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Ein Forscher testet auf Mutationen des Coronavirus vorbereitet wird.

© Sebastian Gollnow/dpa

Infektiologe zu Virusmutante B117: „Bis Anfang April werden die neuen Stämme die vorherigen verdrängt haben“

Der Infektiologe Hajo Grundmann über die sich ausbreitende Virusmutation und warum er davon abrät, den Lockdown schnell zu lockern.

Der Infektiologe Hajo Grundmann ist Leiter der Infektionsprävention und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg.

Professor Grundmann, etwa sechs bis zwölf Prozent aller Neuinfektionen sollen bereits auf Virusmutanten wie B117 zurückzuführen sein. Wann wird die ansteckendere Mutante die dominierende in Deutschland sein?
Bis Anfang April werden die neuen Stämme die vorherigen alle verdrängt haben, also wie in Großbritannien in etwa 100 Tagen. Und das ist unabhängig davon, dass die Zahl der Neuinfektionen absinkt. Das ist zwar erfreulich und wird auch so weiter gehen, wenn wir weiter im Lockdown bleiben. Dennoch gilt: Varianten mit einer erhöhten relativen Fitness werden sich mit biologischer Notwendigkeit durchsetzen. Das ist Evolution.

Wie gefährlich ist das?
Es kann sein, dass die Variante nicht nur ansteckender ist, sondern auch schwerere Verläufe verursacht. Das wird von Forschern der London School of Hygiene in einer Studie vermutet. Sie können aber nicht ausschließen, dass die erhöhte Sterblichkeit, die mit B117-Infektionen einhergeht, nur daher rührt, dass sich das Virus besser verbreitet und damit auch eher in Risikogruppen, etwa ältere Menschen, eindringen kann.

Was können wir dagegen tun?
Es besteht durchaus Grund zum Optimismus, dass wir B117 kontrollieren können, denn in Großbritannien gehen die Fallzahlen trotz der Dominanz dieser Virusvariante zurück. Aufgrund der dortigen Lockdown-Maßnahmen.

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Eigentlich mutiert Sars-CoV-2 doch eher langsam, aber B117 und B1351 haben sehr schnell Dutzende von Mutationen angehäuft. Wie ist das möglich?
Molekularbiologisch ist alles möglich. Wir haben es mit einem Virus zu tun, das sich den Luxus leistet, nach dem Kopiervorgang des Viruserbguts noch einmal mit einem speziellen Enzym zu überprüfen, ob es Abschreibfehler in der Kopie gibt. Wenn dieses Korrektur-Enzym defekt ist, dann können rasch Viren mit sehr vielen Mutationen entstehen. Aber natürlich entstehen dann auch sehr viele defekte Viren, die nicht überleben können.

Wenn es aber beispielsweise – und jetzt spekuliere ich – dazu kommt, dass ein solches stark mutiertes, defektes Viruserbgut neu kombiniert wird mit dem Erbgut eines intakten Virus und so wieder ein funktionierendes Korrektur-Enzym bekommt, dann könnte diese Virusvariante mit all den zuvor entstandenen Mutationen überleben.

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Das würde auch erklären, warum das evolutionäre Uhrwerk, also die Mutationsgeschwindigkeit, bei B117 genauso schnell ist wie beim ursprünglichen Sars-CoV-2. Aber vielleicht sind die Varianten auch ganz anders und an anderen Orten entstanden. Wir wissen ja nichts über die Viren im Mittleren Osten, Südasien, Afrika und so weiter. Dass es in England auftauchte, könnte auch daran liegen, dass London eines der größten Tore nach Europa ist.

Wie sehen Sie der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch entgegen, auf der darüber entschieden werden soll, ob nun trotz der sich verbreitenden Virusvarianten Lockerungen möglich sind oder der Lockdown verlängert werden muss?
Wir sind als Infektionsepidemiologen ganz klar auf der konservativen Seite. Wir haben diese Dynamik schon mehrmals erlebt und können vorausahnen, was kommt. Ich bin kein Politiker und die Wirtschaft wird auch ein Mitspracherecht bekommen, denn schließlich betrifft das die Zukunft der ganzen Gesellschaft, aber wenn es nur um die Gesundheit ginge, dann würde man aus Sicht der Infektionsepidemiologie davon abraten, jetzt schnell zu lockern.

Jetzt hilft nichts anderes als Geduld. Und der Wirtschaft nützt es ja auch nichts, wenn man nach ein paar Wochen wieder dicht machen muss. Das Hin und Her wäre vermutlich sogar schlimmer.

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