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Getränke aus Bambusbechern mit Metallstrohhalmen zu trinken, hilft Plastik einzusparen. Die Umweltbilanz wird aber erst mit der langfristigen Nutzung positiv.

© imago images/Westend61

Griff nach dem Metallstrohhalm: Plastikverbot hat durchwachsene Ein-Jahres-Bilanz

Das Einwegplastik-Verbot in Europa hatte deutliche Signalwirkung auf die Industrie. Ersatzprodukte sind aber oft nicht umweltfreundlicher.

Seit dem 3. Juli 2021 gilt in der Europäischen Union eine Richtlinie, die die Umweltverschmutzung durch Plastikprodukte begrenzen und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft befördern soll. Einweggeschirr, Strohhalme, Wattestäbchen und bestimmte Lebensmittelverpackungen aus Plastik und Becher aus Styropor dürfen nicht mehr verkauft werden. In Deutschland ist zudem seit 2022 die Ausgabe von Plastik-Einkaufstüten eingeschränkt.

Doch zum Teil wird Wegwerfplastik durch Wegwerfprodukte aus anderen Materialien ersetzt, etwa beschichtetes Papier, das einen ähnlich großen ökologischen Fußabdruck hat und sich nur schlecht recyceln lässt. Zudem bleiben viele Produkte aus Einwegplastik von den Verboten unberührt.

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Umdenken wird erkennbar

„Es ist schwer zu beurteilen, ob die Richtlinie mehr sinnvolle Lösungen in die Diskussion gebracht hat oder ob Aktionismus überwiegt“, sagte Benedikt Kauertz dem Science Media Center Deutschland (SMC). Unter Aktionismus versteht der Fachbereichsleiter Industrie und Produkte am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg „ökobilanziell nicht immer zielführende Umstellungen“ – wie die Verwendung umweltschädlicher Ersatzprodukte für Einwegplastik. „Medial nehmen wir in der Regel den Aktionismus deutlich stärker wahr“, sagt Kauertz. Bislang fehlten valide Daten, um die Wirksamkeit der Richtlinie beurteilen zu können.

Über einen Effekt sind sich die vom SMC befragten Experten jedoch weitgehend einig. „Die Industrie hat verstanden, dass die Europäische Kommission auch zu massiven Markteingriffen in Form von Produktverboten bereit ist und dies auch von der Bevölkerung mitgetragen wird“, sagt Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Die Produktverbote seien von der breiten Bevölkerung sehr positiv aufgenommen worden. „Dementsprechend ist in vielen Bereichen tatsächlich ein Umdenken erkennbar“, sagt Wilts.

Die Bilanz für Deutschland fällt bislang jedoch eher bescheiden aus. „Das Verbot führt potenziell zu einer geringen Reduktion des Kunststoffabfall-Aufkommens aus Privathaushalten von etwa 0,4 Kilogramm pro Einwohner und Jahr“, sagt David Laner, Leiter des Fachgebietes Ressourcenmanagement und Abfalltechnik an der Universität Kassel. Das entspreche etwa 1,6 Prozent der jährlichen Kunststoffverpackungs-Abfallmenge.

Anreize für den Ausstieg aus der Wegwerf-Gesellschaft

Am 20. Juli will die EU-Kommission weitere neue Strategien für die Kreislaufwirtschaft vorstellen. Der Gebrauch von biologisch abbaubarem Plastik soll reguliert und Vorgaben für das Design von Plastikverpackungen sollen aktualisiert werden. Die Kommission will zudem Behauptungen von Firmen über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte stärker regulieren, um Greenwashing zu verhindern, das Beschönigen der Ökobilanz von Produkten. Denn bislang kommen auch ungeeignete Ersatzmaterialien für Einwegplastik zum Einsatz.

„Mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus schneiden solche Produkte kein Stück besser ab“, sagt Wilts. Im Verpackungsbereich werden etwa zunehmend Papier und Pappe mit Kunststoffen kombiniert, was ökologisch verträglicher aussieht als Folie, das Recycling der Verpackung aber massiv erschwert. „Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert, für mehr Transparenz zu sorgen und die Verbraucher:innen bei ihren Konsumentscheidungen zu unterstützen“, sagt Wilts.

Es gibt Anknüpfungspunkte: „Häufig wurden die Einwegplastikprodukte durch Produkte aus Naturmaterialien ersetzt, wie beispielsweise Trinkhalme aus Bambus, Besteck aus Holz oder Teller aus Pappe“, sagt Jürgen Sutter vom Öko-Institut in Darmstadt. Es kommen auch dauerhafte Materialien zum Einsatz, beispielsweise Trinkhalme aus Metall. „Für die Umwelt stellen solche Produkte eine wesentliche Verbesserung dar, da sie im Gegensatz zu Plastikprodukten seltener in die Meere getragen werden und im Fall von Naturmaterialien in der Umwelt abbaubar sind“, sagt Sutter.

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Das Verbot sei ein wichtiges Signal gegen die Plastikverschmutzung, könnte aber ergänzt werden, etwa um ein EU-weites Pfandsystem für Einwegplastik-Produkte, wie es in Deutschland bereits für Getränkeverpackungen besteht. „Dies würde einen starken Anreiz für Verbraucher:innen schaffen, die Produkte nach Verwendung wieder dem Recycling zurückzuführen“, so Sutter.

Auf europäischer Ebene sollten auch nicht nur Einwegprodukte aus Plastik in den Blick genommen, sondern insgesamt klare Anreize für den Ausstieg aus der Wegwerf-Gesellschaft gesetzt werden. „Beim Verbot einzelner Produkte sollte immer mitbedacht werden, auf welche Alternativprodukte der Markt vermutlich ausweichen wird“, sagt Henning Wilts. Es wäre „notwendig“ die Industrie an den Umweltkosten, die ihre Produkte verursachen, umfassend zu beteiligen.

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