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Ein Covid-19-Patient wird auf einer Intensivstation einer Klinik in Göteborg behandelt.

© Imago Images/TT

Update

Intensivmediziner schlagen für den Sommer Alarm: Schwedens Leidensweg aus der Corona-Pandemie

Schweden zählt zu den Ländern mit den meisten Coronavirus-Fällen in Europa. Die Zahl der Covid-19-Toten sinkt nun zwar. Doch die Sorgen bleiben groß.

Während die meisten Länder in Europa sich über deutlich sinkende Zahlen bei den Neuinfektionen mit dem Coronavirus freuen und auf das Ende zumindest der dramatischen Phase der Pandemie hoffen, kommen aus dem Norden der EU noch immer weniger gute Nachrichten. Schweden verzeichnet Daten des Tagesspiegel zufolge eine Sieben-Tage-Inzidenz von etwa 253, was einem Wert von rund 36 im Mittel pro Tag entspricht (Stand 13. Mai) – und zählt damit im Moment zu den am schlimmsten betroffenen Regionen in Europa.

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Obwohl bisher bereits 3,2 Millionen der rund 10,2 Millionen Menschen in Schweden einmal geimpft wurden, bessert sich die Lage nur mäßig. Hat das Land, auf das auch in Deutschland so viele wegen seiner ganz eigenen Strategie der vergleichsweise moderaten Corona-Politik neidisch geschaut haben, langfristig also doch falsch gelegen?

Auf den Intensivstationen scheint nun jedenfalls die Belastungsgrenze des Personals erreicht. „Wir sollten eigentlich unsere Nachbarländer um Hilfe bitten“, sagte Oberärztin Annette Nyberg vom Krankenhaus Alingsås dem schwedischen Sender SVT. Nyberg ist zudem Vorsitzende der Schwedischen Vereinigung für Anästhesie und Intensivpflege. „Die haben nicht so viele Patienten wie wir gehabt und das Personal nicht so verschlissen wie wir“, sagte Nyberg.

Vor der Pandemie gab es in ihrer Klinik drei Intensivbetten, dann musste auf sechs aufgestockt werden, inzwischen sind es acht Plätze. „Wir haben eigentlich kein Personal, um das zu schaffen, aber dank enormer Anstrengungen und Überstunden geht es gerade noch so“, sagte Nyberg. Die zuständige Behörde hält es für unnötig, Patienten in Nachbarländer zu verlegen.

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Wie dramatisch die Lage vor den noch dazu in Kürze beginnenden Sommerferien ist, machte am Mittwochabend der Chef der Intensivstation des Karolinska Universitätskrankenhauses in Stockholm, David Konrad, deutlich. „Die Uhr tickt. Wir brauchen Hilfe“, sagte er SVT

Für den Sommer gebe es eindeutig nicht genug Personal. „Es wird schwer werden.“ Weil die zuständige Sozialbehörde der Ansicht ist, Schweden habe die Lage nach wie vor im Griff, sagte Konrad, man bemühe sich im In- und Ausland um Kräfte für die Intensivstation:  „Wir hoffen, dass wir Hilfe von anderen Ländern bekommen. Wir flehen alle, die diese Kompetenz haben, an: Bitte, helft uns!“

Zwar sinken die Zahlen der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen seit gut einer Woche deutlich. Doch Ärzte und Pfleger sind am Ende der Kräfte. Urlaub konnte kaum genommen werden. Zudem wird nun Personal, das aus anderen Abteilungen auf Intensivstationen beordert worden war, wieder abgezogen, wie der Tagesspiegel aus dem Umfeld von Intensivmedizinern erfuhr. Diese Frauen und Männer werden jetzt benötigt, um den Stau anderer Behandlungen abzubauen.

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Durch die Pandemie sind auch in Schweden enorm viele Operationen verschoben worden. Wie lange es dauern wird, bis wieder ein Normalzustand erreicht ist, vermag bisher niemand abzuschätzen. „Es darf im Herbst definitiv keine vierte Welle geben, sonst bekommen wir große Probleme“, sagte Ola Stenqvist, emeritierter Anästhesie-Professor der Sahlgrenska-Universitätsklinik in Göteborg, dem Tagesspiegel.

