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Arzt begutachtet Röntgenbild

© picture alliance / Klaus Rose

Hausärzte und Spezialisten sollen besser kooperieren: Lotsen durch die Zeit mit dem Krebs

Ein Tumor wird meist in der Klinik behandelt. Doch auch Hausärzte spielen eine große Rolle für den Therapieerfolg. Sie sollten besser mit den Fachärzten zusammenarbeiten. So lautet das Fazit einer Tagung in Berlin.

Die 65-Jährige hatte Brustkrebs. Doch das ist schon sieben Jahre her und scheint glücklich überstanden. Die Verdachtsdiagnose stellte damals die Frauenärztin, anschließend wurde sie in einem Brustzentrum behandelt. Nun, nach Jahren, besteht ein neuer Verdacht: Krebs in der Leber. Gezeigt haben sich die Veränderungen bei einer Ultraschalluntersuchung, die der Hausarzt vorgenommen hat. Ihn, den langjährigen Vertrauten der Familie, hätte die Frau auch gern weiter an ihrer Seite, bei allem, was nun an Untersuchungen, Behandlungen und psychischen Belastungen erneut auf sie zukommt. Noch ist allerdings unklar, ob die Auffälligkeiten in ihrer Leber späte Absiedlungen des Tumors in der Brust sind oder eine neue Krebserkrankung. Davon könnte abhängen, wer für den „Fall“ zuständig ist.

Krebs wird immer häufiger zu einer chronischen Erkrankung

Neun von zehn Bundesbürgern haben einen Hausarzt. Welche Rolle diese rund 27 000 Ärzte spielen, wenn es um Krebs geht, war jetzt Thema eines Symposiums der Deutschen Krebsgesellschaft in Berlin. Es ist eine drängende Frage, denn Krebs wird immer häufiger zu einer chronischen Erkrankung, mit der Menschen über viele Jahre leben und die sie zu verschiedenen Arztgruppen, in Krankenhäuser und Arztpraxen führt.

Der Übergang von der stationären zur ambulanten Betreuung funktioniere nicht immer reibungslos, die Trennung der Bereiche sei problematisch, berichtete Stefan Bernhardt, niedergelassener Allgemeinarzt in Berlin. Außerhalb der Kliniken arbeite man jedoch besser zusammen als noch vor einigen Jahren. „Vielleicht aufgrund des Ärztemangels entdecken die Fachärzte jetzt, dass sie uns brauchen.“

Hausärzte kennen oft die gesamte Krankengeschichte

Anne Dahlhaus vom Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt a. M. stellte beim Symposium den ersten Teil einer Studie vor, für die Hausärzte zu ihrer Rolle in der Krebsbehandlung und ihrem Selbstverständnis befragt wurden. Der größere zweite Teil der Studie, für den 4500 deutsche Hausärzte einen Fragebogen ausfüllten, ist noch nicht vollständig ausgewertet. Im ersten Teil, für den 55 Hausärzte ausführlich interviewt wurden, zeigt sich jedoch bereits: Die niedergelassenen Allgemeinmediziner und hausärztlich tätigen Internisten empfinden sich als Berater ihrer Patienten und möchten sie bei der Koordination der meist recht komplexen Krebsbehandlung unterstützen. Dabei können sie oft eine langjährig gewachsene Beziehung und den Überblick über die gesamte Krankengeschichte für sich in die Waagschale werfen. „Das kann kein Facharzt, wir haben einfach den Überblick“, sagte einer der in der Studie befragten Hausärzte.

Zu Beginn der Behandlung würden sie trotzdem oft zu selten einbezogen und bekämen auch zu wenig brauchbare Informationen aus den Kliniken, wo die Therapie meist mit einer Operation beginnt, monieren die Hausärzte. Erst wenn eine Behandlung lange dauert, vor allem aber, wenn sich herausstellt, dass der Krebs nicht heilbar ist, kämen sie wieder ins Spiel. Einige der Befragten kritisierten, dass ihre Patienten zu lange und in sehr geschwächtem Zustand noch aggressive Chemotherapien bekämen.

