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Mehr als ein Telefon. Auf Smartphones kann man prima programmieren. Zum Beispiel die Software für ein Warnsystem, das Alarm schlägt, wenn zu Hause der Strom ausfällt. Wer an solchen einfachen Anwendungen Spaß hat, wird vielleicht später einen IT-Beruf wählen - wo es an Fachkräften fehlt. Die Initiative will daher vor allem junge Menschen ansprechen.

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Interview: „Lernt programmieren!“

Programmieren ist die Sprache des 21. Jahrhunderts, sagt Thomas Bendig. Aber noch ist sie hierzulande wenig verbreitet. Eine groß angelegte Medienkampagne soll das ändern.

Am Dienstag soll die Initiative „Jeder kann programmieren – Start coding!“ offiziell beginnen. Worum geht es dabei?

Wir bereiten eine große Medienkampagne vor, die dazu beitragen soll, dass sich mehr Leute mit dem Thema IT und Programmierung beschäftigen.

Also mit Informatik …

… diesen Begriff vermeiden wir, denn er ist vielfach mit Vorurteilen und Klischees besetzt. Viele denken dabei eben doch an den verschrobenen Computerfreak, der sich allein komplizierte Spezialprogramme ausdenkt. Die sind weiterhin nötig, doch im Grunde ist Programmieren längst zu einer Kulturtechnik geworden, wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Und sie wird immer wichtiger. Wer programmieren kann, kann die digitale Gesellschaft mitgestalten.

Wie soll das gehen?

Ein Beispiel: Viele Leute, vor allem junge, haben Smartphones in der Tasche, die leistungsfähiger sind als viele Computer, die wir noch vor kurzer Zeit unter dem Schreibtisch stehen hatten. Und was tun sie damit? Sie schauen sich Videos an, die andere Leute produziert haben, sie nutzen Apps, die andere Leute programmiert haben. Wir sagen: Mensch, die Geräte können so viel, werdet kreativ und nutzt das volle Potenzial der Technik aus!

Thomas Bendig ist Geschäftsführer des Fraunhofer-Verbunds für Informations- und Kommunikationstechnologie in Berlin und Mitinitiator der Initiative „Jeder kann programmieren“.  
Thomas Bendig ist Geschäftsführer des Fraunhofer-Verbunds für Informations- und Kommunikationstechnologie in Berlin und Mitinitiator der Initiative „Jeder kann programmieren“.  

© Fraunhofer IUK

Was sollen sie denn damit anfangen?

Da gibt es tausend Möglichkeiten. Zum Beispiel lassen sich mit wenig Aufwand kleine Geräte bauen, die eine Warnung aufs Smartphone schicken, wenn der Strom ausfällt und Lebensmittel im Kühlschrank zu verderben drohen oder ein Fenster nicht geschlossen ist. Oder man kann sich Lösungen für die Schule und das Studium programmieren oder kleine Kunstwerke schaffen. Die dafür nötige Programmiersprache „Processing“ ist übrigens einfacher als viele ältere Sprachen. Sie wurde von Künstlern entwickelt, nicht von Spezialisten. Laien können sich leicht einarbeiten.

Die meisten, die in der Schule oder Uni programmieren lernten, denken nicht gerade euphorisch an die Zeit zurück. Auch wenn manches heute einfacher ist, muss ich am Ende doch tief in die Materie eindringen, um etwas zu programmieren, was mir nützt und nicht nur Spielerei ist. Glauben Sie wirklich, die Massen dafür begeistern zu können?

Die überaus erfolgreiche Kampagne „Code.org“ in den USA hat uns bestärkt. Selbst Präsident Barack Obama hat das Anliegen aktiv unterstützt. Mehr als 36 Millionen Menschen haben dort an Online-Kursen teilgenommen. Das planen wir auch: Videotutorials auf unserer Webseite „www.jeder-kann-programmieren.de“, die einen einfachen und auch unterhaltsamen Einstieg schaffen. Zudem wollen wir Workshops anbieten, wo sich die Teilnehmer gegenseitig viele Dinge schneller beibringen können. Die Kursmaterialien, die wir dafür entwickeln, wollen wir auch Multiplikatoren wie Lehrern zur Verfügung stellen, damit sie besser vorbereitet selbst solche Workshops anbieten können.

Informatiklehrer müssten das doch ohnehin draufhaben.

