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Der Mathematiker Günter M. Ziegler ist neuer Präsident der FU Berlin.

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Günter M. Ziegler wird neuer Präsident der FU Berlin: „Die FU ist ein besonders spannender Ort“

Der Mathematiker Günter M. Ziegler ist zum Präsidenten der Freien Universität Berlin gewählt worden. Im Interview erklärt er, was er mit der FU vorhat.

Der Mathematiker Günter M. Ziegler ist am Mittwoch für vier Jahre zum Präsidenten der Freien Universität Berlin gewählt worden. Auf ihn entfielen im Erweiterten Akademischen Senat der FU 39 Stimmen. Seine Gegenkandidatin, die Politologin Tanja Brühl, Vizepräsidentin der Goethe-Universität Frankfurt, bekam 15 Stimmen. Alle 61 Mitglieder des Gremiums stimmten ab, 54 Stimmen waren gültig.

Herr Ziegler, Sie sind der erste Mathematiker, der FU-Präsident wird. Hat ein Mathematiker vielleicht einen anderen Blick auf die FU als etwa ein Germanist?

Ich glaube ja. Und ich glaube, dass die Freie Universität mit ihrem großen Fächerspektrum besonders von der Vielfalt der Perspektiven profitiert. Peter Gaehtgens war Mediziner, Dieter Lenzen Erziehungswissenschaftler, Peter-André Alt Germanist – und jeder hat die Hochschule auf seine Art vorangebracht. Ich komme mit dem Blick eines Mathematikers und auch Naturwissenschaftlers – und ich bin überzeugt, dass das gut ist für die Freie Universität.

Wäre es nicht noch reizvoller, eine besser finanzierte Uni zu leiten, wie etwa die LMU in Ihrer Heimatstadt München?

Mein Vater, der für die Steuern eines Großkonzerns zuständig war, hat immer gesagt: „Geld allein macht nicht unglücklich.“ Und was Papa sagt, das stimmt natürlich. Andererseits ist Berlin dynamisch und die Freie Universität ein besonders spannender Ort. Wir sind auch nicht wirklich arm. Vielmehr sind wir stolz auf unsere Leistungen. Außerdem hoffen wir im Clusterwettbewerb überzeugen zu können und zusätzlich substanzielle Mittel einzuwerben. Und: Wir sind ständig im Gespräch mit der Berliner Politik – nach den Hochschulverträgen ist vor den Hochschulverträgen. Dabei geht es nicht immer nur um mehr Geld, sondern auch um förderliche Rahmenbedingungen. Und da ist die Freie Universität einfach gut aufgestellt.

An der FU gibt es Konflikte um die interne Verteilung des Geldes. Wo hat der FU-Präsident trotz der knappen Finanzen noch Gestaltungsspielräume?

Ich habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedensten Bereichen und in allen Statusgruppen der Universität geführt. Keines hat mit der Bemerkung angefangen: „Wir haben zu wenig Geld.“ Und keines hat damit aufgehört. Ich lasse mich von einer knappen Finanzdecke nicht gedanklich einschränken – und frage jetzt: Was können wir machen, was wollen wir machen und was müssen wir machen? Und danach sehen wir, wie wir das finanziert bekommen.

Was müssen und wollen Sie denn als erstes machen?

Da gibt es gleich mehrere Themen von der Kategorie „wichtig und dringend“: Wir müssen uns im Verbund der drei Berliner Universitäten so aufstellen, dass die Bewerbung für die Exzellenzstrategie ein Erfolg wird. Wir müssen im nächsten Jahr ein ausgereiftes und ausdiskutiertes Konzept für das vom Bundesforschungsministerium ausgeschriebene Tenure-Track-Programm abgeben. Wir müssen uns international noch breiter aufstellen, zum Beispiel im Hinblick auf die Initiative des französischen Präsidenten Macron, europäische Universitäten zu schaffen, und für die neue engere Zusammenarbeit zwischen Oxford und Berlin. Außerdem müssen wir uns fragen, wie wir für die Freie Universität in bestimmten Bereichen noch mehr Werbung machen können. Es muss deutlicher werden, dass dies nicht nur eine Top-Uni für das Studium der Natur- oder der Geisteswissenschaften ist, sondern dass man hier auch mit Freude und Erfolg ein Lehramtsstudium absolvieren kann.

