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Andrangs aufs Medizinstudium. Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, glaubt nicht, dass mehr Studienplätze nötig sind. Schließlich gebe es keinen Ärztemangel, sondern einen Versorgungsmangel auf dem Land.

© Waltraud Grubitzsch/ dpa

Hochschulfinanzierung: „Der Bedarf an Neubau und Sanierung ist wahnsinnig groß“

Investitionsstau: Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, fordert ein großes gemeinsames Infrastrukturprogramm von Bund und Ländern für den Hochschulbau

Herr Hippler, können sich die Hochschulen über den Koalitionsvertrag freuen?

Aus dem Vertrag spricht ein klares Bekenntnis zu den Hochschulen. Man muss nun aber schauen, wie er umgesetzt wird.

Der Bund soll Studienplätze fortan dauerhaft finanzieren. Werden die Hochschulen neue schwierige Anforderungen erfüllen müssen, um das Geld zu bekommen?

Das kann ich mir nicht vorstellen, das wäre auch unklug. Die Hochschulen haben ja bislang die Ziele erfüllt, die der Hochschulpakt gesetzt hat. Sie haben ein Drittel mehr Studierende aufgenommen. Und sie haben ihre Aufgabe in der Betreuung trotz der schwierigen Bedingungen gut gemacht – es gibt kaum Hochschulabsolventen, die keine Arbeit finden.

Was ändert sich durch die dauerhafte Bundesfinanzierung für die Hochschulen? Gibt es bald mehr Professuren?

Das muss nicht unbedingt überall zu mehr Professuren führen. Die Hochschulen sind da auch nicht völlig frei; in manchen Bundesländern müssten dafür erst Planstellen im Haushalt geschaffen werden. Man wird fortan aber jedenfalls mehr Personal im Mittelbau langfristig beschäftigen können. Das ist für die Planung gut und kann auch die Qualität der Lehre verbessern.

Sie haben immer die wachsende Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln kritisiert. Ändert sich das, wenn der Bund jetzt in die Grundfinanzierung einsteigt?

Die Verstetigung der Hochschulpaktmittel stellt einen relativ kleinen Schritt dar im Vergleich zu dem Grundproblem. An dem ändert sich nichts. Den Hochschulen fehlen enorme Mittel für Bau, Sanierung, Digitalisierung. Ein Teil des Problems ist, dass die Hochschulen einen Großteil der Nebenkosten für eingeworbene Forschungsprojekte aus ihren Grundmitteln aufbringen müssen. Der Bund müsste die Nebenkosten für die Forschung voll ausfinanzieren, also etwa 40 Prozent der Projektmittel zusätzlich als Overhead zuschießen. Es soll aber zunächst bei 22 Prozent bleiben.

Wie lässt sich verhindern, dass die Länder ihre Zuschüsse für die Hochschulen nicht an anderer Stelle abschmelzen?

Das müssen der Bund und die Länder vertraglich regeln. Abschmelzungen würden jedenfalls angesichts der Unterfinanzierung zu einem Aufschrei führen. Schon die in vielen Ländern herrschende Stagnation der Budgets der Hochschulen ist ja wegen der Kostensteigerungen faktisch eine Kürzung. Was beim Bafög passiert ist, darf sich nicht wiederholen. Als der Bund die Mittel dafür vollständig übernommen hat, haben mehrere Länder die Entlastung anderweitig genutzt, anstatt sie wie vorgesehen in die Hochschulen zu investieren.

Auch der Qualitätspakt Lehre soll auf Dauer gestellt werden, als Wettbewerb. Halten Sie einen solchen ständigen Wettbewerb auf dem Feld der Lehre für sinnvoll?

Ich bin skeptisch was eine Dauereinrichtung angeht. Natürlich kann man Good-Practice-Beispiele für die Lehre darstellen und fördern. Aber was das Hochschulsystem braucht, sind nicht immer neue Wettbewerbe. Und es gibt auch ein gewisses wohlfeiles Gejammer über die Qualität der Lehre von Leuten, die sehr lange keine Hochschule mehr von innen gesehen haben. Es hat sich wahnsinnig viel zum Positiven verändert. Natürlich leiden die Hochschulen dennoch unter dem Massenbetrieb.

