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Blastoide - künstlich gezüchtete Blastozysten - ähneln ein Stück weit echten Embryonen.

© N. Rivron

Gewebezucht: Kleine Klone aus der Zellkultur

Forscher erschaffen erstmals Embryonen aus zwei verschiedenen Stammzelllinien.

Von Pflanzen wie der Grünlilie ist das Phänomen allseits bekannt: Das beliebte Zimmergrün bildet Kindel, Miniaturversionen der Mutterpflanze, die der Vermehrung dienen, aber anders als „echte“, als durch Sex entstandene Nachkommen das gleiche Erbgut tragen. Bei Säugetieren wie der Maus oder dem Menschen gibt es eine solche „vegetative“ Vermehrungsform nicht. Die Schwiegermutter, die ständig kleine Klone ihrer selbst schickt, wäre wohl auch eine gruselige Vorstellung. Auch die moderne Regenerationsmedizin kann damit bislang nicht dienen. Allerdings ist sie der Sache einen Schritt näher gekommen, zumindest bei Mäusen. Niederländische Forscher kombinierten jetzt im Labor zwei Typen von Stammzellen so miteinander, dass daraus ein Embryo entstand. Das Gebilde ähnelte natürlich entstandenen frühen Entwicklungsstadien der Nager sehr, eine Maus entstand daraus aber noch nicht.

Aus Stammzellen Embryonen wachsen lassen

Stammzellen werden erst erforscht, seit es möglich ist, sie dauerhaft in Zellkultur zu nehmen. Dafür werden die Zellen aus einem sehr frühen Entwicklungsstadium eines Embryos entnommen, dem „Blastozysten“-Stadium. In dieser Phase bildet der Embryo eine Art Bläschen, in dem sich an einer Seite ein Großteil der embryonalen Zellen häuft. Aus dieser „inneren Zellmasse“ entwickelt sich die Maus und daraus werden auch die bekannten „embryonalen Stammzellen“ (ES) gewonnen. Die Zellen des Bläschens hingegen bilden später Ernährungsgewebe, etwa die Plazenta, mit der sich der Embryo über die Gebärmutterschleimhaut versorgt. Auch diese Zellen lassen sich in Kultur nehmen, als Trophoblasten-Stammzellen (TS).

Diese beiden Stammzelltypen kombinierte das Forscherteam um Nicolas Rivron von der Universität Utrecht und dem Institut für Technologie-inspirierte Regenerative Medizin in Maastricht. Sie träufelten jeweils fünf bis acht ES-Zellen in die Mulden einer Gewebekulturplatte. Innerhalb eines Tages vermehrten sich die Zellen und wurden dann mit etwa 20 TS-Zellen beschichtet. Nach weiteren 65 Stunden bildeten sich tatsächlich die typischen Blastozysten-Bläschen, wenn auch nur selten (in 0,3 Prozent der Versuche). Nach Stimulation mit bestimmten Entwicklungsfaktoren formten sie sich allerdings deutlich häufiger – in 70 Prozent der Fälle.

Frühen Embryonen sehr ähnlich

Rivrons Team nennt die Gebilde im Fachblatt „Nature“ „Blastoide“ – sie haben nicht nur die gleiche Struktur, auch das Aktivitätsmuster der Gene erinnert an die natürlichen Blastozysten einer Maus 3,5 Tage nach Befruchtung. Außerdem konnten die Forscher beobachten, dass die Blastoide in der Gebärmutter von Mäusen Vorgänge einleiten, die auch beim Einnisten normaler Blastozysten ablaufen. Allerdings klappt die Verbindung nicht so gut, als dass die Embryonen sich weiterentwickeln könnten.

Die Forscher wollen die Technik nutzen, um die frühe Embryonalentwicklung besser zu verstehen. Ob sich das Rezept alsbald optimieren lässt, so dass irgendwann überlebensfähige Embryonen und ganze Mäuse – oder gar Menschen – aus Stammzelllinien heranwachsen können, lassen die Wissenschaftler offen. Allzu bald wird der Mensch also nicht nach Bedarf wie die Grünlilie auf vegetative Vermehrung umsteigen können und muss vorerst weiter auf die sexuelle Fortpflanzung setzen.

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