Nicht immer. Ich sage es mal so: Wenn Lehrer ihren Schülern beibringen, wie sie in den Achtzigerjahren programmieren gelernt haben, kann man auch viel zerstören und eher das Gegenteil von dem erreichen, was man bezwecken wollte.

Das heißt, die Lehrer sollen sich fortbilden und auch die Lehrpläne verbessert werden?

Auf jeden Fall. Es ist wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer souverän mit den aktuellen Technologien umgehen. Dann können sie das auch besser vermitteln.

Wer steht hinter der Initiative?

Die Idee kommt ursprünglich von dem Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar und von mir. Wir haben in einem Gespräch festgestellt, dass Programmierung in Deutschland bei Weitem nicht die positive Wahrnehmung hat, die sie haben müsste und dass viele Menschen ihre Smartphones und Computer als reine Konsumenten nutzen und kaum selbst Inhalte erzeugen. IT ist ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft und das wird in den nächsten Jahrzehnten noch zunehmen. Damit wird Programmieren zur Sprache des 21. Jahrhunderts.

Wie ging es weiter?

Wir haben uns zusammengetan mit dem Studio Nand, das didaktische Konzepte erarbeitet, und haben im Rahmen des Wissenschaftsjahres das Projekt gestartet. Nun sind wir auf der Suche nach Industriepartnern. Das lohnt sich für beide Seiten. Viele Firmen suchen händeringend nach IT-Spezialisten. Unsere Botschaft ist klar: Ihr könnt euch noch mehr anstrengen, um die wenigen Absolventen in eure Firma zu bekommen. Ihr könnt aber auch in die Zukunft investieren und dafür sorgen, dass es mehr Leute gibt, die auf diesem Gebiet kompetent sind.

Sie haben einige Botschafter für Ihre Kampagne wie Bernhard Hoëcker oder Maybrit Illner. Sind das wirklich fleißige Programmierer?

Bernhard Hoëcker ist kein IT-Spezialist, aber er hat in seiner Jugend programmiert und versucht auf dem aktuellen Stand zu bleiben – damit ist er authentisch. Wir wollen aber nicht nur die bekannten Köpfe aus dem Fernsehen, sondern auch die Youtube-Szene mit einbinden, um junge Menschen zu erreichen, die beruflich noch nicht festgelegt sind.

Wen haben Sie da für Ihr Vorhaben gewonnen?

Zum Beispiel LeFloid, der Nachrichtensendungen für Jugendliche macht. Natürlich in anderer Form als die Tagesschau. Aber das ist jemand, der unser Anliegen gut transportieren kann und bei den jungen Menschen gut ankommt, weil er ihre Sprache spricht.

Wann haben Sie selbst zum letzten Mal programmiert?

Erst kürzlich, als ich ein neues Smartphone bekommen habe. Um es voll auszunutzen, muss man auch ein bisschen programmieren – obwohl das die meisten gar nicht so nennen würden. Was wieder einmal zeigt, dass der Begriff viel mehr umfasst als das Verfassen von Programmcodes. Bei dem neuen Gerät kann ich einstellen, dass es in bestimmten Situationen seinen Status ändern soll. Wenn ich zum Beispiel nach Hause komme, soll es den Klingelton leiser stellen, eingehende SMS nicht mehr akustisch anzeigen und nach 22 Uhr soll es keine E-Mails mehr abrufen. Wenn man so etwas programmiert, wird ein Smartphone erst wirklich smart. Ansonsten ist es ein Telefon, das einen Internetzugang hat und nicht mehr.

Das klingt nicht so, als wäre Programmieren eine alltägliche Anforderung. So häufig bekommt man kein neues Telefon.

Künftig wird es immer mehr von solchen Geräten geben, in smart homes: von der Waschmaschine über den Kühlschrank bis zur Beleuchtungssteuerung. Die bringen eine Menge Eigenintelligenz mit, aber man muss ihnen die Zusammenhänge erklären. Die Menschen sollen selbst entscheiden können, was sie mit der Technologie anfangen. Und nicht mit den Anwendungen vorliebnehmen müssen, die sich andere für sie ausgedacht haben. Im Grunde wollen wir mehr mündige Bürger der digitalen Gesellschaft, die darüber nachdenken und souverän entscheiden, wie sie mit ihren Geräten und Daten umgehen.

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