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Die inneren (oben) und äußeren Haarzellen in der Innenohrschnecke sind die Zellen, die letztlich für die Umwandlung der Schallwellen in elektrische Impulse sorgen, die über den Hörnerv ans Gehirn weitergeleitet werden.

© medcell.med.yale.edu

Gentherapie heilt Gehörlosigkeit: Erblich taube Mäuse hören nach Genreparatur

Wie einst Beethoven verlieren manche Menschen im Laufe des Lebens das Gehör. Ist die Ursache die "Beethoven-Mutation" eines Gens, könnte künftig eine Gentherapie helfen.

„Meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort, ... ich bringe mein Leben elend zu.“ So beklagte der 31-jährige Ludwig van Beethoven 1801 den allmählichen Verlust seines Gehörs in einem Brief. Wie schwer es für den Komponisten gewesen sein muss, kaum noch Töne wahrnehmen zu können, lässt sich in seiner schwermütigen Klaviersonate D-Dur „largo e mesto“ nachempfinden. Welche Art der Gehörlosigkeit Beethoven plagte, ist hingegen nicht mehr festzustellen. Es gibt viele Gründe, taub zu werden – von Innenohrinfektionen über Lärmschäden bis hin zu Gendefekten.

Korrektur der "Beethoven-Mutation"

Bis zu acht Prozent der angeborenen Formen von Innenohrschwerhörigkeit werden beim Menschen durch Mutationen im Gen „Tmc1“ verursacht. Es enthält die Bauanleitung für ein Protein, das in den Haarzellen des Innenohrs den elektrischen Impuls erzeugt, mit dem ein Geräusch ans Hirn gemeldet wird. Der Ausfall dieses Gens führt entweder bereits zwei Jahre nach der Geburt oder erst im Laufe der Pubertät zu Gehörlosigkeit. Im letzten Fall ist es ein einziger zusätzlicher DNS-Baustein, ein Adenosin, der zu dem allmählichen Gehörverlust beiträgt – eine Veränderung, die Forscher als „Beethoven-Mutation“ bezeichnet haben.

Fügt man diesen zusätzlichen DNS-Baustein in das Tmc1-Gen im Erbgut von Mäusen ein, werden auch sie einige Zeit nach der Geburt taub. Diesen allmählichen Gehörverlust konnten Forscher des Broad Institute of Harvard University and Massachusetts Institute of Technology nun erstmals mithilfe der Genschere „Crispr/Cas9“ (kurz: Crispr) reparieren, schreiben sie im Fachblatt „Nature“.

Haarige Angelegenheit. Die Haarsinneszellen liegen in der Innenohrschnecke und senden Nervenimpulse zum Gehirn, sobald sie durch die von Hammer, Amboss und Steigbügel übertragenen Schallwellen in Bewegung versetzt werden.
Haarige Angelegenheit. Die Haarsinneszellen liegen in der Innenohrschnecke und senden Nervenimpulse zum Gehirn, sobald sie durch die von Hammer, Amboss und Steigbügel übertragenen Schallwellen in Bewegung versetzt werden.

© imago/StockTrek Images

Schon 2015 war es anderen Forschern gelungen, mithilfe von Viren ein intaktes Ersatzgen von Tcm1 in die Haarzellen des Innenohrs solcher Mäuse zu schleusen. Doch David Liu und seine Mitarbeiter brachten stattdessen die Genschere Crispr in die Zellen, die dann das überzählige Adenosin aus dem Erbgutfaden ausbaute. Tatsächlich erzeugten die Haarzellen daraufhin wieder Impulse, sobald die Innenohrschnecke ein akustisches Signal auffing.

Gentherapie ohne Viren als Gentaxis

Bemerkenswerterweise verwendeten die Forscher diesmal keine Viren für die Gentherapie. Stattdessen spritzten sie Fettkügelchen (Liposomen), die nur eine Bauanleitung (RNS) für die Genschere transportieren. Die Haarzellen nahmen diese RNS-Moleküle auf, woraufhin im Zellinneren die Genschere zusammengebaut wurde, die dann das Erbgut korrigierte. Bis diese Technik bei Menschen, insbesondere betroffenen Kindern, eingesetzt werden kann, werden allerdings noch Jahre vergehen. Die bisherige Standardtherapie, ein Cochlea-Implantat, sollten Eltern daher auf keinen Fall hinauszögern. Das Hören muss im jungen Gehirn trainiert werden. Sascha Karberg

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