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Die Freiräume in Kooperationen mit chinesischen Hochschulen werden immer kleiner, berichten DAAD-Mitarbeiter.

© REUTERS/Aly Song

Heikle Kooperationen mit dem Ausland: Selbstzensur und Bestechung an Unis

Wo die roten Linien bei der Zusammenarbeit mit Hochschulen in Ländern mit kritischer politischer Lage verlaufen. DAAD steht zu „komplizierten“ Auslandsvorhaben.

Kooperationen mit Hochschulen in Ländern mit politisch schwieriger Lage sollten so lange wie möglich beibehalten werden. Das ist die Linie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), wenn es um die Frage geht, wo die Grenzen für solche Kooperationen liegen. DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee betonte unlängst bei einer Diskussion zu dem Thema, dass es dabei keine pauschalen Zuweisungen geben dürfe. Was ein schwieriges oder kompliziertes Land sei, wo die roten Linien verlaufen, müsste immer wieder neu ausgelotet werden.

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Angesichts der globalen Probleme sei ein intensiver wissenschaftlicher Austausch dringend erforderlich. „Nationalistische und autokratische Bestrebungen in vielen Ländern stellen allerdings den multilateralen Ansatz internationaler Beziehungen mehr denn je auf eine Probe“, sagte Mukherjee. Auch unter „komplexen Rahmenbedingungen“ sollte der offene Austausch fortgesetzt und gestärkt werden: „Um tragfähige Bindungen zwischen Ländern zu schaffen, Kommunikationskanäle zu erhalten und liberaldemokratisches Denken weltweit zu fördern“.

Kuverts mit 100-Dollar-Scheinen

Schaut man in die Welt, ist es für Wissenschaftskooperationen nicht einfacher geworden. Ein Bild davon geben die Außenstellen des DAAD. Kritische Kommentare können beispielsweise in Ägypten strafbar sein, in Russland werden wissenschaftliche Kooperationen mit dem Ausland immer stärker kontrolliert und in China schrumpfen die Freiräume ohnehin zunehmend weiter. Das berichten die Leiter:innen der DAAD-Außenstellen. „Wissenschaft kennt keine Grenzen, aber jeder Wissenschaftler habe ein Heimatland“, habe Chinas Staatschef Xi Jinping vieldeutig dazu gesagt, so die Leiterin der DAAD-Außenstelle Peking, Ruth Schimanowski. Dabei stehen die drei Länder nur exemplarisch für viele andere weltweit, in denen es sich ähnlich verhält.

Andreas Zaby, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) beobachtet in China aktuell vor allem eine zunehmende Observation von wissenschaftlichen Kooperationen mit dem Ausland. Was zu einer Selbstzensur führe. Niemand sage mehr, was er wirklich meine und denke. Ganz klar müssten Wissenschaftler:innen sich auch gegen Korruption in betroffenen Ländern abgrenzen.

Zaby berichtet von einem Kongress in China, bei dem für  vortragende Gäste aus dem Ausland Kuverts mit mehreren hundert Dollar auf dem Tisch lagen. Einige hätten das angenommen. „So etwas muss man konsequent zurückweisen“, sagt der HWR-Präsident. „Sonst stellt sich eine schleichende Abhängigkeit ein.“ 

Wo die roten Linien verlaufen

Wann Schluss ist mit der Zusammenarbeit unter kritischen Bedingungen, wollte der Moderator der Diskussion Jan-Martin Wiarda wissen. Bestimmte Punkte spreche man unmittelbar an, wenn sie die eigene Studierenden betreffen, sagte Zaby. Bei einer Kooperation mit China sei versucht worden Propaganda in die Lehrveranstaltungen einzubringen. Das haben man  abgelehnt, die entsprechende Initiative kam dann nicht zustande.

Brücken abzubrechen sollte aber nicht das Mittel der Wahl in solchen Situationen sein – so zumindest die Haltung des Bundesforschungsministeriums (BMBF). Susanne Burger vom EU-Büro des BMBF sagte, dass das Thema Wissenschaftsfreiheit – nach innen und außen – bei einer Kooperation ganz nach oben gehöre. Wenn der jeweilige Partner das ablehne, müsse man differenziert vorgehen und überlegen. 

Denn für die beteiligten Wissenschaftler:innen in den betroffenen Ländern sei die Zusammenarbeit oft die letzte Chance, ihrer Arbeit überhaupt noch nachgehen zu können. Ziel sollte ein Dreiklang aus Freiheit, Dialog und Verantwortung sein. Bei Willkür müsse allerdings ein anderes Repertoire genutzt werden.  Deutschland müsse seinen Wertekompass nicht ändern, meint Burger, denn der sei die Wissenschaftsfreiheit. Das bedeute aber nicht, dass man nur mit Ländern, die ein ähnliches Wertesystem haben, kooperieren sollte. „Wir sind die ersten mit der Wissenschaft, die reingehen und die letzten die rausgehen“, sagte sie. Die beteiligten Forschenden und Studierenden müssten von ihren Hochschulen ausreichend geschützt, informiert und durch die beteiligten Ministerien beraten werden. Sie sollten auf jeden Fall schon vor der Kooperation über die gesetzlichen Grundlagen in den jeweiligen Partnerländern genauestens Bescheid wissen. „Das ist extrem wichtig.“ Man müsse wissen, ob beispielsweise das Engagement für Menschrechte gegen die dortigen Gesetze verstoße.

