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Ins Rampenlicht. Hidden Champions sind zwar auch unter dem Radar erfolgreich, doch bei der Suche nach qualifiziertem Nachwuchs haben viele Probleme.

© Illustration: Imago/Ikon Images

Hidden Champions Institute: Wissen für versteckte Weltmarktführer

Ein neues Institut an der ESMT Berlin will Hidden Champions weiterbilden und vernetzen – und mehr über sie erfahren. Heute wird es eröffnet. Ein Gespräch mit den Direktoren.

Frau Rau, Herr Habel, was sind eigentlich Hidden Champions?
HABEL: Auf den Punkt gebracht sind Hidden Champions sehr erfolgreiche Unternehmen, die auf dem Weltmarkt zu den Top drei gehören beziehungsweise auf ihrem Kontinent Marktführer sind – die aber trotzdem kaum jemand kennt. Das liegt vor allem daran, dass Endverbraucher mit ihren Produkten selten in Berührung kommen. Nehmen Sie zum Beispiel Herrenknecht, den Weltmarktführer für Tunnelbohrmaschinen.

Die stehen nicht im Baumarkt.
HABEL: Genau, und so gibt es viele Beispiele. Auch Utsch kennen vermutlich die wenigsten: Das Unternehmen stellt als Weltmarktführer KfZ-Kennzeichen her. Die meisten Hidden Champions sind im B2B-Geschäft.

Warum widmen Sie diesen Unternehmen ein eigenes Institut?
RAU: Hidden Champions sind ein wichtiges Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Doch obwohl sie sich teils stark von anderen Unternehmen derselben Größe unterscheiden, werden sie bisher kaum erforscht. Somit gibt es auch noch keine maßgeschneiderten Weiterbildungsangebote für sie. Das wird das Hidden Champions Institute ändern.
HABEL: Wir wollen Wissen für und über Hidden Champions generieren und zugänglich machen. Was macht diese Unternehmen so erfolgreich? Warum wird der eine Mittelständler Weltmarktführer, der andere nicht? Daneben werden wir erforschen, wie Hidden Champions ihre aktuellen Herausforderungen meistern können. Sie sind sehr international und haben oft ein starkes Wachstum hinter sich – wie können sie vor diesem Hintergrund ihre Organisationskultur und Innovationskraft bewahren? Wie können sie den nächsten Schritt bei der Digitalisierung meistern? Und welche Antwort finden sie auf immer stärker werdenden Wettbewerb, insbesondere aus China?
RAU: Diese Forschung soll aber nicht im luftleeren Raum stehen. Wir wollen Weiterbildung für Hidden Champions und andere Interessierte anbieten. Das werden zum einen offene Formate sein, zum anderen maßgeschneiderte Programme für individuelle Unternehmen.
HABEL: Der dritte Bereich ist die Vernetzung. Wir wollen Hidden Champions eine Plattform bieten, auf der sich CEOs, Senior Manager, Wissenschaftler und Politiker treffen, austauschen und voneinander lernen können. Wir planen etwa eine jährliche CEO-Konferenz.

Sabine Rau ist Gründungsdirektorin des Hidden Champions Institute (HCI) an der ESMT Berlin.
Sabine Rau ist Gründungsdirektorin des Hidden Champions Institute (HCI) an der ESMT Berlin.

© Privat

Gibt es nicht schon genug Gelegenheit zum Netzwerken in den diversen Mittelstandsverbänden?
HABEL: Viele Mittelständler sind nur in Deutschland oder nur in einer bestimmten Region aktiv. CEOs von Weltmarktführern stehen teilweise vor ganz anderen Herausforderungen.
RAU: Netzwerke helfen zu lernen. Hidden Champions haben häufig deshalb einen Wettbewerbsvorteil, weil sie gemeinsam mit ihren Kunden die Entwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen vorantreiben. Dabei hilft der Austausch in internationalen Netzwerken.

80 Prozent der Hidden Champions sind Familienunternehmen. Vor welchen besonderen Herausforderung stehen sie?
RAU: Einerseits vor den gleichen Herausforderungen wie alle Unternehmen, zum Beispiel dem rasanten Technologiewandel. Doch ihre Möglichkeiten, auf diese Herausforderungen zu reagieren, sind zum Teil eingeschränkt, zum Teil aber auch weiter gefasst als die der Corporates. Familienunternehmen haben eine langfristige Perspektive, sie denken und handeln in Generationen. Daher können sie zum Beispiel Innovationen angehen, die sich nur über mehrere Jahre entwickeln lassen. Andererseits sind schnelle Strategiewechsel ihre Sache nicht. Die Integration der kurzfristigen Notwendigkeiten in die langfristig vielversprechende Strategie ist eine der Hauptherausforderungen für diese Unternehmen.

Sind Hidden Champions eigentlich ein deutsches Phänomen?
HABEL: Nein, es gibt sie auch in den USA, China und anderen Ländern, aber rund die Hälfte dieser versteckten Weltmarktführer kommt aus Deutschland. Ein Erklärungsansatz ist, dass wir bis Ende des 19. Jahrhunderts kein Nationalstaat, sondern eine Ansammlung von Kleinstaaten waren. Wurde da etwas von Hamburg nach München verkauft, war das de facto internationaler Handel. Seither – so diese Theorie – ist Export sozusagen in die DNA deutscher Unternehmen einprogrammiert.
RAU: Deutschland hat eine lange Tradition in technisch anspruchsvollen industriell gefertigten Produkten und damit verbundenen Dienstleistungen. Und es setzt mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen. Während etwa das italienische Arbeitsrecht ab 20 Mitarbeitern restriktiv auf Firmenwachstum einwirkt oder das französische Erbschaftssteuerrecht das Vererben größerer Betriebe erschwert, findet der Mittelstand in Deutschland bessere Rahmenbedingungen.

Johannes Habel ist Associate Professor an der ESMT Berlin und Direktor des HCI.
Johannes Habel ist Associate Professor an der ESMT Berlin und Direktor des HCI.

© Promo/Annette Koroll

Warum streben Hidden Champions überhaupt nach mehr Öffentlichkeit, wenn sie ohnehin schon erfolgreich sind?
HABEL: Der wichtigste Grund: Sie brauchen qualifizierte Arbeitskräfte. Dabei ist das Problem nicht nur, dass ihre Namen den meisten Bewerbern nichts sagen. Viele Hidden Champions sitzen nicht in attraktiven Städten, sondern auf dem Land; sie müssen Kandidaten ordentlich locken. Bekannt zu sein, zahlt sich interessanterweise aber auch gegenüber ihren Geschäftspartnern aus: Wer ein gutes Image hat, kann höhere Preise verlangen.

Wer wird an Ihrem neuen Institut lehren und forschen, wer sind Ihre Partner?
HABEL: Wir sind drei Direktoren; neben Frau Sabine Rau und mir gehört Bianca Schmitz mit ihrem Schwerpunkt Executive Education zum Team. Darüber hinaus haben wir eine Fakultät von derzeit 29 Professoren sowie ein großes Netzwerk von Wissenschaftlern und Praktikern.
RAU: Das Institut finanziert sich über strategische Partner und Förderer. Als erster Partner konnte die internationale Personalberatung Egon Zehnder gewonnen werden. Im Beirat sind namhafte Experten und Unternehmer vertreten, etwa Hermann Simon, der den Begriff „Hidden Champions“ prägte, und der Unternehmer Alexander Knauf, Geschäftsführender Gesellschafter der Knauf Gruppe.

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