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Der Ausbau einer erneuerbaren Energieversorgung ist für den Klimaschutz entscheidend. In Deutschland bedeutet das auch neue Windräder.

© dpa

Klimaschutzziel rechnerisch erreichbar: Einhaltung aller Klima-Zusagen könnte Erwärmung unter zwei Grad halten

Wenn sich alle Regierungen an ihre Zusagen zum Klimaschutz hielten, wäre das Zwei-Grad-Ziel der UN erreichbar. Erkennbar ist das jedoch noch nicht.

Mit ihren bisherigen Zusagen zum Klimaschutz könnte die Staatengemeinschaft mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit knapp unter der Zwei-Grad-Marke der globalen Erwärmung bleiben – wenn sie denn eingehalten würden. Das schreibt eine internationale Forschergruppe auf Basis von Berechnungen im Fachblatt „Nature“.

Alle zugesagten Einsparungen von Treibhausgasemissionen müssten sowohl vom Umfang her als auch zeitlich wie vorgesehen umgesetzt werden. Doch unter Fachleuten gibt es daran allerdings erhebliche Zweifel.

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Ein ehrgeizigeres Ziel würde verfehlt

Das Team um Malte Meinshausen von der australischen University of Melbourne bezog in seine Analysen alle Ziele und Zusagen von Staaten mit ein, die im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 gemacht wurden. Die Forscherinnen und Forscher rechneten durch, welche Auswirkungen die angekündigte Verringerung der Treibhausgase auf die weltweite Durchschnittstemperatur haben werden. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 48 bis 58 Prozent die vorliegenden Reduzierungszusagen ausreichen werden, um eine Erwärmung von mehr als zwei Grad Celsius zu vermeiden.

Die Spanne bei der Prozentangabe zeigt die Unsicherheiten der Berechnung auf. So sind manche Zusagen von Staaten vage gehalten oder beinhalten selbst einen Wertebereich statt einer Zahl. Zu einigen Wirtschaftssektoren ist die Datenbasis womöglich nicht robust genug und die Möglichkeiten der einzelnen Staaten, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, sind sehr unterschiedlich. Auch die Landnutzung und deren Änderung, etwa die Abholzung von Regenwäldern, sind schwer zu kalkulieren.

Im 2015 verabschiedeten Klima-Abkommen von Paris ist das Ziel genannt, die globale Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter nicht nur knapp, sondern „deutlich“ unter zwei Grad Celsius zu halten. Zudem seien die Vertragsstaaten entschlossen, ihre Bemühungen zu verstärken, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, hieß es damals. Doch die 2015 gemachten Zusagen der Vertragsstaaten zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen reichten bei Weitem nicht aus, um auch nur das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. In den folgenden Jahren und schließlich bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 haben viele Staaten die Einsparziele erhöht.

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Recht deutlich ist laut der neuen Studie, dass die Chance, das 1,5-Grad-Ziel mit den aktuellen Zusagen zu erreichen, sehr gering ist. Die Forscher sprechen von einer Wahrscheinlichkeit zwischen sechs und zehn Prozent, falls die globalen Emissionen in dieser Dekade nicht deutlich reduziert werden.

Verpflichtungen für die fernere Zukunft

Die Projektion, dass die Erderwärmung knapp unter zwei Grad gehalten werden kann, gilt den Forschern zufolge auch nur dann, wenn nicht nur die unbedingten Zusagen, sondern auch diejenigen, die noch an Bedingungen geknüpft sind, voll erfüllt werden. Die Wissenschaftler um Meinshausen plädieren deshalb für zusätzliche politische Anstrengungen, den Treibhausgasausstoß weiter zu verringern und warnen im Hinblick auf das Zwei-Grad-Ziel: „Jede Verzögerung beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und bei der Entwicklung nachhaltiger, zusätzlicher und dauerhafter Optionen für negative Emissionen wird dieses Ziel unerreichbar machen.“

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Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit denen einer Analyse des „Climate Action Tracker“ (CAT), die im September 2021 in „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde. Wie die Initiative des Berliner Forschungsinstituts „Climate Analytics“ mitteilte, unterscheiden sich die Analysen jedoch. In der neuen Nature-Veröffentlichung würde nicht geprüft, ob die Regierungen Anstrengungen unternehmen, um ihre langfristigen Ziele umzusetzen, und ob diese glaubwürdig sind. Laut des CAT wird die derzeitige Politik der Regierungen zu einer Erwärmung um 2,7 Grad Celsius führen.

Es fehlt demnach an Maßnahmen, die bis 2030 ergriffen werden. Das besagt auch der kürzlich veröffentlichte Bericht des Weltklimarats IPCC: Die Emissionskurve weise weiterhin nach oben und die Trendwende müsse vor dem Jahr 2025 erreicht werden.

Neue Entwicklungen gefährden die globale Zusammenarbeit

Gegenwärtig verpflichten sich die Regierungen lediglich, die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 zu stabilisieren. Das würde laut CAT bedeuten, dass im Jahr 2030 weltweit doppelt so viele Treibhausgase ausgestoßen würden, wie mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel wäre.

In einem Kommentar, ebenfalls in „Nature“, mahnen Zeke Hausfather von der Non-Profit-Organisation Berkeley Earth in Berkeley und Frances Moore von der University of California in Davis (beide in Kalifornien, USA), dass Zusagen nicht ausreichen: „Obwohl die ehrgeizigen langfristigen Netto-Null-Versprechen der letzten Jahre sicherlich eine gute Nachricht sind, bleiben Zweifel, ob die Regierungen auf dem richtigen Weg sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen.“

Zudem zeigten die aktuellen Ereignisse, dass eine Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, die von einem wiedererstarkenden Nationalismus geprägt ist, der die globale Zusammenarbeit belastet und zu einem entsprechenden Anstieg der Emissionen führt. (mit dpa)

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