„Es darf im Herbst keine vierte Welle geben“

Schweden geht in der Pandemie seit Beginn einen vielbeachteten, im In- und Ausland aber auch scharf kritisierten Weg, der auf vergleichsweise moderate Beschränkungen setzt. Offizielles Ziel der Gesundheitsbehörde FHM und des Staatsepidemiologen Anders Tegnell war, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.

Der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell polarisiert.
Der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell polarisiert.

© PontusLundahl/TT News Agency/Reuters

Dazu gehört, dass 20 Prozent freie Intensivplätze auf den Stationen als Reserve bereitstehen sollen. Wie eine Auswertung der Lageberichte des zuständigen Zentralamts für Gesundheits- und Sozialwesen des Senders SVT und der Zeitung „Dagens Nyheter“ (DN) zeigt, wurde diese Grenze im April und bisher auch im Mai aber oft unterschritten. Zeitweise gab es demnach nur noch zwölf Prozent freie Kapazitäten.

Angaben der OECD aus dem Jahr 2020 zufolge standen in Schweden pro 100.000 Einwohner 5,8 Intensivplätze zur Verfügung (Deutschland: 38,2). Ab April 2020 hatte Schweden dann seine Intensivkapazitäten auf zwischenzeitlich rund 1500 Plätze ausgebaut. Derzeit gibt es rund 1000.

Personal auf Intensivstationen ist am Ende

Schon die 500 bis 600 vor Ausbruch der Pandemie seien viel zu wenig gewesen, sagte Stenqvist. Seit mehr als 15 Jahren sei man gezwungen, Intensivpatienten immer wieder in andere Kliniken zu verlegen. „Und das, obwohl man weiß, dass es eine deutlich höhere Sterblichkeit gibt, wenn man diese Patienten transportieren muss“, so der Intensivmediziner. Auch dem Sender SVT zufolge zeigen wöchentliche Protokolle, dass Patienten ständig in andere Kliniken verlegt werden müssen.

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Die Nachbarländer Dänemark, Norwegen und Finnland hatten sich in der Pandemie anders als Schweden für harte Lockdowns entschieden und so die Zahl der Infektionen und Klinikeinlieferungen gesenkt. Der schwedische Staatsepidemiologe Tegnell lehnte dies für sein Land stets ab und verwies auf die sozialen sowie wirtschaftlichen Folgen. Harte Maßnahmen vonseiten des Staats sind zudem erst seit Ende Januar durch ein neues Pandemiegesetz möglich.

Tegnell und die Regierung haben vor allem an die Vernunft der Schwedinnen und Schweden appelliert. Wir glauben, wir erreichen mit Freiwilligkeit genauso viel wie andere Länder mit Restriktionen“, sagte Tegnell gerade erst wieder. „Wir haben uns dafür entschieden, uns auf die Stellen zu fokussieren, bei denen wir aus Erfahrung wissen, dass eine erhöhte Infektionsgefahr besteht.“

Gastronomie blieb unter Auflagen geöffnet

Im internationalen Vergleich waren die Vorschriften moderat. Kitas, Schulen bis zu neunten Klasse und auch viele Gymnasien blieben genauso geöffnet wie unter Auflagen Geschäfte und Gastronomie. Eine Ausgangssperre lässt die schwedische Verfassung nicht zu. Die Kontaktbeschränkungen von maximal acht Personen gelten nur im öffentlichen Raum, also nicht in privaten Haushalten, wo das Infektionsrisiko als besonders hoch eingeschätzt wird.

Premier Stefan Löfven steht in der Kritik.
Premier Stefan Löfven steht in der Kritik.

© Fredrik Sandberg/TT News Agency/Reuters

Wegen des hohen Infektionsgeschehens verlängerte die rot-grüne Minderheitsregierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven gerade erst wieder die Maßnahmen. Sie sehen unter anderem eine Teilnehmerobergrenze für Veranstaltungen von acht Personen vor sowie die Schließung von Restaurants, Kneipen und Cafés um 20.30 Uhr und gelten bis zum 1. Juni.

