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Gravitationswellen

© Abb.: S. Ossokine/A. Buonanno/Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/W. Benger/Airborne Hydro Mapping GmbH/dpa

Gravitationswellen: Viel spannender ist, was mit den Wellen möglich wird

Am Nachweis von Gravitationswellen sind Physiker aus Deutschland maßgeblich beteiligt - dank ihrer Beharrlichkeit und unserem Steuergeld. Warum sich Grundlagenforschung lohnt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Eine Sensation – ja, in diesem Fall ist das Wort absolut gerechtfertigt. 100 Jahre nachdem Albert Einstein ihre Existenz vorhergesagt hat und nach Jahrzehnten der hartnäckigen Suche hat ein internationales Forscherteam nun erstmals Gravitationswellen direkt nachgewiesen. Sie gelten als die letzte große Voraussage in der Theorie des genialen Physikers, die noch nicht mit einem Experiment bewiesen wurde. Sollte der Befund korrekt sein – und vieles spricht dafür –, wäre das eine großartige Bestätigung für das Konzept Einsteins von unserem Universum, das er zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Berlin entwickelt hat.

Viel spannender ist jedoch, was mit diesen Wellen möglich wird: Sie bieten Ausblicke ins Weltall, die mit keinem Teleskop gelingen. Das verspricht neue Erkenntnisse, mit denen wir die Entwicklung des Universums – und damit auch unserer Welt – besser verstehen können.

Einstein hielt einen Nachweis für nicht möglich

Gravitationswellen entstehen bei katastrophalen Ereignissen im Kosmos, etwa bei Sternexplosionen oder dem Zusammenstoß zweier schwarzer Löcher. Wie Wellen auf einem See breiten sie sich im Universum aus und kräuseln die „Raumzeit“. Die Folge: Entfernte Objekte wie zum Beispiel die Erde werden für Sekundenbruchteile ein klein wenig gestaucht und gestreckt. Die Deformation ist minimal. Ein Faden, der von Flensburg nach Freiburg reicht, würde von einer Gravitationswelle lediglich um ein Billionstel Millimeter gedehnt. Kein Mensch oder Tier kann diese Wellen spüren. Einstein selbst hielt es auch mit der besten Technik, die er sich vorstellen konnte, nicht für machbar. Das Zittern der Raumzeit sei zu schwach, um es zu messen.

Der Ehrgeiz vieler Forscher war geweckt: Das muss doch zu schaffen sein! Insbesondere Physiker in Deutschland haben seit den 1970er Jahren große Fortschritte erzielt auf dem Gebiet der Theorie wie auch bei der nötigen Messtechnik. Von den Wellen indes war trotzdem nichts zu sehen. Doch sie machten weiter, kämpften für ihre Sache im Kollegenkreis und bei Geldgebern der Wissenschaft im Bund und den Ländern sowie von Stiftungen. Mit Erfolg. Die deutsche Gravitationswellenforschung zog Experten aus aller Welt an – und teilte Wissen und Technologie mit Fachkollegen im Ausland. In dem US-Observatorium „a-Ligo“, das nun erstmals eine Gravitationswelle aufgespürt hat, steckt viel Technik, die hierzulande entwickelt wurde, die Datenanalyse erfolgte zum Großteil in Hannover.

Wir dürfen alle ein bisschen stolz sein

Zu Recht sagen die deutschen Forscher, sie seien an der Entdeckung beteiligt. Der Triumph ist verdient. Möglich wurde er nicht zuletzt durch ein Wissenschaftssystem, das Grundlagenforschung großzügig unterstützt, unabhängig davon, ob sie am Ende eine Teflonpfanne hervorbringt oder nicht. Grundlagenforschung, für die in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft jedes Jahr Milliarden Euro Steuergeld ausgegeben werden. Insofern dürfen wir alle ein bisschen stolz sein – und gespannt, welche Erkenntnisse die Physiker aus den Gravitationswellen gewinnen.

Es bleibt vorerst bei der Grundlagenforschung, eine praktische Anwendung ist nicht in Sicht. So wie vor 100 Jahren, als Einstein seine Relativitätstheorie vorstellte. Heute ist diese ein alltäglicher Helfer, indem sie etwa eine präzise GPS-Navigation ermöglicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Gravitationswellenforschung unseren Alltag bereichert.

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