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Auf Eindringlinge eingestellt. Die Kalifornische Klapperralle hat ihren Lebensraum in Schlickgras verlegt, das von der Ostküste stammt. Als es entfernt wurde, brach der Bestand ein.

© Robert Clark

Invasive Pflanzen: Nutznießer einer Invasion

Eingeschleppte Pflanzen werden bekämpft. Doch das ist nicht immer die beste Lösung, denn mitunter bringen sie einheimischen Tieren Vorteile.

Es fing harmlos an: Ab 1973 wurde das Süßgras Spartina alterniflora, das an der US-Atlantikküste zu Hause ist, in der Bucht von San Francisco und damit am Pazifik angepflanzt. Die Gräser werden auf dem salzigen Boden zu einem dichten Teppich, fangen Sand und Schlick auf und helfen so, am Ufer Neuland zu gewinnen. So weit der Plan.

Doch die neue Pflanze kreuzte sich mit dem verwandten Schlickgras Spartina foliosa von der Westküste der USA. Diese Hybride breiteten sich rasant aus und verdrängten dabei das einheimische Schlickgras. Die ursprüngliche Vegetation schien gefährdet, daher begann 2005 die Naturschutzbehörde das fremde Gewächs mit allen Kräften zu bekämpfen. Auch das hatte eine unerwünschte Nebenwirkung: Bis 2011 halbierte sich in der Bucht der Bestand der Kalifornischen Klapperralle Rallus longirostris obsoletus, von der weltweit nur noch ein paar tausend Vögel leben.

Großflächig Herbizide versprüht

Eigentlich sollte der Kampf gegen die Invasoren einheimische Arten unterstützen, tatsächlich wurde so aber ein Dominoeffekt ausgelöst, der ihnen schadete, schreiben Adam Lampert von der Universität von Kalifornien in Davis und Kollegen im Fachblatt „Science“. Um das Dilemma der Naturschützer zu lösen, bildeten die Forscher die Vorgänge auf den Salzwiesen in einem Computermodell nach, das sie jetzt vorstellen.

Die Naturschützer schienen alles richtig gemacht zu haben, bestätigt Yvonne Buckley von Universität von Dublin in einem Beitrag, der ebenfalls in „Science“ erscheint: Die Theorie verlangt, eine eingedrungene Art rasch zu entfernen und die Invasion zurückzudrängen. Also besprühten die Kalifornier die Flächen voller Hybrid-Schlickgras vom Helikopter aus mit Pflanzenvernichtungsmitteln.

Die angestammten Pflanzen kamen nur langsam zurück

„In Europa wäre eher der Bagger zum Einsatz gekommen“, sagt Ingolf Kühn, Experte für invasive Arten am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. Der großflächige Einsatz von Herbiziden werde hier kritischer gesehen. Dauerhaft werde man eingedrungene Pflanzen so zwar nicht los, schließlich bleiben oft ein paar Samen oder Wurzeln übrig. „Aber man kann die invasive Art stark zurückdrängen und gibt damit den einheimischen Pflanzen die Chance, das verlorene Gebiet zurückzuerobern.“

Genau dabei gab es in Kalifornien ein Problem. Das einheimische Schlickgras Spartina foliosa kam nur zögernd zurück. Das wiederum brachte die Kalifornische Klapperralle in Schwierigkeiten, die in den Schlickgraswiesen ihren Nachwuchs großzieht und Nahrung findet. Als die Teppiche der einheimischen Art von den Eindringlingen immer weiter verdrängt wurden, waren die Vögel auf die Hybrid-Schlickgras-Wiesen ausgewichen.

Das eingeschleppte Drüsige Springkraut hat mehr Nektar

Ein solches Ausweichen ist kein Einzelfall. Bisweilen bietet der Neuankömmling sogar einen Vorteil. So kam das Drüsige Springkraut bereits im 19. Jahrhundert aus dem Himalaja nach Europa und Nordamerika. Die Pflanze wird oft als Eindringling bekämpft, hat aber für einheimische Bienen und Hummeln Vorteile: „Sie bietet mehr Nektar als viele einheimischen Gewächse und hat zudem große Blüten, deren Farbe sehr attraktiv für Insekten ist“, sagt Kühn. Tatsächlich summen jede Menge Bienen und Hummeln um die rosa oder weißen Blüten. Dabei vernachlässigen sie jedoch die Blüten der einheimischen Pflanzen, die langsam zurückgedrängt werden. Bekämpfen Naturschützer zum Beispiel im Bayerischen Wald das Drüsige Springkraut, haben die einheimischen Gewächse zwar bessere Chancen, aber die Bienen und Hummeln könnten es schwerer haben.

Modell könnte auch bei anderen Naturschutzfragen helfen

So geschah es auch mit der Kalifornischen Klapperralle. Als 2011 auf 92 Prozent der betroffenen Flächen die invasive Art entfernt war, kehrte das einheimische Schlickgras nur sehr langsam dorthin zurück. Die Vögel fanden kaum noch Brutplätze, ihre Zahl ging massiv zurück. Die Naturschützer stoppten daher das Ausrottungsprogramm und pflanzten auf den kahlen Flächen Horste des einheimischen Schlickgrases, die langsam wieder zu einem Teppich zusammenwachsen.

Aber wie geht man dabei am besten vor? Wie groß sollten die Flächen sein, auf denen der Eindringling zunächst bekämpft wird, und wie viel sollte – im Interesse der Rallen – verschont bleiben? Antworten auf diese Fragen liefert das Computermodell, das Lampert und seine Kollegen jetzt entwickelt haben. Das ist noch nicht alles. Mit dem gleichen Modell, glauben die Wissenschaftler, ließen sich auch andere Fragen des modernen Naturschutzes beantworten. Etwa wie viele Fische die traditionellen Fischer aus dem Wasser holen können, ohne dass die Bestände schrumpfen. Oder wie viele Bäume der Besitzer aus einem Wald herausholen kann, ohne die Arten in der Umgebung stark zu beeinträchtigen.

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