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Bienen, Hummeln und andere nützliche Insekten leiden langfristig unter Spritzmitteln.

© Michael Reichel/dpa

Insektizide und Bienen: Ausgesummt

Insektizide sichern reiche Ernten. Doch sie gefährden auch nützliche Sechsbeiner – vor allem Bienen. Das belegen neue Studien zu Neonicotinoiden.

„Vor zehn Jahren gab es im Osten Deutschlands noch deutlich mehr Insekten“, sagt Christoph Saure. Zwar fehlen dem Chef des Büros für tierökologische Studien (BtS) in Berlin noch handfeste Zahlen, um seinen Eindruck zu belegen. Doch dem Naturwissenschaftler fällt auf seinen Wanderungen durch Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen immer wieder auf, dass es nur noch wenige Flächen gibt, auf denen die Sechsbeiner so vielfältig sind wie „in alten Zeiten“.

Ähnliche Beobachtungen melden Naturschützer auch aus anderen Regionen Europas oder aus Nordamerika. Als Verursacher werden die Insektizide vermutet, die Landwirte gegen Schädlinge einsetzen, um Ernteschäden zu vermeiden, die ohne die Sprühmittel erheblich sein können.

Doch töten oder vertreiben die Chemikalien tatsächlich nur Schädlinge oder auch nützliche Insekten wie Bienen oder Hummeln, die für die Bestäubung der Nutzpflanzen unersetzlich sind? Diesen Verdacht bestätigen jetzt Alex Woodcock vom Natural Environment Research Council im englischen Oxfordshire sowie Amro Zayed von der York University im kanadischen Toronto und Kollegen in der Zeitschrift „Science“ für eine wichtige Insektizid-Gruppe, die Neonicotinoide.

Diese Substanzen werden verwendet, um das Saatgut während der Lagerung vor hungrigen Insekten zu schützen, oder die Bauern bringen sie im Boden aus. Über die Wurzeln verteilen sich die Neonicotinoide dann in den Pflanzen und vergiften daran nagende Blattläuse und andere Schädlinge. Da Bienen weder unter der Erde nach Nahrung suchen noch die Pflanzen anknabbern, sondern nur Nektar und Pollen aus den Blüten holen, sollten sie eigentlich nicht gefährdet sein, wenn solche Insektizide richtig angewendet werden. Zumindest in der Theorie. In der Praxis dagegen gab es einige Hinweise, dass Bienen doch gefährdet sein könnten, zuverlässige Daten dazu aber waren zumindest im Freiland Mangelware.

Erdhummeln und Mauerbienen im Großversuch

Um Abhilfe zu schaffen, startete Saure bei jeweils drei Rapsfeldern an der nordöstlichen Stadtgrenze von Berlin, in der Nähe von Halberstadt in Sachsen-Anhalt und in der Umgebung des sächsischen Bautzen ein groß angelegtes Experiment. Auf jedes dieser neun Felder brachte der Forscher jeweils vier Völker der dunklen Erdhummel und Kokons der Roten Mauerbienen, die ein Single-Leben führen.

Elke Genersch von der Berliner Humboldt-Universität, die am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf forscht, ergänzte diesen Großversuch. Sie siedelte Honigbienenvölker an diesen Rapsfeldern an, auf denen in bestimmten Abschnitten keine Insektizide oder eines von zwei unterschiedlichen Neonicotinoiden zum Einsatz gekommen waren. Die Forscher sammelten nicht nur Pollen, die Hummeln gerade von den Blüten in ihr Nest trugen, sondern schickten am Ende der Saison auch die Nester mitsamt den darin lebenden Insekten zu den englischen Kollegen in Oxfordshire. Dort trafen die Proben von ähnlichen Experimenten auf 24 weiteren Rapsfeldern in Großbritannien und Ungarn ein.

Nach Insektizid: Weniger Königinnen und weniger Eier

Alex Woodcock und seine Kollegen untersuchten diese Bienen und Proben dann genauer und ermittelten zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern. In Großbritannien und Ungarn überstanden Honigbienenvölker den Winter erheblich schlechter, wenn sie auf einem Rapsfeld mit Neonicotinoid-Behandlung gelebt hatten, während sich in Deutschland keine Unterschiede fanden. In allen drei Ländern brachten die Hummelvölker auf den mit Insektizid behandelten Flächen weniger Königinnen hervor und die Roten Mauerbienen legten weniger Eier. Dieser negative Einfluss hängt obendrein stark von den Verhältnissen auf dem jeweiligen Feld und dem Land ab, in dem die Bienen und Hummeln zu Hause sind. „Insgesamt dominierten jedenfalls die negativen Einflüsse“, fasst der an beiden Studien nicht beteiligte Insektenspezialist Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die Ergebnisse zusammen.

Parallel zu den Europäern untersuchten Amro Zayed und seine Kollegen das Leben der Honigbienen am Rande der Mais- und Sojafelder Kanadas. Da beide Pflanzen für Bienen uninteressant sind, weil sie ihnen keinen Nektar bieten, dürfen diese Felder mit Insektiziden behandelt werden. Für die Bienen sollte das ungefährlich sein. Ist es aber nicht, melden die kanadischen Forscher. Schließlich besuchen die Bienen auch gern Pflanzen, die in der näheren und weiteren Umgebung blühen und leckeren Nektar anbieten. Diese Wildpflanzen nehmen die Neonicotinoide ebenfalls auf und geben sie an die Immen weiter. Je näher ein Stock an einem Maisfeld steht, umso mehr Neonicotinoide finden die Forscher in dem Bienenstaat.

Pilz- und Insektenmittel verdoppeln gemeinsam die Wirkung

Und diese Insektizide tun den Bienenarbeiterinnen nicht gut. Sie halten weniger von Hygiene als ihre nicht belasteten Artgenossinnen und haben eine um 23 Prozent kürzere Lebenserwartung, stellen Amro Zayed und seine Kollegen fest. Mehr noch, finden die Forscher in den Bienen zusätzlich auch noch das Pilzvernichtungsmittel Boscalid, verdoppelt sich der Einfluss der Neonicotinoide. Dieses Mittel wird häufig gemeinsam mit den Insektiziden ausgebracht. Allzu gesund scheinen die Neonicotinoide für Bienen und Hummeln also nicht zu sein.

Davon ist auch UFZ-Forscher Josef Settele überzeugt. Trotzdem rät er dazu, ein mögliches Verbot dieser Insektizide gut abzuwägen. „Es wäre schließlich fatal, wenn an ihrer Stelle andere Insektizide verwendet würden, über deren Wirkung auf Bienen noch weniger bekannt ist“, sagt der UFZ-Forscher. Stattdessen sollte man versuchen, die vorhandenen Insektizide sparsamer einzusetzen. Bis zu 70 Prozent weniger Insektenvernichtungsmittel könne man mancherorts verwenden, ohne große wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen zu müssen.

Zusätzlich sollte man dringend die Agrarstrukturen im Auge behalten, sagt Settele. „Hecken zwischen den Feldern und Abwechslung anstelle von Monokulturen helfen vielen Insekten einschließlich der Bienen enorm.“

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