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Studierende arbeiten in einer Unibibliothek.

© imago/Reiner Zensen

Update

Geschlechtergerechte Sprache an der Uni: Wie es Berliner Hochschulen mit dem Gendern halten

Nur an der Freien Universität kann geschlechtergerechte Sprache vereinzelt prüfungsrelevant sein. Schlechtere Benotungen sind dem Senat aber nicht bekannt.

Wie halten es die Berliner Hochschulen mit dem Genderstern? Ist er etwa für die Bewertung von Prüfungs- und Studienleistungen vorgegeben? Das wollte jetzt der CDU-Abgeordnete Adrian Grasse von der Wissenschaftsverwaltung wissen – unter der Leitfrage, ob „nicht mehr der Duden bei der Bewertung von Studien- und Prüfungsleistungen“ gelte. Das Ergebnis: Dem Senat sind „keine diesbezüglichen Vorgaben an den Hochschulen des Landes Berlin bekannt“ – mit einer Ausnahme. Die Freie Universität gibt in ihrer Stellungnahme an, dass es Module gibt, „bei denen die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache Merkmal bewertungsrelevanter Kriterien ist“.

Allerdings ist auch dabei nicht die Verwendung des Gendersternchens gefordert, sondern „eine Sprache, welche die verschiedenen geschlechtlichen Identitäten gleichermaßen anspricht“. Das Gendersternchen stelle „eine Möglichkeit dar, dies zu tun“.

Fälle, in denen Studierende in der Vergangenheit aufgrund der Nichtanwendung gendergerechter Sprache tatsächlich schlechter bewertet wurden, sind dem Senat indes nicht bekannt.

"Sprachliche Gleichbehandlung ist zu beachten"

Dass an den Unis insgesamt durchaus Wert auf eine geschlechtergerechte Sprache gelegt wird, geht aus der Antwort auch hervor – was im Einklang mit der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung steht. Ihr zufolge ist „die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten“.

Adrian Grasse gibt sich mit der Senats-Antwort nicht zufrieden. "Dass eine gendergerechte Sprache bei der Bewertung einbezogen werden kann" - was nach Auskunft des Senats allein an der FU in einzelnen Modulen der Fall ist -, gehöre "nicht zu den Grundsätzen wissenschaftlicher Arbeiten", erklärt Grasse auf Anfrage.

Mit seiner Frage nach der Geltung des Dudens spielt Grasse darauf an, dass das Regelwerk in seiner aktuellen Ausgabe von 2020 den Genderstern zwar als Wort aufgenommen hat und auch Erläuterungen zu gendergerechter Sprache gibt, aber weder den Stern (wie etwa in Leser*innen) noch andere Zeichen als Hilfsmittel empfiehlt.

[Lesen Sie auch diesen Eintrag im Queer-Lexikon des Tagesspiegels: Was sind Gendersternchen und Gendergap?]

So hatte es auch der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Empfehlung von 2018 gehalten und in Aussicht gestellt, die weitere Sprachentwicklung in dieser Frage weiter beobachten zu wollen. Allgemein sieht der Rat geschlechtergerechte Sprache als zeitgemäß - und stellte Kriterien auf: Sie müsse sachlich korrekt, verständlich sowie les- und vorlesbar sein.

Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin an der Straße Unter den Linden.
Auch an der Humboldt-Universität gibt es Leitlinien zur geschlechtergerechten Sprache.

© imago/Seeliger

Direkter Anlass für seine Anfrage sei der Fall eines Studierenden aus Kassel, der unlängst erklärt hatte, ihm seien , "allein wegen des Verzichts auf den Gebrauch gendergerechter Sprache Notenpunkte abgezogen" worden, teilt Grasse am Donnerstag mit.

Er beziehe sich außerdem auf einen Berliner Fall von 2016, in dem ein TU-Studierender von der Publikation "Deutsche Sprachwelt" als Sprachwahrer des Jahres ausgezeichnet wurde, nachdem er sich dagegen gewehrt habe, in Studienarbeiten zu gendern. "Auch Einzelfällen muss nachgegangen werden", erklärt Grasse. "Die aktuelle Diskussion zeigt, dass sich Studenten teilweise unter Druck gesetzt fühlen und verunsichert sind."

Etliche Hochschulen haben Leitlinien für die Kommunikation

Darauf zielt auch seine Frage an den Senat, inwiefern der Gebrauch gendergerechter Sprache an den Hochschulen jenseits der Studien- und Prüfungsleistungen verbindlich geregelt sei.

Zusätzlich zur Verwaltungs-Geschäftsordnung haben sich einige Hochschulen eigene Regeln gegeben: So sieht sieht die Humboldt-Uni seit 2013 "Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache im allgemeinen Schriftverkehr sowie in Rechts- und Verwaltungsvorschriften" vor.

[Zur aktuellen Debatte um geschlechtergerechte Sprache sind zuletzt diese Beiträge erschienen: Interview mit einem Sprachwissenschaftler und (auf T+/Abo) ein Q+A zum "(Wahl)-Kampf um das Gendersternchen"]

An der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" gibt es seit 2018 einen Leitfaden zu geschlechtergerechter Sprache. An der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ ist der Gebrauch des Gendersternchens 2019 durch die Hochschulleitung festgelegt worden - gemäß ihrer "Richtlinie zum Schutz vor sexualisierter Belästigung, Diskriminierung, Gewalt und Machtmissbrauch".

Die Hochschulen für Technik und Wirtschaft und für Wirtschaft und Recht haben sich selbst verpflichtet, in ihrer Kommunikation nach innen und außen geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Und die Alice Salomon Hochschule verwendet den Gendergap - einen Unterstrich wie in Professor_innen.

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Darüber hinaus seien dem Senat "keine verbindlichen Regelungen zum Gebrauch geschlechtergerechter Sprache an den Hochschulen des Landes Berlin bekannt", heißt es. Vereinzelt finden Workshops zur gendersensiblen Kommunikation an Hochschulen statt, auch danach hatte Grasse gefragt.

Zustimmung zum Vorstoß von Hamburger CDU-Chef

Bei der anstehenden Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes jedenfalls sind keine rechtlichen Anpassungen im Hinblick auf die Verwendung gendergerechter Sprache geplant, wie der Senat klarstellt.

Und wie steht der Berliner CDU-Abgeordnete zum Vorstoß seines Hamburger Parteikollegen und Landesvorsitzenden Christoph Ploß, geschlechtergerechte Sprache bei staatlichen Stellen zu verbieten? Grasse stimmt ihm darin zu, "dass gültige Normen und Regeln unserer Sprache von staatlichen Stellen nicht willkürlich geändert werden dürfen".

"Einen Zwang zum Gebrauch gendergerechter Sprache" dürfe es nicht geben, findet Adrian Grasse. Wie jemand privat damit umgeht aber bleibe jedem selbst überlassen.

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