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Alltag in Deutschland: lange Schlange vor einem PCR-Testzentrum, hier in Berlin.

© AFP/Hannibal Hanschke

Haben wir ein Laborproblem?: Wien führt mehr PCR-Tests durch als ganz Deutschland

Österreich testet gut fünf Mal so viel wie die Bundesrepublik. Auch Großbritannien, Frankreich und Dänemark liegen weit vorne. Ein Vergleich.

Die Kapazitäten der deutschen Labore für PCR-Tests werden knapp – nicht nur in Berlin. Die Auslastung der Testkapazitäten lag laut Laborverband ALM vergangene Woche bei 86 Prozent. Auf Antrag des Stadtstaates hatten die Gesundheitsminister der Länder bereits am Montag eine radikale Einschränkung der kostenlosen PCR-Tests diskutiert. Diese sollten für Kontaktpersonen, „Freitestungen“ und Fälle von Risikobegegnungen, die die Corona-Warn-App bemerkt hat, gestrichen werden.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte angesichts rapide steigender Omikron-Fallzahlen an, „dass wir die PCRs verteilen müssen, priorisieren müssen. Dafür werde ich am Wochenende einen Vorschlag vorlegen.“ Das sagte er am Mittwochabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.

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Doch wie kann es sein, dass in Deutschland die Labore an der Leistungsgrenze arbeiten, während andere europäische Länder weit höhere Testzahlen stemmen? Könnte man nicht auch hier die Laborkapazität noch viel massiver ausbauen? Ein Vergleich zeigt, wie weit die Bundesrepublik zurückliegt.

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Österreich: Testen schafft Vertrauen

Österreich hat nicht nur als erstes EU-Land die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren eingeführt, sondern auch ein breites PCR-Testprogramm aufgelegt. In den Teststraßen der Kampagne „Österreich testet“ kann sich jeder kostenlos testen lassen. Auch in Apotheken und an Schulen sind Gratistests möglich. Besonders niedrigschwellig ist das Programm „Alles gurgelt“ in Wien und Oberösterreich angelegt, in dessen Rahmen PCR-Tests zu Hause durchgeführt und in Supermarkt-Filialen zur Sequenzierung abgegeben werden können.

[Lesen Sie auch: „Nicht überfallartig, sondern in Phasen“. Österreich zeigt, wie die Einführung der Impfpflicht funktioniert (T+)]

So kommt es, dass alleine in Wien mehr PCR-Tests durchgeführt werden als in ganz Deutschland. Knapp 500.000 verzeichnete der Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am vergangenen Freitag – und etwa 2,4 Millionen pro Woche.

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Für das gut vierzig Mal größere Deutschland meldet das Robert-Koch-Institut in der zweiten Kalenderwoche dagegen bloß 2.050.740 PCR-Testungen. Seit Beginn der Pandemie wurde in Deutschland im Schnitt 1,17 Tests pro Einwohner durchgeführt; in Österreich dagegen 5,9 pro Einwohner. Auf jeden Wiener kommen seit Pandemiebeginn stolze 17,04 PCR-Tests.

Gibt der Stadtratssprecher die Wiener Laborkapazität mit 900.000 bis einer Million PCR-Tests pro Tag an, übersteigt das den deutschen Wert um das Doppelte. Bloß 429.898 mögliche Tests pro Tag nennt das RKI für die aktuelle Woche als Kapazität.

Die zahlreichen und einfach zugänglichen PCR-Tests trügen dazu bei, „dass sich alle WienerInnen sicherer fühlen“, schreibt Sprecher Dujaković auf Twitter. So seien sie auch eher dazu bereit, Schutzmaßnahmen einzuhalten. „Dass Testkapazitäten zusammenbrechen, ist kein Naturgesetz“. Man habe vielmehr die Wahl zwischen zwei Strategien: „Umpriorisieren ohne Kapazitätsausbau“. Oder: „Kapazitätsausbau ohne Umpriorisieren.“

Große Bereitschaft, den Maßnahmen zu folgen: Teilnehmer einer „Yes we care“-Demonstration zum Gedenken an Corona-Opfer in Klagenfurt.
Große Bereitschaft, den Maßnahmen zu folgen: Teilnehmer einer „Yes we care“-Demonstration zum Gedenken an Corona-Opfer in Klagenfurt.

