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Spot an. Die Wespen selber bleiben unter Schwarzlicht schwarz. Doch sie finden Erleuchtung an ihrem Nest – in Asien und anderswo.

© B. Schöllhorn/S. Berthier

Im Dschungel und vor unserer Haustür: Die rätselhafte Festbeleuchtung am Insektenpalast

Ein in Paris arbeitender deutscher Forscher findet in Vietnam grell fluoreszierende Wespennester. Über den Sinn des Leuchtens gibt es nur Spekulationen.

Wenn man sich Bernd Schöllhorns Job-Beschreibung ansieht, erwartet man alles Mögliche, aber nicht, dass er beruflich nachts die Dschungel Südasiens durchstreift. Schöllhorn ist Professor für Elektrochemie in Paris.

Er interessiert sich aber eben auch für Insekten – und die Chemie, die in ihnen vor sich geht.

In jenem Wald im Norden Vietnams suchte er nach Tieren, die Licht abstrahlen können. Dafür war er mit einer Taschenlampe unterwegs – einer besonderen, die ultraviolettes Licht erzeugt. Irgendwann leuchtete ihn etwas an, und das ziemlich hell. Was er zunächst für die Taschenlampe eines anderen Menschen hielt und bis zu 20 Meter weit sichtbar war, war allerdings ein Wespennest.

Lampe an

Am Tage sind die Behausungen dieser sozialen Insekten für das menschliche Auge unscheinbare, weißlichgraue kleine Klumpen. Im Dunkeln sind sie gar nicht zu sehen. Die nächtliche Entdeckung hat nachts wahrscheinlich auch keinerlei Bedeutung. Aber vielleicht am Tage. Denn dann kann das natürliche UV-Licht der Sonne auf die Nester fallen. In dem seidenartigen Material passiert dann genau das, was den Professor, der in Berlin einst Chemie studierte, seit ein paar Jahren besonders interessiert: Fluoreszenz. Die vergleichsweise energiereichen UV-Strahlen regen Biomoleküle an, die Energie wird umgewandelt und weiter transportiert und dann wieder als etwas energieärmere Lichtenergie abgegeben.

Damit dieses Leuchten einen Sinn haben kann, müsste es auch sichtbar sein. Das menschliche Auge aber hat diese Fähigkeit bei natürlicher Fluoreszenz meistens nicht – außer, wenn es rundherum dunkel ist und ultraviolette Strahlung per Lampe auf das Material trifft. Bei speziellen Produkten ist das schon anders, etwa den optischen Aufhellern in Waschmitteln, die Klamotten „weißer als weiß“ erstrahlen lassen sollen. Sie reflektieren tatsächlich nicht nur Licht wie gewöhnlich, sondern strahlen es selbst ab.

Lampe im Urwald. Die allerdings ist in der Hand des Forschers. Was hier leuchtet, ist das von ihr mit UV angestrahlte Nest von Polistes brunetus.
Lampe im Urwald. Die allerdings ist in der Hand des Forschers. Was hier leuchtet, ist das von ihr mit UV angestrahlte Nest von Polistes brunetus.

© S. Berthier, B.Schöllhorn

Wespen dagegen dürften in der Lage sein, das Leuchten der Nester zu sehen. Sie hätten „sensible Rezeptoren unter anderem für Grün und UV“, sagte Schöllhorn dem Tagesspiegel. „Durch UV angeregte grüne Fluoreszenz müsste von Wespen also durchaus wahrgenommen werden.“ Vielleicht helfen solche Leuchtsignale den sozialen Insekten, nach Hause zu ihrer Kolonie zu finden. Auch, dass andere Tiere ähnlich wie bei der Warnfarbe giftiger oder schwer bewaffneter Spezies schlicht ein Signal bekommen, Abstand zu halten, ist denkbar.

Schöllhorn und seine Kolleginnen und Kollegen haben sich zusätzlich auch Nester anderer Arten – auch aus Europa und Südamerika – angesehen. Alle fluoreszierten. In Vietnam gaben sie grünes Licht ab. Die Brutzellen von Spezies anderer Erdteile leuchteten dagegen bläulich.

Brutschrank? Oder Klimaanlage? Oder...

Die bislang untersuchten Nester unterschiedlicher Spezies strahlen mit leicht unterschiedlichen Frequenzen. Und es kann leichte Unterschiede sogar innerhalb einer Art geben. All das könnte den Wespen helfen, das eigene Zuhause von dem der Nachbarn zu unterscheiden – wo sie nicht hinwollen und auch nicht willkommen sind.