An Studienplätzen in der Medizin besteht seit Jahren ein Mangel. Die Koalitionäre haben sich aber nicht dazu durchgerungen, neue zu finanzieren. Wie geht es nun weiter?

Das Problem besteht nicht so sehr in einem Mangel an Ärzten – oder Studienplätzen –, sondern in der Verteilung der Ärzte. Wir haben ein Versorgungsproblem auf dem Land. Daran würden 1000 neue Studienplätze in der Medizin nichts ändern. Auch am Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage würde sich kaum etwas ändern. Auf 10.000 Plätze kommen aktuell 50.000 Bewerber.

Die HRK kritisiert seit langem, dass die außeruniversitären Einrichtungen finanziell gegenüber den Hochschulen privilegiert werden. Könnte sich das mit dem Koalitionsvertrag ändern?

Das sehe ich nicht. Denn den Außeruniversitären wird nun einmal regelmäßiges finanzielles Wachstum garantiert, den Hochschulen aber nicht. So wird die Schere zwischen Außeruniversitären und Hochschulen weiter auseinandergehen. Bund und Länder müssten sich darauf einigen, auch die Grundfinanzierung der Hochschulen zu dynamisieren. Das würde im internationalen Wettbewerb sehr helfen.

Die HRK beziffert den Investitionsstau im Hochschulbau auf etwa 30 bis 50 Milliarden Euro. Aber mit der Föderalismusreform ist der Bund im Wesentlichen aus dem Hochschulbau ausgestiegen. Von 2019 an versiegen auch die Entflechtungsmittel, die er für den Hochschulbau noch an die Länder gezahlt hat. Was muss geschehen, um den Investitionsstau aufzulösen?

Der Bedarf an Neubau und Sanierung ist an den Hochschulen wahnsinnig groß. Bund und Länder könnten ein gemeinsames Programm für die Infrastruktur auflegen. Das Geld ist angesichts der brummenden Konjunktur da. Und jeder Euro, der in solche Investitionen fließt, kommt mit dem Faktor zwei oder drei zurück. Gerade die Wirtschaft in strukturschwachen Regionen würde durch solche Investitionen angekurbelt. Allerdings sind die Effekte nicht immer schon zur nächsten Wahl zu sehen, wie die Politiker sich das wünschen.

Die Koalitionäre wollen prüfen, ob der Bund „exzellente Institute an Hochschulen“ mitfördern kann. Befürchten Sie, dass innerhalb der geförderten Hochschulen eine Zweiklassengesellschaft entstehen könnte?

Es gibt immer solche Unterschiede zwischen Instituten, an jeder Hochschule. Manche sind erfolgreicher als andere. Entscheidend wäre, dass die vom Bund geförderten Institute auch wirklich an den Hochschulen bleiben und nicht herausgelöst werden.

Die HRK hofft auf „sozial verträgliche Studiengebühren“, besonders angesichts der bevorstehenden Schuldenbremse. Wie stehen die Chancen dafür?

Ich spreche nicht von Studiengebühren, sondern von Studienbeiträgen, denn natürlich sollen die Studierenden nicht die wirklichen Kosten tragen, die ja sehr hoch sind. Es müsste sich um Beiträge handeln, die erst nach dem Ende des Studiums zurückgezahlt werden müssen, wenn die Absolventen bereits ein entsprechendes Einkommen haben. Auch müsste die Höhe so festgelegt sein, dass man die Beiträge ohne größere Schwierigkeiten zurückzahlen kann. Die 500 Euro im Semester, die es in einigen Bundesländern gab, hatten jedenfalls keine abschreckende Wirkung. Trotzdem wurden sie abgeschafft, weil die Parteien Angst hatten, die Wahlen zu verlieren. Bis jetzt sind Beiträge in Deutschland darum nicht wieder ein Thema.

Was würde es für die Hochschulen bedeuten, wenn die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag nicht zustimmt?

Das wäre für die Hochschulen und für junge Leute bedauerlich. Käme es dann zu einer Minderheitsregierung, wüsste man nicht, was davon überhaupt umgesetzt wird. Und nach Neuwahlen wäre völlig unklar, welche Koalitionen überhaupt möglich sind. - Die Fragen stellte Anja Kühne

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