zum Hauptinhalt
Die Funktion der Ovarien wird von vielen Faktoren beeinflusst, von der Genetik über den Lebensstil bis hin zu Umweltchemikalien.

© Abb.: Eric Young, Washington University in St. LOuis

Hormone und Verhalten: Öfter Sex, spätere Wechseljahre?

Eine Studie scheint zu belegen, dass Frauen, die regelmäßig Verkehr haben, später in die Menopause kommen als weniger sexuell aktive Altersgenossinen.

Regelmäßiger Sex soll bei Frauen einer Studie zufolge mit einem späteren Beginn der Menopause einhergehen. Das gelte nicht nur für Geschlechtsverkehr, sondern generell für sexuelle Aktivitäten wie etwa Oralsex, Schmusen und Selbstbefriedigung, schreiben Megan Arnot und Ruth Mace vom University College London im Fachblatt «Royal Society Open Science».

Zwei deutsche Expertinnen zweifeln an dieser Interpretation. Sie gehen von einem anderen Zusammenhang aus.

Als Menopause gilt die letzte Menstruation im Leben einer Frau, ohne Einfluss etwa durch die Einnahme von Hormonen. Sie setzt bei Frauen durchschnittlich im Alter von 51 bis 52 Jahren ein - mitunter aber auch deutlich früher.

Genetische Faktoren

Verantwortlich für den Zeitpunkt seien vor allem genetische Faktoren, aber auch andere Einflüsse wie etwa Rauchen, sagt die Hamburger Gynäkologin Anneliese Schwenkhagen, Expertin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und Vorstandsmitglied der Deutschen Menopause Gesellschaft.

Um einen Einfluss sexueller Aktivitäten auf die Menopause zu prüfen, werteten die Anthropologinnen Arnot und Mace eine Sammelstudie aus den USA aus. Darin machten knapp 3000 Frauen, die anfangs zwischen 42 und 52 Jahre alt waren, Angaben zu ihrem Leben und ihrer Gesundheit - einschließlich Familienstand und Häufigkeit verschiedener sexueller Handlungen. In den folgenden zehn Jahren wurde die Befragung jährlich wiederholt.

Im Studienzeitraum erreichte knapp die Hälfte der Frauen (45 Prozent) die Menopause, im Alter von durchschnittlich 52 Jahren. Der Auswertung zufolge setzte in den zehn Jahren die Menopause bei jenen Teilnehmerinnen, die mindestens einmal pro Woche Sex hatten, mit einer um 28 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit ein als bei gleichaltrigen Frauen, die seltener als einmal monatlich sexuell aktiv waren. Bei jenen Teilnehmerinnen, die zwischen einmal wöchentlich und einmal monatlich Sex hatten, war die Wahrscheinlichkeit um 19 Prozent geringer.

"Sinnloser" Eisprung?

«Die Resultate unserer Studie deuten darauf hin, dass bei einer Frau, die keinen Sex hat und daher auch nicht schwanger werden kann, der Körper nicht mehr in den Eisprung investiert, was auch keinen Sinn mehr hätte», erläutert Arnot in einer Mitteilung ihrer Universität. Das passe zur sogenannten Großmutter-Hypothese, derzufolge die Menopause im Lauf der Evolution entstand, damit ältere Frauen sich mehr um ihre Enkel kümmern können.

Ob die Teilnehmerinnen verheiratet waren mit einem Mann zusammenlebten, spielte für den Beginn der Menopause keine Rolle. «Die Menopause ist für Frauen unvermeidlich, und keine Verhaltensmaßnahme wird das Ende der Fortpflanzungsfähigkeit verhindern», sagt Mace. «Dennoch liefern diese Resultate einen Anfangshinweis, dass der Zeitpunkt der Menopause eine Anpassung an die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft sein kann.»

Allerdings räumen die Autorinnen ein, dass die Beziehung zwischen Sex und Menopause komplexer sein könne: «Es gibt möglicherweise eine gegenseitige Beziehung zwischen der körperlichen Verfassung einer Frau, die sich der Menopause nähert, und ihrem sexuellen Engagement.» So könne ein abnehmender Östrogenspiegel etwa zu einer trockenen Scheide führen, was Sex unangenehmer mache. Allerdings hätten sie sowohl die Östrogenwerte berücksichtigt als auch die von den Frauen angegebene Einschätzung ihrer Gesundheit, betonen die Forscherinnen.

Diesen Punkt bewertet die Hamburger Expertin Schwenkhagen skeptisch. Eine einmalige Messung der Östrogenwerte sei überhaupt nicht aussagekräftig. «Der Übergang zur Menopause ist mit sehr starken Hormonschwankungen verbunden», betont die DGGG-Expertin. Generell hänge der Beginn der Menopause von der Zahl und Qualität der verbliebenen Eizellen ab. «Dass die Sexualität ganz am Ende der langen Reproduktionsphase so einen starken Effekt haben soll, scheint mir sehr unwahrscheinlich», sagt Schwenkhagen.

Weibliche Sexualität "komplex"

Dass einzelne Östrogenwerte keine Aussagekraft haben, betont auch die Endokrinologin Cornelia Jaursch-Hancke von der DKD Helios Klinik Wiesbaden. Generell sei die Sexualität von Frauen viel zu komplex für solche einfachen Assoziationen. Befremdet zeigt sich die Hormonexpertin, die zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) gehört, auch darüber, dass in der Studie verschiedene Formen der Sexualität nicht differenziert betrachtet wurden.

Auch Schwenkhagen bemängelt, bei der Auswertung der Ergebnisse sei nicht zwischen Selbstbefriedigung und partnerschaftlichem Sex differenziert worden. Abschließend kritisiert die Gynäkologin, die beiden Autorinnen hätten keine biologische Erklärung benannt, wie die Sexualität den Beginn der Menopause beeinflussen könnte.

Umgekehrt sei dagegen gut vorstellbar, dass das Herannahen der Menopause mit den damit verbundenen hormonellen Schwankungen und Phasen des Östrogenmangels Einfluss auf die Sexualität haben könne, glaubt Schwenkhagen. Die Endokrinologin Jaursch-Hancke stimmt zu: «Eine geringere sexuelle Aktivität ist die Folge der einsetzenden Menopause mit Libidoverlust und Vaginalbeschwerden.» (Walter Willems, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false