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Platz im Hörsaal. Fast 40 Milliarden Euro haben Bund und Länder für den Hochschulpakt ausgegeben. Bald läuft er aus. Die Union will die Mittel fortan daran binden, dass die Hochschulen ihre Studiengänge stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichten.

© imago/Sven Ellger

Hochschulen nach der Bundestagswahl: „Ein ,Weiter so’ sollte es nicht geben“

Der Unionspolitiker Michael Kretschmer erklärt, was sich bei den Hochschulfinanzen ändern soll.

Herr Kretschmer, manche befürchten, der Bund könne seine Ausgaben für die Wissenschaft in der nächsten Legislaturperiode herunterfahren, etwa, um mehr für die Bundeswehr ausgeben zu können. Sind solche Sorgen berechtigt?

Nein, ich sehe in den Wahlprogrammen aller Parteien, dass sie bei der Wissenschaft einen Schwerpunkt setzen. Unser Wirtschaftswachstum und die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt hängen nicht zuletzt mit unserer starken Wissenschaft zusammen, und das wissen alle.

Wo sehen Sie nach der Bundestagswahl im Hochschulwesen die größten Baustellen?

Wir brauchen eine Weichenstellung, wie es mit dem Hochschulpakt weitergeht. . .

. . . mit dem seit 2007 für fast 40 Milliarden Euro über 780 000 zusätzliche Studienplätze finanziert wurden. Er läuft 2020 aus.

Ja. Das Geld sollte im System bleiben. Schließlich bleiben die Studierendenzahlen ja dauerhaft hoch. Aber ein einfaches „Weiter so“ sollte es nicht geben. Wir müssen die Mittel dazu nutzen, an den Hochschulen die Weichen so zu stellen, dass die Absolventen auch wirklich gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Die Hochschulen müssen sich also fragen: Was brauchen die Absolventen wirklich, was gehört zum Kern eines BWL-Studiums? Oder was braucht ein Kommunikationswissenschaftler für einen erfolgreichen Berufseinstieg?

Sie klingen so, als würden die Hochschulen am Bedarf des Arbeitsmarkts vorbei ausbilden. Dabei ist die Akademikerarbeitslosigkeit doch sehr niedrig?

Das stimmt, im Moment sind die Chancen für Absolventen so gut wie nie. Wir dürfen uns aber nicht zufrieden zurücklehnen. Wir müssen uns jetzt so aufstellen, dass die Absolventen auch noch ebenso gute Berufsaussichten haben, wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt sich ändert. Es kommt also darauf an, die Mittel aus dem Hochschulpakt fortan nicht mehr ausschließlich an die Studienanfängerzahlen zu koppeln, sondern an die Qualität.

Was meinen Sie damit?

Die Stärke des deutschen Systems ist die duale Ausbildung – trotzdem wollen sehr viele studieren. Wir müssen also mit den Hochschulen darüber sprechen, wie wir das Studium so gestalten können, dass es enger mit der Berufswelt verzahnt wird. Da gibt es viele Möglichkeiten, von Praktika über Kooperationen der beruflichen mit der akademischen Welt, auch von Fachhochschulen mit Berufsschulen. Es geht darum, gemeinsam mit den Hochschulen, den Kammern und den Betrieben eine „Höhere Berufliche Bildung“ anzubieten. Ich finde auch, dass wir kritisch diskutieren müssen, ob wir wirklich 18 000 unterschiedliche Studiengänge brauchen. Da findet sich doch niemand mehr zurecht.

Die Hochschulen sollen also ihre Tausenden von Studiengängen überarbeiten, um in den Genuss der Mittel aus dem Hochschulpakt zu kommen?

Ja, die Hochschulen sollen ihre Studiengänge überprüfen und darüber nachdenken, ob sie auch wirklich die Fähigkeiten vermitteln, die gebraucht werden. Ich bin froh, dass auch der Wissenschaftsrat gerade an diesem Thema arbeitet.

Es ist zu hören, die Union plane ein neues Akkreditierungssiegel. Darum sollen sich die Hochschulen dann bewerben können, um Geld aus dem Nachfolgeprogramm des Hochschulpakts zu bekommen.

Es ist noch nicht alles ausformuliert. Wir stehen ja erst am Beginn einer Diskussion. Das sind jedenfalls die Fragen, die wir mit der Wissenschaft besprechen müssen.

Viele Mitarbeiter an Hochschulen sind nur befristet beschäftigt, das ist für die Qualität der Lehre nicht immer gut. Die SPD schlägt vor, dass der Bund darum dauerhaft und im großen Stil in die Finanzierung der Lehre einsteigt und jährlich 3,3 Milliarden Euro an die Hochschulen verteilt. Würde das den Hochschulen nicht am meisten helfen?