Wo die Grenze nun in dem Fall an der Türkisch Deutschen Universität (TDU) in Istanbul liegt, wollte Wiarda vom BMBF wissen. Unlängst wurde ein Wissenschaftler der TDU in Istanbul von der eigenen, mit deutschen Fördermitteln mitfinanzierten Hochschule wegen einem regierungskritischen Tweet bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. 

Die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul hatte Strafanzeige gegen einen regierungskritischen Professor gestellt.
Die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul hatte Strafanzeige gegen einen regierungskritischen Professor gestellt.

© Gülsüm Sahan, TDU

Eine auf den konkreten Fall bezogene Antwort bekam Wiarda nicht. Eher allgemein formulierte Burger, das BMBF wolle keine Vorgaben machen oder gar verlangen, das bestimmte Kooperationen beendet werden. Es gehe darum Leitlinien zu geben, im Gespräch zu bleiben: „Wir stemmen das mit gemeinsamen Zielen und Leitplanken, aber wir würden nicht so weit gehen, Verbote auszusprechen“, sagte Burger.

Der Fall an der TDU sei auch ein Thema für seine Behörde, bestätigte Andreas Görgen vom Auswärtigen Amt. Aber nicht für eine direkte Intervention, denn dann lande die Angelegenheit „auf einer politischen Ebene, auf der man sie nicht haben will“. In solchen Fällen würde die deutsche Botschaft mit den zuständigen Behörden im Gastland Gespräche aufnehmen. Und wenn es für deutsche Wissenschaftler:innen  unmöglich werde, dort zu arbeiten, dann würden sie zurückgeholt. An der TDU ging es allerdings um einen türkischen Wissenschaftler.

Auch zu Belarus die Brücken nicht abbrechen

Es gebe keine schwierigen Partnerländer, sondern nur Länder mit schwierigen Regierungen, merkte Julia von Blumenthal, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina-Uni in Frankfurt (Oder), in diesem Zusammenhang an. Sie nennt als Beispiel Polen: Die Viadrina habe eine exzellente polnische Partneruniversität mit der man sich absolut einig ist – auch wenn manch einer die Regierung gegenwärtig vielleicht als schwierig bezeichnen würde. Die Situation sei immer auch im Fluss, daher sei es wichtig, fortwährend das Bewusstsein für solche Entwicklungen zu schärfen. 

Julia von Blumenthal, Präsidentin der Viadrina-Uni in Frankfurt (Oder), berichtet von Kooperationen mit Polen. 
Julia von Blumenthal, Präsidentin der Viadrina-Uni in Frankfurt (Oder), berichtet von Kooperationen mit Polen. 

© Viadrina/Heide Fest

Allerdings würde sie bei einem Land wie Belarus, in dem die politischen Verhältnisse aktuell in einer so schwierigen Lage sind, erst einmal von neuen Kooperation absehen. Letztlich aber sollte man solche Länder nie ganz aufgeben. Dass Belarus seit 2018 zum europäischen Hochschulraum im Bologna-Prozess zählt, habe erst ermöglicht, Wissenschaftsfreiheit in dem Land überhaupt prominent zum Thema zu machen. 

„Es ist wichtig, dass wir solche Kommunikationsräume haben“, sagte von Blumenthal. An bestehenden Kooperationen sollte auch dann festgehalten werden, wenn die Lage so heikel ist, dass erst einmal keine neuen Zusammenarbeiten mehr gestartet werden.  Thomas May, der Generalsekretär des Wissenschaftsrates plädiert dafür, bei kritischen politischen Verhältnissen für Hochschul-Kooperationen eine Balance zu finden. „Auch wenn das nicht immer einfach ist.“ Schließlich müsste man realisieren, dass bei solchen Kooperationen nationale Interessen immer eine Rolle spielen. 

In diesem Zusammenhang setzt May große Erwartungen in das neuen DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi), dessen Einrichtung auf eine Empfehlung des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2018 zurückgeht. Die Institution könne in solchen Fällen ausgleichend aktiv werden. Die Vertreter der Hochschulen erwarten sich von KIWi vor allem auch neue Partnerländer, etwa in Afrika – damit sich immer mehr Hochschulen global vernetzen können.

Bei unlösbaren Problemen hilft das Auswärtige Amt

Daran, dass Wissenschaftsfreiheit immer auch bedeute, dass der Staat nicht zu viel reinredet, erinnerte schließlich Andreas Görgen vom Auswärtigen Amt. Daher sei eine Vermittlungsinstanz wie KIWi als nicht-staatliche Einrichtung so wichtig. Wenn es aber ein unlösbares Problem im Ausland gebe und das Auswärtige Amt gebeten werde, dann unterstütze und helfe man auch. „Dann sind wir auch da.“

Grundsätzlich setze man aber mehr auf Dialog. Wirtschaftliche Sanktionen als Antwort auf politische Eingriffe und Behinderungen von Uni-Kooperationen bezeichnete Görgen als ein „extrem scharfes Schwert“.  Doch letztlich verhalte es sich wie im wahren Leben: „Es gibt immer auch Koppelgeschäfte“. Ansonsten hält Görgen es mit Nietzsche, wonach glattes Eis ein Paradies für diejenigen sei, die gut zu tanzen wissen.

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