Was muss in der Lehre geschehen?

Wir müssen genauer auf die Übergangsphase zwischen Schule und Universität schauen. Heutzutage kommen Studienanfänger nicht immer mit so viel Vorwissen an die Uni wie noch vor 15 Jahren. Also entwickeln wir unser Einführungsstudium EinS@FU weiter. Was die Internationalisierung angeht, müssen wir über weitere englischsprachige Bachelor-Studiengänge nachdenken. Ich will in den nächsten Monaten auch mit den Studierenden darüber sprechen, ob die Studiengänge eine gute Balance zwischen verpflichtenden Veranstaltungen für die Grundlagen und zwischen Freiheiten haben, die es erlauben, das Angebot dieser Uni in seiner großen Vielfalt und Breite zu nutzen. In Deutschland ist der Bologna-Prozess leider oft viel zu starr umgesetzt worden.

Die FU bewirbt sich im nächsten Exzellenzwettbewerb mit einem gemeinsamen Antrag mit TU und HU. Manche FU-Professorinnen und -Professoren scheinen aber zu befürchten, dass die FU dabei an Profil verlieren könnte. Können Sie das nachvollziehen?

Dass bei manchen Mitgliedern Sorgen entstehen, das kann ich nachvollziehen. Ich möchte sie ihnen aber nehmen. Es wird daher eine meiner Aufgabe sein, darüber mit allen zu sprechen und das Profil unserer Universität zu stärken und, darauf aufbauend, das gemeinsame Berliner Universitätsprofil weiterzuentwickeln. Die Freie Universität hat bereits ein sehr klares Profil, das aber im Rahmen der Berliner Allianz noch an Schärfe gewinnen kann.

Die FU will ihr Profil schärfen, während sie zugleich im Verbund aufgehen will. Das klingt wie die Quadratur des Kreises.

Das wurde Frau Merkel auch einmal bei Koalitionsverhandlungen entgegengehalten. Sie hat darauf geantwortet, als Physikerin wisse sie, dass es für die Quadratur des Kreises sehr gute Annäherungen gebe. Als Mathematiker kann ich das bestätigen. Es ist eine lösbare Aufgabe. Die drei Unis haben so klare Profile, dass man keine Angst vor einer guten Zusammenarbeit haben muss. Alle drei gehen selbstbewusst in den Verbund.

Welche Unterschiede zwischen den Unis müssen für den Verbund überwunden werden?

Unterschiedliche Governance-Strukturen sind hier nicht relevant. Wir gehen im Verbund das an, was wir gemeinsam besser machen können. Das reicht vom internationalen Auftritt der Hauptstadtunis über die Infrastruktur im Datenzeitalter bis hin zu politischen Aspekten von Open Access und Open Data. Berlins Unis haben zum Beispiel ihre Verträge mit Elsevier gemeinsam beendet. Das hat eine größere Schlagkraft, als wenn jede Bibliothek allein agiert.

Der Exzellenzwettbewerb ist sehr kompetitiv. Was wären die Folgen für die Berliner Unis, wenn ihr gemeinsamer Antrag im Sommer 2019 durchfällt?

Mein Anspruch ist, dass unser Antrag so gut ist, dass man daran nicht vorbeikommt. Ansonsten müssten wir uns überlegen, wie die Dinge, die wir für besonders sinnvoll und nachhaltig halten, anders finanziert werden können – auch wenn das nicht einfach sein würde.

Die Exzellenzinitiative hat zum Ziel, durch zusätzliche Mittel ein Dutzend besonders forschungsstarker Unis zu etablieren, um Schwerpunkte zu setzen. Ist dieses Ziel richtig?

