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Klinikum Steglitz: Maulkorb für Charité-Professoren

Der Vorstand der Berliner Charité weist kritische Forscher des Benjamin-Franklin-Klinikums zurecht – FU-Präsident Lenzen besteht unterdessen auf einem eigenem Klinikum für seine Universität.

Der Charité-Vorstand setzt Direktoren des Steglitzer Klinikums unter Druck, die eine Herauslösung aus der Charité unterstützen. Die Psychiaterin Isabella Heuser berichtete am Dienstag, die Steglitzer Klinikdirektoren seien zu einem Gespräch mit der Charité-Leitung nach Mitte zitiert worden. Dabei seien sie „ausführlich von einem Mitglied des Justiziariats belehrt worden“, wie sie sich gegenüber dem Vorstand verhalten sollen, sagte Heuser. Die Klinikdirektoren seien erinnert worden, dass es für sie „ein Mäßigungsgebot, ein Loyalitätsgebot, ein Verschwiegenheitsgebot und ein Unterstützungsgebot“ gegenüber dem Vorstand gebe.

Das Protokoll der Sitzung, das dem Tagesspiegel vorliegt, bestätigt, dass der Charité-Vorstand einen Maulkorb gegen die Professoren verhängt hat. Christof Schmitt, der Leiter der Rechtsabteilung, stellte demnach klar, dass allein „der Vorstand die Charité nach innen und außen vertritt“. Die Publikation von Fachthemen stehe den Mitgliedern der Charité frei. „Bei allen anderen Themen ist die Kommunikation nach außen ausschließlich über den Geschäftsbereich Unternehmenskommunikation zu führen, wenn davon durch den Vorstand keine Ausnahmen zugelassen werden“, führte Schmitt aus. Er erinnerte die Professoren auch daran, dass die Charité „Dienstherr der Professoren ist und nicht eine der Universitäten“. An dem Treffen nahmen 19 Charité-Mitglieder teil, darunter Dekanin Annette Grüters-Kieslich und Ulrich Frei, der ärztliche Direktor.

In einem Brief, aus dem der Tagesspiegel zitierte, hatten zehn Steglitzer Professoren die Pläne von FU-Präsident Dieter Lenzen unterstützt, das Benjamin-Franklin-Klinikum aus der Charité herauszulösen. Auch in einer öffentlichen Sitzung des FU-Kuratoriums hatten Professoren massive Vorwürfe gegen den Charité- Vorstand geäußert. Der Standort Steglitz werde „systematisch kaputt gemacht“, hieß es.

Der Vorstoß Lenzens kommt vor dem Hintergrund anstehender Strukturplanungen. Der Berliner Senat hatte unlängst die Charité aufgefordert, gemeinsam mit dem landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes ein Zukunftskonzept für Berlin vorzulegen.

In der Krisensitzung am Montag sagte der ärztliche Direktor Ulrich Frei laut Protokoll, „die Kommunikation von einigen wenigen Professoren“ werde „in Stil und Inhalt vom Vorstand so nicht akzeptiert“. Er sei über die „irreführende öffentliche Darstellung der FU“ befremdet. Es bestehe „Konsens“, dass der Campus Benjamin Franklin „ein idealer Standort für akademische Spitzenmedizin und Forschung“ sei. Frei stellt die Kompetenz der Beratungsfirma Petri Consulting infrage, die mit der FU das Konzept für eine Herauslösung des Franklin-Klinikums verfasst hat. Die Firma habe den Sanierungsbedarf für das Charité-Bettenhochhaus in Mitte berechnet und sich völlig verschätzt. Der Bau koste doppelt so viel wie von der Firma angegeben.

In der Sitzung wurden auch Konflikte unter den Franklin-Professoren deutlich. Der Kieferchirurg Bodo Hoffmeister sagte laut Protokoll, er fühle sich durch die Pressearbeit seiner Kollegen am UKBF „massiv diskreditiert“. Auch der Neurologe Heinrich Audebert äußerte sein „Befremden über einige seiner Kollegen, die ihn nicht in ihre Pläne einbezogen“ hätten. Rudolf Tauber, Professor für klinische Biochemie und ehemaliger Vizepräsident der FU, sagte, er sehe „die große Gefahr“, dass die Hochschulmedizin durch die öffentliche Diskussion deutlich geschwächt werde.

Trotz des Maulkorberlasses warben vier Klinikdirektoren – neben Heuser Andrej Kielbassa, Michael Foerster und Walter Zidek – am Dienstag bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit FU-Präsident Lenzen dafür, das Steglitzer Klinikum aus der Charité herauszulösen. Heuser bekräftigte, sie unterstütze weiterhin Lenzens Pläne. Lenzen sagte, demnächst wolle er die Pläne auch Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher und eventuell Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner vorstellen. Am 9. September will die FU ihre Pläne mit dem Vorstand der Charité erörtern.

Gerade mit Blick auf die nächste Runde der Exzellenzinitiative sei es „enorm wichtig“, dass Steglitz konkurrenzfähig bleibe, sagte Lenzen. Die FU wolle dann mit einem Schwerpunkt in den Natur- und Lebenswissenschaften antreten. Wie die FU die Eigenständigkeit von Steglitz finanzieren will, ließ Lenzen auch auf Nachfrage offen. Ein Privatinvestor wird von Lenzen inzwischen als „zweitbeste Lösung“ angesehen. Lieber würde er das Klinikum durch das Land finanzieren lassen. Wie viel vom Zuschuss der Charité die FU dann beanspruchen würde, sagte Lenzen nicht. Den Sanierungsbedarf, den Lenzen auf 200 Millionen Euro schätzt, solle das Land möglichst schnell aufbringen.

In der Lehre schweben der FU mehrere Modelle vor. Sie könnte weiterhin mit Mitte kooperieren, wo die Vorklinik der Charité zentral angesiedelt ist. Als Alternative könnten auch die FU-Naturwissenschaftler in Dahlem den vorklinischen Teil übernehmen. Eine eigenständige FU-Medizin solle auf „keinen Fall die Hälfte“ der 600 Charité-Studienplätze anbieten, sondern weniger.

Die SPD lehnte die Pläne Lenzens erneut ab. Wer für die wissenschaftliche Zukunft der Stadt verantwortlich sei, könne nur dagegen sein, die Charité zu zerschlagen, sagte Lars Oberg, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus. Gleichzeitig müsse die Wissenschaftspolitik abwägen zwischen dem Investitionsbedarf in Mitte und in Steglitz sowie den knappen Mitteln des Landes. „Da muss man auch Strukturentscheidungen treffen, die nicht jedem Chefarzt gefallen können“, sagte Oberg.

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