Dann wäre alles wie beim bisherigen Hochschulpakt. Es geht aber gerade darum, strategische Veränderungen anzustoßen. Ich bin auch sehr dafür, mehr Dauerstellen an Hochschulen zu schaffen, dort, wo es vernünftig ist. Das ist aber die ureigene Aufgabe der Länder, nicht die des Bundes.

Aber die Länder stehen vor der Schuldenbremse.

Ich bitte Sie, wir haben gerade einen Länderfinanzausgleich beschlossen, der den Ländern zehn Milliarden Euro zusätzlich gewährt.

Zwischen den außeruniversitären Einrichtungen und den Hochschulen gibt es seit vielen Jahren eine finanzielle Schieflage. Die Grundfinanzierung der Außeruniversitären wächst weit schneller als die der Hochschulen. Ist das nicht problematisch?

Was soll denn daran problematisch sein? Der Bund hat in der Wissenschaft Prioritäten gesetzt, auch, indem er die zusätzlichen drei Prozent für die außeruniversitären Einrichtungen in dieser Phase des Pakts für Forschung und Innovation allein übernommen hat. Die Länder haben nun die Aufgabe, ihrerseits den Hochschulen eine entsprechende Erhöhung ihrer Finanzierung zu gewähren. Das machen manche Länder, andere nicht. Wissenschaftspolitik geht aber nur gemeinsam.

Gerade hat der Bundesrechnungshof kritisiert, die Außeruniversitären könnten das viele Geld gar nicht ausgeben, sie seien „überfinanziert“. Wird die Union ihren Plan, den Außeruniversitären von 2020 an sogar wieder einen Aufwuchs von fünf Prozent zu geben, nun überdenken?

Nein, wir brauchen verlässliche Aufwüchse über den Inflationsausgleich hinaus. Weil wir auch in der Finanzkrise substantiell in Forschung und Entwicklung investiert haben, zieht es die besten Forscherinnen und Forscher aus aller Welt nach Deutschland. Die Außeruniversitären müssen ja auch immer neue Aufgaben erfüllen, etwa in der Wissenschaftskommunikation. Hier geht es darum, der Bevölkerung Ängste zu nehmen und sie für den technischen Fortschritt zu gewinnen. Wir müssen in Deutschland wieder zu mehr Innovationsoffenheit gelangen, um unseren zukünftigen Wohlstand zu sichern.

Berlins früherer Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner hat vorgeschlagen, der Bund solle die Länder verpflichten, ihre Grundfinanzierung der Hochschulen regelmäßig zu erhöhen, etwas, indem sie ihn an die finanziellen Aufwüchse der Außeruniversitären binden. Was halten Sie davon?

Das ist eine erfreuliche Debatte, und es ist schön, wenn jemand mit so einer großen wissenschaftspolitischen Reputation wie Jürgen Zöllner die Länder auffordert, hier mitzuziehen.

Zöllner schlägt auch vor, ein Drittel der Studienplätze von den Universitäten an die Fachhochschulen zu verlagern. Ist das eine gute Idee?

Auch das wäre eine zielführende Debatte, wenn wir sie ohne Ängste und Reflexe führen könnten. Ziel einer solchen Maßnahme wäre es, sowohl an den Universitäten als auch an den Fachhochschulen das Betreuungsverhältnis von Lehrpersonal und Studierenden zu verbessern. Soll heißen: die Erhöhung der Studierendenzahl an den Fachhochschulen muss mit einer verbesserten finanziellen und personellen Ausstattung einhergehen. Gleichzeitig muss den Universitäten ihre Finanzausstattung garantiert werden, auch wenn ihre Studierendenzahl geringer wird.

Baden-Württemberg führt zum Wintersemester wieder Studiengebühren ein. Nicht-EU-Ausländer sollen 1500 Euro und Studierende im Zweitstudium 650 Euro pro Semester zahlen. Auch Nordrhein-Westfalen plant Gebühren für Nicht-EU-Ausländer. Finden Sie das richtig?

Ja, das sind doch Summen, die im internationalen Vergleich gering sind. Und die Hochschulen bekommen zusätzliche Einnahmen.

Die Hochschulrektorenkonferenz plädiert sogar dafür, generell wieder Studiengebühren einzuführen. Sind Sie auch dafür?

Die Diskussion haben wir ja geführt, und entsprechende Wahlentscheidungen sind getroffen. Außerdem haben wir im Moment auch ohne Gebühren ausreichend Ressourcen, um das System finanziell stabil zu halten. Jetzt ist also nicht die Zeit für eine neue Debatte um allgemeine Studiengebühren.

Die Fragen stellte Anja Kühne. - Michael Kretschmer (42) ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Bildung, Forschung, Kunst, Kultur und Medien.

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