Ja, die Exzellenzinitiative macht Sinn. Sie hat alle Universitäten, egal ob groß oder klein, dazu gezwungen, über ihr Profil nachzudenken und es zu schärfen. Das ist ein großer Gewinn für die Hochschullandschaft. Auch hat sie mit dem Mythos aufgeräumt, alle Unis in Deutschland seien gleich gut. Außerdem fördert die Exzellenzinitiative die Zusammenarbeit. Man darf die Finanzierung für die Hochschulen, die im Wettbewerb nicht so erfolgreich abschneiden, aber nicht einschränken. Leider hat die Exzellenzinitiative den Effekt, dass kleinere Forschungsformate wie Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen oder Graduiertenkollegs nicht mehr so gut mit ihren Erfolgen sichtbar werden. Wenn die Medien sich fragen: Wo gibt es aufregende Forschung bei uns in Dahlem, dann schauen sie zuerst auf die Cluster. Unterdessen machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie die Leibnizpreisträgerin Beatrice Gründler an der Freien Universität auch im Rahmen von anderen Formaten aufregende Forschung von internationaler Geltung.

Gibt es Bereiche, in denen die FU schon heute in Europa und der Welt in der Spitze mitspielt?

Ja, natürlich, in etlichen Bereichen, darunter auch die Mathematik.

Die Charité ist die medizinische Fakultät der FU und der HU. Sie tritt aber wie eine unabhängige medizinische Hochschule auf, was manche an der FU schon lange beklagen. Warum ist der Kontakt der FU und der HU zu ihrer Fakultät nicht enger?

Mein Eindruck ist, dass der Kontakt auf Wissenschaftsebene sehr gut ist. Auf der politischen Ebene gab es vor Jahren die Entscheidung, die beiden Mutteruniversitäten aus dem Aufsichtsrat zu nehmen. Ich glaube, es wäre produktiv für die Charité, wenn beide Unis wieder mehr Einfluss auf ihre Humanmedizin hätten.

Sie haben gesagt, der Akademische Senat der FU sei in den vergangenen Jahren zu einem „Abnickgremium“ geworden. Warum hat sich der Akademische Senat so entwickelt und wie wollen Sie das verändern?

Meine interessanten Diskussionen mit Senatsmitgliedern aus allen Statusgruppen und Fraktionen in den letzten Wochen waren sehr offen, konstruktiv und produktiv, ich habe viel daraus gelernt: Wenn wir uns in diesem Stil die Ideen und Konzepte für die Freie Universität vornehmen, dann ist das ausgesprochen gut für die Einrichtung. Ich freue mich jedenfalls schon auf die Arbeit mit dem Akademischen Senat.

Wie stehen Sie zu Studiengebühren? Sollte Berlin wenigstens dem Beispiel Baden-Württembergs folgen und sie für Nicht-EU-Ausländer einführen?

Nein. Studierende nach ihrem Herkunftsland unterschiedlich zu behandeln, geht gar nicht. Deutschland ist im Moment generell nicht im Gebührenmodus. Allerdings finde ich die Idee von Studiengebühren nicht völlig absurd. Sie dürfen aber nicht abschrecken. Und das wäre nur dann der Fall, wenn man sie mit einem großen Konzept sehr gut vorbereitet. Prinzipiell ist die Diversität der Studierenden wichtig. Da ist Deutschland nicht spitze. Die Frage ist, wie junge Menschen aus Elternhäusern, in denen man nicht übers Studium redet und in denen wenig Geld vorhanden ist, trotzdem an die Uni kommen. Gebühren dürfen sie nicht abschrecken.

Die Fragen stellte Anja Kühne. - Günter M. Ziegler, 54, ist seit 2011 Professor für Mathematik an der FU, sein Schwerpunkt ist Diskrete Geometrie. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehört der Leibniz-Preis der DFG.

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