Die schwedische Strategie schien eine Zeit lang tatsächlich zu funktionieren. Viele Menschen wechselten ins Homeoffice, verringerten ihre sozialen Kontakte und reisten weniger, wie Mobilitätsdaten belegten. Im vergangenen Herbst änderte sich die Lage jedoch, die zweite Welle traf das Land hart.

Bereits mehr als 14.300 Covid-19-Tote

Tove Fall, Professorin für Epidemiologie an der Universität Uppsala, überrascht die Entwicklung nicht. Sie kritisierte gerade im Deutschlandfunk (DLF) Regierung und Gesundheitsbehörde: „Als die Zahlen Ende September um 35 Prozent pro Woche anstiegen, wurde das nicht als große Sache kommuniziert.“ Doch bei einer solchen Krankheit, bei der man darauf setze, dass sich die Menschen an Empfehlungen hielten, „ist es unglaublich wichtig, dass die Allgemeinheit weiß, dass es Warnsignale gibt, dass die Infektionszahlen stark ansteigen“.

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Schweden verzeichnet bisher in der Pandemie insgesamt 14.349 Covid-19-Tote, vor allem in der ersten und zweiten Welle verloren viele ihr Leben. Vor allem gelang es nicht, Alte und Pflegebedürftige zu schützen. Eine von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission stellte den Verantwortlichen in Stockholm in einem ersten Teilbericht Ende des vergangenen Jahres ein vernichtendes Zeugnis aus, prangerte an, dass die Missstände im Pflegebereich seit vielen Jahren bekannt seien und Stockholm die für diesen Gesundheitssektor verantwortlichen Kommunen in der Pandemie auf sich allein gestellt gelassen habe.

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Schon früh in der Coronavirus-Krise entbrannte in Schweden eine Debatte über die sogenannte Herdenimmunität. Etliche andere Wissenschaftler warfen Tegnell und der FHM wiederholt vor, die Coronavirus-Welle unkontrolliert durch das Land rollen zu lassen, um diese so schnell wie möglich zu erreichen – schon bevor Impfstoffe zur Verfügung standen.

Streit über Herdenimmunität in Schweden

Damit, so der Vorwurf, seien der unnötige Tod Tausender Menschen sowie viele Langzeiterkrankungen billigend in Kauf genommen worden.

Der Staatsepidemiologe und die Gesundheitsbehörde bestreiten, dies sei Teil der Strategie gewesen. Aussagen Tegnells und publik gewordene E-Mails lassen andere Schlüsse zu.

Die Epidemiologin Fall hätte sich gewünscht, dass die Verantwortlichen in Stockholm dem Rat verschiedener Experten mehr Gehör geschenkt hätten. „Wenn die Regierung Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beschließt, wägt sie unterschiedliche Interessen gegeneinander ab. Und ich finde, dass wir Akademiker und Forscher mit unserem Wissen nicht ausreichend eingebunden waren. Außerdem finde ich, dass nicht transparent war, welche Entscheidungen die Gesundheitsbehörde und welche die Regierung getroffen hat.“

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Scharfe Kritik an Tegnell, der in der Pandemie in Schweden polarisiert wie kein Zweiter, kommt auch wieder vom Wissenschaftsforum Covid-19 , in dessen Kerngruppe sich inzwischen mehr als 40 Forscher zusammengeschlossen haben und das nach eigenen Angaben rund 7000 weitere Unterstützer zählt.

