuss-Lorbeeren heimsten SPD, Grüne und FDP bei den führenden Repräsentanten der Bildungs- und Forschungsszene ein. Wenige bemängelten, dass die schöne Stoffsammlung eine große Schwächte hatte: Sie priorisierte nicht. Sie machte nicht einmal transparent, wie viel Geld dafür nötig wäre. Und genau das wird jetzt zur wichtigsten Aufgabe von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) werden. Sie muss um möglichst viel Geld für ihr Ressort kämpfen.

Notwendige Priorisierungen

Sie muss aber auch sagen, welche Versprechen des Koalitionsvertrags die wichtigsten sind, die auf jeden Fall kommen werden. Was sie kosten und wie sie sie finanzieren will. Am schlimmsten wäre, wenn alle hochfliegenden Pläne kämen und alle unterfinanziert wären.

Je knapper das Geld, desto stärker wächst daraus zugleich die Notwendigkeit, im Gegenzug für Neues anderswo im BMBF-Budget Programme und Förderlinien zu streichen. Eigentlich etwas, das strategisch agierende Ressortchefs immer tun sollten, was aber in normalen Zeiten selten passiert, weil es so unpopulär ist.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Entsprechend verkrustet sind die Förderstrukturen im BMBF an vielen Stellen. Christian Lindner hat derweil die Kabinetts-Vorlage des Bundeshaushalts um eine Woche auf den 16. März verschoben. Der Blick sollte dann weniger auf das Jahr 2022 gehen, sondern auf den mittelfristige Finanzplan bis 2025. Dann zeigt sich, wie viel von der selbsterklärten Fortschrittskoalition noch übrig ist.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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