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Gefährlich. Ein Patient aus Griechenland trug den multiresistenten Keim KPC ins Uniklinikum Leipzig - und führte zu einem Ausbruch, der zwei Jahre dauerte.

© dpa

Kolumne "Was Wissen schafft": Wenn nichts mehr hilft

Um sich mit einem multiresistenten Keim zu infizieren, muss man nicht im Krankenhaus liegen. Die Erreger verbreiten sich auch in normalen Haushalten.

Die junge Frau war einen Monat in Indien unterwegs, zu Besuch bei ihrer Familie und als Rucksacktouristin. Zurück in Europa bekam sie Bauchschmerzen und Durchfall. Nichts Schlimmes, dachte sie. Kein Grund, zum Arzt zu gehen. Sie nahm keine Antibiotika, auch nicht wegen anderer Infektionen. Als sie für eine Studie von Pariser Tropenmedizinern Stuhlproben abgab, fanden die Forscher darin trotzdem Darmkeime, gegen die nur ein sehr altes Antibiotikum wirkt, das schwere Nebenwirkungen verursacht. Sie ist kein Einzelfall: Die Tropenmediziner haben fast 60 gesunde Indientouristen getestet. Drei brachten derart multiresistente Keime in ihrem Körper nach Europa, berichten die Forscher im Fachblatt „Eurosurveillance“.

Die Studie ist aus zwei Gründen beunruhigend. Zum einen können sich Touristen offenbar kaum dagegen schützen, von solchen Keimen besiedelt zu werden – selbst wenn sie zum Beispiel auf einer Reise durch Südostasien oder Griechenland gesund bleiben. Die drei Indientouristen haben die Keime im Alltag aufgesammelt, vermutlich über das Trinkwasser. Würden diese Erreger bei ihnen eine Blasenentzündung verursachen, wäre diese kaum zu behandeln. Zum anderen sind Reiserückkehrer wochenlang eine potenzielle Gefahr für ihre Mitmenschen. Insbesondere dann, wenn sie ins Krankenhaus müssen.

Was in einem solchen Fall passieren kann, zeigte sich von Juli 2010 bis Juli 2012 am Uniklinikum Leipzig. Ein einziger Patient aus Griechenland löste dort einen Ausbruch aus. Weil Ärzte und Pfleger nicht vorsichtig genug waren, trugen sie multiresistente Klebsiellen (KPC) zwei Jahre lang von Patient zu Patient. 92 Schwerkranke waren betroffen, 39 von ihnen starben. Dass ein solcher Ausbruch ein Albtraum ist, erst recht über einen so langen Zeitraum, ist unbestritten. Doch statt nur nach Schuldigen zu suchen, sollte man daraus lernen.

Manche Keime sind extrem hartnäckig

Nicht jeder „Krankenhauskeim“ entsteht im Krankenhaus. Dort bietet sich den Erregern nur die Gelegenheit, besonders viel Schaden anzurichten. Außerdem sind manche Keime extrem hartnäckig. Selbst in Lagerungskissen, die in Leipzig nach gründlicher Desinfektion drei Monate in Plastiktüten verstaut waren, war KPC noch nachweisbar. Standardhygiene reicht also nicht.

Dass sich resistente Keime nicht nur über Krankenhäuser, sondern auch über normale Großstadthaushalte verbreiten, zeigten amerikanische Wissenschaftler nun am Beispiel MRSA. Die Abkürzung steht für die Bakterienart Staphylococcus aureus, die gegen Methicillin resistent ist – ein „Krankenhauskeim“, der vergleichsweise gut beherrschbar ist.

Eine Gruppe um Anne-Catrin Uhlemann vom Columbia University Medical Center analysierte das komplette Erbgut von 387 MRSA-Proben, die zwischen 2009 und 2011 in ihrer Nachbarschaft in Nordmanhattan und der Bronx gesammelt wurden, und glich die Daten mit Befragungen der 161 Menschen ab, auf deren Haut die Keime lebten. Die Forscher interessierte, wie sich der Stamm „USA300“ in New York durchsetzen konnte. Gegen ihn helfen auch Fluorchinolone wie das Antibiotikum Ciprofloxacin nicht mehr.

Die Resistenzen sind ein weltweites Problem

Die Variante des Keims wurde nicht mit einem Schlag in der Stadt heimisch, berichten sie im Fachblatt „PNAS“. Er wurde mehrfach von Kalifornien und Texas aus nach New York importiert. Zuerst verbreitete er sich wahrscheinlich über Krankenhäuser, Arztpraxen, Fitnesscenter und andere öffentliche Orte. Dann setzte er sich in den Haushalten fest. Sie sind nun ein Reservoir, wo sich Angehörige einer Familie und Freunde immer wieder anstecken oder neue Keimvarianten mitbringen.

Entstanden ist USA300 in den 1990er Jahren – zu einer Zeit, als besonders viele Ärzte Medikamente wie Ciprofloxacin gegen bakterielle Infektionen verschrieben. Diese Mittel werden unter anderem über die Haut ausgeschieden. Dort verdrängen resistente Keime bald nützliche Hautbakterien. Bei jedem Körperkontakt gibt man diese weiter.

Resistenzen gegen Antibiotika sind ein weltweites Problem. Das wird auch der Bericht zeigen, den die Weltgesundheitsorganisation WHO an diesem Mittwoch veröffentlicht. Trotzdem kann der Einzelne etwas tun: Desinfektionsmittel haben im Haushalt nichts zu suchen, sie fördern die Entwicklung resistenter Keime. Und Antibiotika sollte man nur schlucken, wenn es unbedingt nötig ist.

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