Scharfe Kritik am Staatsepidemiologen Tegnell

Es sei nicht zu verstehen, sagte die Professorin für Public Health und Gründungsmitglied des Forums, Claudia Hanson, im November dem Tagesspiegel, „warum Tegnell und sein Mentor Behördenchef Johan Carlson nicht auf wissenschaftlicher Basis im Einklang mit der offiziellen Regierungsinstruktion handeln. Und das, obwohl Experten schon seit März ständig aufs Neue in den Medien und im wissenschaftlichen Raum auf die WHO und auch Studien der EU-Agentur für Prävention von Krankheiten verweisen und Forschungsergebnisse darstellen.“

[T+-Abonnenten lesen hier: Zu Besuch im Hochinzidenzgebiet - Schweden ist auf dem Sonderweg steckengeblieben]

Besonders im Fokus der Kritik steht, dass sich Tegnell entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse stets gegen eine Maskenpflicht verwahrt hat und auch Kitas sowie Schulen nicht als Infektionsherde betrachtet. Völlig unverständlich ist Tegnells Kritikern, dass er der Bedeutung der Aerosole für das Infektionsgeschehen keine größere Beachtung geschenkt und entsprechende Maßnahmen ergriffen hat.

Inzwischen gibt es in Schweden insgesamt mehr als eine Million bestätigte Infektionen. Pro Million Einwohner sind die schwedischen Fallzahlen bei den Covid-19-Toten/Infektionen Daten der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität zufolge (Stand. 15. Mai) deutlich höher als in den Nachbarländern oder auch in Deutschland:

  • Schweden (1402/101.847)
  • Norwegen (146/22.343)
  • Dänemark (431/45.738)
  • Finnland (169/15.253)
  • Deutschland (1037/43.273)

In anderen von der Coronavirus-Krise schwer getroffenen Ländern sind allerdings die Zahlen der Covid-19-Toten pro Millionen Einwohner zum Teil viel höher:

  • Italien (2051/68.619)
  • Spanien (1698/77.151)
  • Frankreich (1606/88.217)
  • Belgien (2159/90.010)
  • Großbritannien (1924/67.118)

Seit einiger Zeit sterben nun deutlich weniger Menschen an Covid-19. Tegnell und seine Behörde führen dies vor allem auf die fortschreitende Impfkampagne besonders bei den Risikogruppen zurück. Auch insgesamt kommt das Land mit den Impfungen im europäischen Vergleich gut voran. Nach Angaben der FHM erhielten Stand 14. Mai rund 39 Prozent der Schwedinnen und Schweden eine Erstimpfung, zwölf Prozent bekamen schon die zweite Dosis.

Demo gegen die Corona-Auflagen Mitte April in München.
Demo gegen die Corona-Auflagen Mitte April in München.

© Imago Images/Zuma Wire

Hätte ein anderer Kurs die Lage in Schweden verbessern können? Ja, sagen Tübinger Forscher, die dazu gerade eine Studie im Fachmagazin „PLOS One“ veröffentlicht haben. Ein Lockdown für neun Wochen in der ersten Welle hätte demnach zur Folge gehabt, „dass wir 75 Prozent weniger Infektionen gesehen hätten in Schweden und 38 Prozent weniger Tote“, sagte Gernot Müller, Professor für Makroökonomie und einer der Autoren, dem DLF.

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In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ schreiben die Forscher: „Statt 80.000 Corona-Infektionen hätte es nur 20.000 gegeben.“ Die Zahl der Covid-19-Toten hätte ihren Berechnungen zufolge bei 3500 statt 5800 gelegen. Zudem habe der schwedische Kurs nicht dazu geführt, dass die wirtschaftliche Lage des Landes wesentlich besser sei, als die Vergleichsgruppe in der Studie mit Ländern, die in einen harten Lockdown gegangen waren, so die Tübinger Forscher.

Besonders für die Gegner der deutschen Corona-Politik ist Schweden das gelobte Land, die blau-gelbe Flagge des Landes ist auf „Querdenken“-Demos allgegenwertig. Claus Wendt, Lehrstuhlinhaber der Fakultät für Soziologie der Gesundheit der Universität Siegen, betonte schon im vergangenen Jahr, dass man erst nach dem Ende der Pandemie wissen werde, mit welcher Strategie die Menschen am besten geschützt werden konnten. Wendts These: „Alle Länder werden aus der Pandemie lernen müssen.“ Bei der Suche nach Verbesserungen des Gesundheitsschutzes werde Schweden möglicherweise auf Deutschland und Österreich schauen. „Und umgekehrt.“

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