© dpa/Gert Eggenberger

Ähnlich sieht das auch ein Sprecher der österreichischen Apothekenkammer. „Gerade jetzt, bei hohen Inzidenzen, ist es wichtig, so viele Testungen wie möglich durchzuführen, um die Omikron-Welle zu brechen. Ob die Tests für die Bevölkerung weiterhin gratis bleiben, ist eine politische Entscheidung“, schreibt er auf Anfrage dem Tagesspiegel.

Anders als in Deutschland würden in Österreich „fünf bis zehn Testergebnisse ‚gepoolt‘, das heißt, gemeinsam ausgewertet, und nur bei positivem Ergebnis wieder getrennt und in der Folge einzeln genau untersucht.“ So kann der Preis für eine PCR-Auswertung einem Bericht von „t-online“ zufolge auf sechs Euro gedrückt werden.

Freilich stoßen auch Österreichs Labore mancherorts an Grenzen, weshalb die Regierung künftig auch wieder Antigen-Selbsttests als Nachweis zulassen will. Das ist jedoch wegen der teils mangelnden Aussagekraft der Antigentests nicht nur in Österreich umstritten.

[Lesen Sie auch: Brauchen wir eine neue Teststrategie? Die Probleme der Schnelltests mit Omikron – und die Alternativen (T+)]

Großbritannien: Mehr als doppelt so viele PCR-Tests pro Einwohner

Auch das Vereinigte Königreich, das in der Corona-Pandemie schon oft für fahrlässige Vorgaben und langsame Reaktionen der Politik gescholten wurde, steht in Sachen Testkapazität deutlich besser da als Deutschland. 997.252 PCR-Tests umfasst laut Behördenangaben die tägliche Kapazität etwa für vergangenen Mittwoch. Das ist bei einer ähnlichen Einwohnerzahl wie Deutschland ein mehr als doppelt so hoher Wert.

In Großbritannien wurden seit Pandemiebeginn insgesamt fast 190 Millionen PCR-Tests durchgeführt – im Gegensatz zu knapp 100 Millionen in Deutschland. Auf die Bevölkerung gerechnet hat jeder Brite 2,82 PCR-Testungen sequenzieren lassen. Auch das ist mehr als doppelt so viel wie in Deutschland.

Verringert den Zeitaufwand: Industrialisierte Genomsequenzierung in einem britischen Labor.
Verringert den Zeitaufwand: Industrialisierte Genomsequenzierung in einem britischen Labor.

© dpa/Frank Augstein

Anders als in Deutschland unterscheiden sich die Verfahren zur Buchung von PCR-Tests nicht je nach Wohnort. Ein Termin oder Testkit für zu Hause kann jeder Brite vielmehr über einen zentralen Server ordern.

Dänemark: Optimismus dank 58 Millionen PCR-Tests

Dank hoher Impfquote und rekordverdächtigen PCR-Testzahlen überwiegen in Dänemark die Stimmen, die Corona-Schutzmaßnahmen möglichst schnell aufheben wollen und ein baldiges Ende der Pandemie vorhersagen. Unabhängig davon, ob das wirklich eintritt, weist das Land mit etwa 58 Millionen PCR-Tests einen beachtlichen Wert auf.

Zum Vergleich: In Deutschland wurden, wie erwähnt, rund 97 Millionen PCR-Tests seit Beginn der Pandemie durchgeführt. Auf die Bevölkerung umgerechnet hat jeder Däne im Schnitt 9,9 Tests wahrgenommen, also gut acht Mal so viele wie jeder Durchschnittsdeutsche. Auch die Werte der vergangenen sieben Tage unterstreichen das: Im Königreich wurden circa 1,4 Millionen PCR-Testungen durchgeführt. Die deutschen zwei Millionen liegen nicht viel darüber.

Auch in Frankreich deutlich höhere Testzahlen

Rekord-Inzidenzen erschüttern auch das deutsche Nachbarland Frankreich: 3200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner wurden in den vergangenen sieben Tagen registriert, im Vergleich zu gut 700 in Deutschland. Die Regierung verkündet aktuell zugleich Lockerungen für Geimpfte und verschärfte Einschränkungen für Ungeimpfte.

Betrachtet man die PCR-Testzahlen, erkennt man aber auch in Frankreich einen deutlichen Vorsprung im Vergleich zu Deutschland. Für die erste und zweite Kalenderwoche des neuen Jahres melden die Behörden jeweils deutlich mehr als drei Millionen PCR-Tests. 3,39 Millionen waren es vom 10. bis zum 16. Januar, 3,95 Millionen vom 3. bis zum 9. Januar. Zum Vergleich: Das RKI meldete für diese Wochen nur jeweils 2,05 und 1,5 Millionen PCR-Tests.

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