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Pferdenatur? Ob ein Pferd hart im Nehmen ist oder Schmerzen hat, sollen Sensoren messen und melden, wenn die Tiere leiden.

© imago/Frank Sorge

Innovationstag Mittelstand in Pankow: Ein Sensor für den Schmerz der Pferde

Auf dem Innovationstag Mittelstand in Pankow wird unter anderem ein von Berliner Forschern entwickeltes Gerät vorgestellt, das anzeigt, ob Pferde leiden.

Von Christian Hönicke

Pferdefreunde kennen das Problem: Selbst Ärzte können häufig nicht sagen, ob ein Tier an Schmerzen leidet. Denn Pferde stoßen keine Schmerzlaute aus. Seit Jahren forschen Wissenschaftler an Lösungen, das Schmerzempfinden bei Pferden sichtbar machen zu können, etwa durch Mimikdeutung oder Verhaltensanalyse. Doch bisher lässt sich trotz dieser methodischen Ansätze nur subjektiv bewerten, ob das Tier leidet oder nicht.

Schmerzen möglichst objektiv bewerten

Das Berliner Forschungsprojekt „Pain Detect“ soll das ändern. Es entwickelt nach eigenen Angaben die weltweit erste Systemlösung zur Früherkennung von Stress- und Schmerzzuständen bei Pferden. Durch Sensoren, die in Pflaster und Gamaschen eingearbeitet werden, könnten in Kombination mit einer kamerabasierten Verhaltensanalyse Schmerzen „objektiv“ bewertet werden, sagt Netzwerkmanager Thomas Rüsch aus Berlin, der das Projekt betreut.

Sechs Partner arbeiten an dem Projekt, drei Unternehmen und drei Forscherteams. Aus Berlin sind Wissenschaftler der Technischen Universität und der Humboldt-Universität beteiligt, dazu kommen Forscher und Unternehmen aus Bad Langensalza, Demmin, Magdeburg und München. Koordiniert wird es von Rüschs Beratungsagentur „PromoTool“ in der Breiten Straße in Pankow, die die Partner mit wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Knowhow unterstützt. Das Projekt gehört zum Netzwerk „ProAnimalLife“, das seit drei Jahren mit Fördergeld vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Lösungen zur Veterinärmedizin, Trainingssteuerung und zur präventiven Betreuung von „Luxustieren“ erforscht. Beim jährlichen Innovationstag Mittelstand in Pankow am morgigen Donnerstag, 7. Juni, werden die Projekte auf dem Gelände Tschaikowskistraße 49 präsentiert.

Puls, Atmung, Hautwiderstand, Temperatur werden ausgewertet

„Pain Detect“ vereint mehrere Technologien. Kernstück ist eine Gamasche am Pferdebein, in der sich Sensoren befinden, um die Pulswelle, den Hautwiderstand und die Temperatur messen zu können. Zusätzlich könnte die Vitaldatenerfassung durch ein Sensor-Patch, eine Art IT-Pflaster mit integriertem Chip ergänzt werden, das in einem anderen Projekt von „ProAnimalLife“ von der TU Berlin entwickelt wird. Es soll zum Beispiel die Atmung und die Herzratenvariabilität messen.

Aber auch die erfassten Sensordaten müssen ausgewertet und interpretiert werden. „Dazu braucht man einen Referenzfall, bei dem das Schmerzempfinden gesichert ist“, sagt Rüsch. „Pferde werden sehr häufig kastriert, das erzeugt in jedem Fall Schmerz.“ Mit den Daten, die bei frisch kastrierten Pferden gesammelt wurden, bauten die Forscher eine Schmerzdatenbank auf. Wenn nun bei nichtkastrierten Pferden ähnliche Werte wie bei einer Kastration gemessen werden, kann man davon ausgehen, dass sie Schmerz empfinden.

Kamera erkennt unruhiges Verhalten der Pferde in der Box

Kombiniert werden diese Werte mit Bewegungsdaten des Pferdes aus der Box, die von einer Kamera aufgezeichnet werden, um ungewöhnliche Verhaltensmuster zu erkennen – etwa ob sich das Pferd unruhig bewegt. So komme man am Ende zu einem „objektiven Schmerzwert“, so Rüsch. Vor allem für die Früherkennung von Koliken, also Bauchschmerzen, soll „Pain Detect“ dienen. Sie gehören zu den häufigsten Erkrankungen bei Pferden und müssen operiert werden. Knapp ein Drittel der behandelten Pferde stirbt trotzdem. „Deshalb ist die Früherkennung so wichtig, um die Sterberate zu reduzieren“, sagt Rüsch.

Der Pferdesport könnte ein wichtiger Mark für die Technik werden, als Werkzeug zur Schmerzfrüherkennung. Der Pferdehalter wird via App über einen möglicherweise kritischen Zustand seines Pferdes automatisch alarmiert. Interessenten aus der Pferdeszene gibt es laut Rüsch schon – einige Pferdekliniken und das Haflinger-Gestüt im thüringischen Meura. Auch der Hongkong Jockey Club, der reichste Pferdeclub der Welt, habe Interesse signalisiert. Marktreif ist die Technik, die etwa 1000 Euro kosten soll, aber wohl erst 2020.

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