Fach- und Hausärzte sollen mit einer Stimme sprechen

„Oft kennen die Hausärztin oder der Hausarzt den Patienten besser“, bestätigte die Landshuter Onkologin Ursula Vehling-Kaiser. Nicht zuletzt dank der Hausbesuche. Die Spezialisten, die die Chemotherapien verordnen, bekämen dann von den Allgemeinmedizinern zu hören: „Zu Hause liegt er nur im Bett, er spielt Ihnen nur etwas vor!“ Vehling-Kaiser findet es wichtig, dass Onkologen und Hausärzte regelmäßig miteinander telefonieren – und dass sie mit einer Stimme sprechen.

Was vor allem alte, mehrfach kranke und in ihrer Mobilität eingeschränkte Krebspatienten oft deutlich mehr verunsichert, sind jedoch die Modalitäten der Behandlung selbst. Berlin sei mit seiner guten ärztlichen Versorgung und vergleichbar kurzen Wegen in dieser Hinsicht eine „Luxuswelt“, sagt Bernhardt. Doch auf dem Land haben es Patienten oft schwer, zu den Infusionen in die Praxis des Onkologen zu kommen. Vor allem wenn sie kein Auto haben und niemanden, der sie fährt, wenn sie auf den Rollstuhl angewiesen sind oder gar ein Sauerstoffgerät mit sich tragen müssen.

Ärzte werden unterstützt durch Helfer des Mobilen Onkologischen Dienstes

Außerdem kommen viele Krebskranke mit den neuen Medikamenten aus der Gruppe der Tyrosinkinase-Inhibitoren nicht zurecht. Zu ihnen gehört die Substanz Imatinib, die unter anderem gegen die Chronisch Myeloische Leukämie gut wirkt. Einer belgischen Studie aus dem Jahr 2009 zufolge nehmen allerdings nur 14 Prozent der Krebspatienten, denen sie verschrieben wird, die Tabletten korrekt ein. „Es ist nicht gerade befriedigend, wenn die Medikamente nur rumstehen“, sagt Vehling-Kaiser.

In Landshut und Umgebung gibt es deshalb den „Mobilen Onkologischen Dienst“ (MOD), ein Projekt des onkologisch-palliativmedizinischen Netzwerks, das derzeit noch zur Hälfte vom Gesundheitsministerium des Freistaats Bayern finanziert wird. Insgesamt vier onkologisch geschulte Facharzthelferinnen und Pflegekräfte fahren zu den Patienten nach Hause, sprechen mit ihnen und ihren Angehörigen über die Einnahme und die Nebenwirkungen, spritzen Medikamente unter die Haut, dokumentieren das alles, halten Kontakt zum Hausarzt und besprechen sich mit dem Onkologen – zu dem die Patienten dann statt einmal in der Woche nur einmal im Monat kommen müssen. Als „ergänzende Überwachungsmöglichkeit, die den Hausarzt aber nicht ersetzt“ sieht Vehling-Kaiser diese Tätigkeit des MOD. „Inzwischen freuen sich die Hausärzte darüber, dass wir ihnen einen Teil der Arbeit abnehmen.“

Behandlungen müssen dem aktuellen Wissensstand entsprechen

„Verahs“ tun das ebenfalls. 5000 dieser „Versorgungsassistent(inn)en in der Hausarztpraxis“ gibt es inzwischen in Deutschland. Im Unterschied zu den Mitarbeitern des MOD besuchen sie nicht allein Krebskranke, sondern haben es mit einem großen Spektrum von Krankheiten zu tun. „Wir kommen nach Hause und achten auch auf das Drumherum“, sagt „Verah“ Manuela Kausch-Deuschle aus Lauenbrück bei Hamburg. Der Austausch zwischen Versorgungsassistenten, Onkologen und Hausärzten könnte dazu beitragen, dass auch die Kommunikation der Mediziner untereinander intensiver werde, hofft die Onkologin Vehling-Kaiser.

Auch Johannes Bruhns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, findet solche pragmatischen, an den Bedürfnissen der Erkrankten orientierten Lösungen sinnvoll. Für die Krebsgesellschaft sei dabei entscheidend, dass alle Behandlungen dem aktuellen Wissensstand entsprechen, sagt Bruhns. Und dass die gewonnenen Erkenntnisse in die Krebsregister einfließen – zum Nutzen zukünftiger Patienten.

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