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Das norwegische Forschungsschiff „Helmer Hanssen“ misst das vor Spitzbergen aufsteigenden Methangas.

© Randall Hyman

Klimawandel: Methan aus dem Meeresgrund heizt das Klima doch nicht auf

Forscher entdecken vor Spitzbergen einen Mechanismus, der dem Treibhauseffekt entgegenwirkt.

Schon in den 1990er Jahren hatten Forscher gewarnt, der Klimawandel könnte große Mengen des Methans freisetzen, das in den Meeresböden lagert. Einmal in der Luft heizt dieses Gas das Klima viel stärker als Kohlendioxid auf. Das Methan aus dem Meer könnte also der von uns Menschen ausgelösten Klimaerwärmung einen kräftigen Zusatzschub aus der Natur geben. Jetzt messen Forscher aus den USA, Norwegen und Deutschland im Nordpolarmeer vor der Küste Spitzbergens sogar mehr als die zehnfache Menge an Methan als andernorts. Verblüffenderweise muss das aber nicht als besondere Gefahr für das Klima gewertet werden. Denn die Forscher haben auch festgestellt, dass vor Spitzbergen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Luft verschwinden, was den drohenden Klimaschub durch das frei werdende Methan weit mehr als ausbremsen dürfte, berichten die Forscher im Fachblatt „PNAS“.

Methan löst sich im Wasser

Irgendwo zwischen dem Grund des Nordpolarmeers und der Wasseroberfläche scheint also eine Art „Umkehrschub“ ausgelöst worden zu sein. Aber wo genau? Und vor allem wie? „Wir waren auf das Gebiet durch eine Beobachtung britischer Kollegen aufmerksam geworden“, erinnert sich Jens Greinert vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Tatsächlich perlen dort immer wieder Gasbläschen aus dem 90 bis 100 Meter unter den Wellen liegenden Meeresgrund, die fast nur aus Methan bestehen. Wie an einer Perlenschnur steigen diese Bläschen nach oben und bilden so einen glitzernden Vorhang.

An der Wasseroberfläche angekommen, enthalten diese Bläschen allerdings nur noch sehr wenig Methan: Das Meerwasser enthält ähnlich wie die Luft reichlich Stickstoff und Sauerstoff sowie etliche weitere Gase in erheblich geringerer Konzentration. Die Gasbläschen dagegen bestehen überwiegend aus Methan. Auf dem langen Weg vom Meeresboden gleichen sich diese Unterschiede aus. Das Methan löst sich im Meerwasser und verteilt sich dort, während Stickstoff und Sauerstoff in das Innere der Bläschen wandern. Erreicht der glitzernde Vorhang die Oberfläche, hat sich das allermeiste Methan dann schon im Wasser verflüchtigt, wo es das Klima weniger direkt beeinflusst.

Mit dem Methan gelangen Nährstoffe nach oben

Mit einer Analyse der Kohlenstoffisotope klärte die Forschergruppe auch die Herkunft des Methans: „Im Meeresgrund zersetzen Mikroorganismen Reste von Lebewesen und produzieren dabei Methan“, beschreibt Greinert diese Vorgänge. Das Gas sammelt sich im Untergrund und blubbert unter Umständen in Form von Bläschen ins Meerwasser.

Es gibt aber noch einen anderen Prozess, der das Gas vom Boden nach oben transportiert. Treiben an der Oberfläche Winde und Meeresströmungen die oberste, relativ warme Wasserschicht weg, wird das methanreiche Wasser aus der Tiefe nach oben gesogen.  Deshalb messen Greinert und seine Kollegen von Bord des norwegischen Forschungsschiffes „Helmer Hanssen“ unter solchen Wetterbedingungen direkt über der Wasseroberfläche mehr als die zehnfache Methankonzentration als in anderen Regionen, in denen kein Wasser aus der Tiefe aufsteigt. „Das Methan erreicht also nicht mit den Gasbläschen, sondern mit dem aufquellenden Bodenwasser die Meeresoberfläche“, sagt Greinert.

Ist das Methan erst einmal in der Luft, trägt es zum Treibhauseffekt und Klimawandel bei, stärker noch als Kohlendioxid. Allerdings registrierten die Messgeräte an Bord der Helmer Hanssen auch einen gegenläufigen Effekt, der die Wirkung des vor Spitzbergen aufsteigenden Methans abschwächt: Die obersten Meeresschichten nehmen in den Gebieten mit aufquellendem Wasser doppelt so viel Kohlendioxid aus der Luft auf wie in angrenzenden Regionen, in denen kein Wasser aufsteigt.

Algenwachstum kompensiert den negativen Effekt des Methans

Was die Ursache dafür sein könnte, zeigt ein Blick in andere Weltgegenden wie die Pazifikküste im Norden Chiles und vor Peru. Auch dort schieben Winde und Strömungen die oberste Schicht des Pazifiks weg und lassen kaltes Wasser aus der Tiefe aufsteigen. Dabei transportiert die kalte Strömung reichlich Nährstoffe vom Meeresgrund nach oben. Dieses Angebot kurbelt an der Oberfläche das Wachstum von Algen an, die dabei jede Menge Kohlendioxid aus den obersten Wasserschichten holen, das später aus der Luft wieder ersetzt wird. Von diesem Grünzeug ernähren sich etliche größere Organismen und machen so den Meeresstreifen vor den Küsten des nördlichen Chile und Peru zu einem der reichsten Fischgründe der Welt. Sterben diese Organismen, sinken sie zum Meeresgrund ab und nehmen das aufgenommene Kohlendioxid mit in die Tiefe.

Ähnliches passiert auch vor der Küste Spitzbergens, zeigen weitere Analysen der Forscher. Das aufgenommene Kohlendioxid bremst die Klimaerwärmung nach den Kalkulationen der Forscher deutlich stärker, als sie durch das vom Grund aufsteigende Methan angefacht wird. Da nach weiteren Messungen von tieferen Quellen praktisch kein Methan an die Wasseroberfläche gelangt, scheint die Gefahr für das Klima durch solche Gasaustritte aus dem Meeresgrund bisher überschätzt worden zu sein. „Die Verhältnisse sind im Meer eben nicht immer geradlinig, sondern oft auch recht kompliziert“, sagt Greinert. Und das ist in diesem Fall eine gute Nachricht.

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