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Ein Dozent steht in einem vollbesetzten Hörsaal vor Studierenden.

© Jan-Philipp Strobel/dpa

Karrierewege in Forschung und Lehre: Kanzler, schaut nach vorn!

Moderne Personalpolitik, Tenure Track? Fehlanzeige. Die Bayreuther Erklärung der Personalchefs der Unis ist aus der Zeit gefallen, meinen unsere Gastautoren.

Viele in der scientific community reagieren empört auf die "Bayreuther Erklärung" der Uni-Kanzler. Darin behaupten sie unter anderem, eine Entfristungswelle beim wissenschaftlichen Nachwuchs würde dessen „kontinuierliche Förderung“ lahmlegen. Mit einer Gegenposition melden sich jetzt Cornelius Richter, Leiter Recht und Personal am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, und Georg Weizsäcker, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Uni, zu Wort. Richter ist auch stellvertretender Sprecher des Arbeitskreises Recht und Personal der Leibniz-Gemeinschaft und Weizsäcker einer der Gründer der Berlin School of Economics.

Sie kommt daher wie ein Schriftwerk aus längst vergangenen Zeiten: die Bayreuther Erklärung der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands (hier im Wortlaut). Als oberste Verwalter und Personalverantwortliche der deutschen Universitäten pochen die Kanzler auf ihr Recht zur befristeten Beschäftigung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Sie erwecken dabei den Eindruck, als seien die wissenschaftspolitischen Diskussionen der letzten Jahre an ihnen vorbeigegangen. Mit mehr Dauerverträgen könnten die Unis ihrer Aufgabe als „Qualifizierungssystem“ nicht nachkommen, lautet die in gut verinnerlichtem Beamtendeutsch verfasste Behauptung.

Aber zunächst ein Lob: Die Erklärung betont erfreulich klar, dass Befristung und Qualifikation im Mittelbau zusammengehören. Befristungen sollen möglichst an Zielen wie der Promotion oder der Berufbarkeit auf eine Professur ausgerichtet sein. Dies ist politisch wichtig, da es daneben ja auch die sogenannte Projektbefristung gibt, die sich an der Verfügbarkeit von Drittmitteln orientiert. Die Kanzler positionieren sich hier also in ihrer Rolle als Personalverantwortliche grundsätzlich sehr klar für das Primat der Qualifikationsbefristung. Dies darf an den Lehrstühlen und Instituten Deutschlands – übrigens auch bei den außeruniversitären Einrichtungen – gern laut nachhallen.

Dennoch: Die Bayreuther Erklärung lässt jeden Bezug zu modernen Vorstellungen von Personalentwicklung und Karriereperspektiven vermissen. Bund, Länder und viele Wissenschaftseinrichtungen haben den Fokus längst auf frühzeitig planbare und transparente Karrierewege gerichtet, nicht zuletzt um die besten Köpfe für die Wissenschaft zu gewinnen und zu halten. Warum nicht auch die Kanzler? Aufschlussreich etwa ist, dass der Leser in der Erklärung vergeblich nach Anhaltspunkten dafür sucht, wie sich die Kanzler zu einer flächendeckenden Einführung von Tenure Track stellen. Das überrascht, ist doch heute die Ausweitung von Tenure Track breiter Konsens und zugleich Grundlage für den Transfer von viel Bundesgeld in die Universitäten.

Fragwürdiges Argument für die Befristungspraxis

Umso befremdlicher ist, dass die Autoren der Erklärung die Befristungspraxis im Kern nur auf ein einziges, durchaus fragwürdiges Argument stützen: die Aufgabe der Universitäten zur Qualifizierung ihrer Angestellten zu Fachkräften für „Gesellschaft, Wirtschaft und den öffentlichen Dienst“. Dies ist allerdings nach den geltenden Hochschulgesetzen kaum als Kernaufgabe der Universitäten zu identifizieren. Das Argument verkennt, dass sich der wesentliche Bildungsauftrag der Universitäten nicht auf ihre Angestellten bezieht, sondern auf die Studierenden.

Porträtaufnahmen von Cornelius Richter (links) und Georg Weizsäcker.
Unsere Gastautoren Cornelius Richter (links) und Georg Weizsäcker.

© Christina Stivali; DIW

Die Kanzler gehen aber noch weiter: Sie fordern eine verlässlichere und verlässlich wachsende Finanzierung der Universitäten, um das Primat der Qualifizierungsbefristung überhaupt umsetzen zu können. Der Forderung nach mehr Geld wird kaum jemand aus dem Wissenschaftsbetrieb widersprechen können, der die Schwierigkeiten deutscher Wissenschaftseinrichtungen kennt, international konkurrenzfähig zu werden und zu bleiben. Als oberste Verwalter meinen die Kanzler aber andeuten zu müssen, dass sich ansonsten die Qualifizierungsbefristung gar nicht umsetzen lasse. Ohne mehr Geld müssten die Beschäftigungsverhältnisse also, so die implizite Drohung, weiterhin der Willkür volatiler Drittmittelfinanzierung ausgesetzt bleiben.

Departmentstrukturen einführen!

Dieser Pessimismus ist nicht angebracht. Natürlich sind Mittelzuwächse wichtig, aber es ist durchaus auch unter den jetzigen finanziellen Bedingungen möglich, die Strukturen und das Personalmanagement der Universitäten grundlegend zu verbessern. Beispielsweise würde eine systematische Aufweichung des Lehrstuhlprinzips zugunsten der Einführung von Departmentstrukturen auch der Personalentwicklung eine bessere Grundlage geben. Willkür und Zufälligkeiten bei Befristungen können ausgeschlossen werden, wenn Einrichtungen in großen Einheiten denken und professionelle Personalentwicklungskonzepte nutzen.

Glücklicherweise sind einige Universitäten schon auf einem guten Weg. Die Karrierewege junger Wissenschaftler haben dort bereits jetzt eine mit dem Arbeitgeber vereinbarte Perspektive. Die entscheidenden Schritte des Weges, insbesondere die Entscheidung über Entfristungen, sind vorausschauend organisiert und erfolgen nach allgemeingültigen Regeln, die fair und transparent angewandt werden.

Andere Länder, deren Universitäten im Wettbewerb mit unseren stehen, nutzen solche Mittel bereits seit Langem und mit großem Gewinn für ihre Mitarbeiter. Sie haben auch ein besseres Verhältnis zwischen der Zahl unbefristet Beschäftigter – nicht nur auf der Ebene der Professoren – und der Zahl von Studienplätzen und Promovierenden. Durch die schlichte Forderung der Autoren der Bayreuther Erklärung nach „Erhalt und Entwicklung von Befristungsmöglichkeiten“ wird sich an diesem Rückstand der deutschen Universitäten sicherlich nichts ändern.

Den Kanzlern ist der Mut zu wünschen, ihre Aufgaben mehr aus ihrer Funktion als oberste Personalverantwortliche und weniger als Verwalter zu definieren. Viele von ihnen tun dies im Alltag schon längst, auch wenn die Bayreuther Erklärung anderes vermuten lässt. Mit einem solchen Rollenverständnis würden sie den im Mittelbau bislang häufig prekär beschäftigten Mitarbeitern helfen. Und sie könnten wertvolle Beiträge dazu leisten, die deutschen Universitäten wettbewerbsfähiger zu machen und die Qualität von Forschung und Lehre zu heben.

Cornelius Richter; Georg Weizsäcker

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