Nicht so naheliegend auf den ersten Blick, aber auch sehr plausibel ist ein ganz anderer Mechanismus, der mit den Larven zu tun hätte: Da nur die Kappen und Ränder der Brutzellen, in denen diese ihre Metamorphose zum erwachsenen Insekt durchmachen, Licht abstrahlen, könnte das Leuchten schlicht ein Strahlen- und Hitzeschutz für den Nachwuchs sein. Denn Biomoleküle und vor allem Erbmaterial schädigendes UV-Licht wird von den Larven abgehalten.

Oder Lichtmaschine?

Das wäre gerade in dieser Phase, in der sich viele Zellteilungen ereignen und Biomoleküle besonders strahlungsanfällig sind, vorteilhaft. Gleichzeitig ermöglicht das Abstrahlen von Licht auch, dass Energie wieder abgegeben werden kann. Würden die Strahlen nur absorbiert, bliebe die Energie im Nest.

Sie würde in Wärme umgewandelt und könnte die Brut vielleicht überhitzen.

Selbst im Dämmerlicht - und mit etwas geöffneter Kamerablende - wird das Leuchten deutlich sichtbar.
Selbst im Dämmerlicht - und mit etwas geöffneter Kamerablende - wird das Leuchten deutlich sichtbar.

© S. Berthier / B. Schöllhorn

Doch auch ganz andersherum gibt es eine Hypothese: Weil Insektenlarven für ihre Entwicklung auch sichtbares Licht brauchen, spielen vielleicht nicht die nach außen abgegebenen Strahlen, sondern die in Richtung des Nachwuchses gehenden eine Rolle. Gestreute UV-A-Strahlen jedenfalls kommen im schattigen Wald und speziell in der Regenzeit deutlich besser durch das Blätterwerk als sichtbares Licht.

Sinn und Sinnlosigkeit - und Sinnfragen

Oder, so sagte es die Insektenexpertin Liz Tibbets von der University of Michigan gegenüber dem Magazin „The Atlantic“: Das Ganze habe vielleicht überhaupt keinen Sinn und sei „nur ein Nebenprodukt des Herstellungsprozesses“. Das kommt vor. Beton etwa reflektiert eben Frequenzen, die ihn grau erscheinen lassen, ohne dass das für die Spezies Mensch, die ihn herstellt, besonders nützlich wäre.

Die Antwort auf die Frage, ob und wenn ja welche Funktion das Leuchten wirklich hat, wird aber sicher nicht leicht zu finden sein. Jede Menge verhaltensbiologischer, physiologischer und biophysikalischer Experimente wären nötig. Auch bei Bananen, die ebenfalls fluoreszieren – je reifer, desto intensiver – sind Forscher bislang die Antwort auf die Sinnfrage schuldig.

Die Studie der Forscherinnen und Forscher der Université de Paris, der Sorbonne und der Vietnam Academy of Science and Technology ist im Fachmagazin „Journal oft the Royal Society Interface“ erschienen. Am Ende des Textes schreibt das Team fast schon enthusiastisch über die Möglichkeiten, die Taschenlampen mit UV-LED-Birne „im nächsten Jahrzehnt für die Erforschung neuer und interessanter leuchtender Biomaterialien“ in der Natur spielen könnten. Ergebnis könnten innovative, vielseitig anwendbare „bio-inspirierte“ Substanzen sein.

Leuchter im eigenen Garten?

Wer also eine UV-Lampe mit Batterie oder langem Kabel hat, kann jetzt gegen Ende der Wespensaison die kleinen, oft wie eine Lampe mit vielen Minibirnen aussehenden Nester einheimischer Arten auf dem Balkon, im Gewächshaus oder im Garten selbst einer Bestrahlung unterziehen. Vielleicht leuchten die kleinen Lampen dann ja zurück und man ist der erste Mensch, der bei einer Spezies diese Beobachtung macht.

Zwar geben die bisher in Europa untersuchten Nester deutlich weniger Licht ab als die in Vietnam. Doch derartige Bürgerforschung, sagt Schöllhorn, „könnte spannend werden“. Zusätzlich zu käuflichen UV-Taschenlampen sei aber eine UV-Schutzbrille nötig. Und: „Man muss vorsichtig vorgehen, weil allergische Schocks durch Wespenstiche sehr gefährlich sein können.“

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