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Genforschung: Gib mir mein Genom

Genomsequenzierungen könnten ein Umdenken hinsichtlich der Teilhabe an Forschung einleiten.

Acht von zehn Teilnehmern an einem experimentellen Genomsequenzierungsprojekt äußerten gestern, dass sie ihre gesamten genetischen und medizinischen Daten im Internet posten würden, sodass sie für jeden zugänglich sind. Damit könnten sie an der Spitze eines Umdenkprozesses hinsichtlich der für klinische Forschung gültigen Regeln stehen, nach denen die meisten Probanden nichts über die Ergebnisse der Untersuchungen erfahren, an denen sie teilgenommen haben.

Die zehn Personen nehmen am Personal Genome Project teil, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Verständnis über den Nutzen individueller genetischer Daten und die Auswirkungen auf das Leben der Patienten und die Gesellschaft zu verbessern. Es wurde letztes Jahr durch George Church, Genetiker an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, ins Leben gerufen. Nun sprachen die Teilnehmer über die ersten Ergebnisse und wie viel davon sie publik machen wollen.

Die Teilnehmer wurden durch gentische Berater über ihre Daten aufgeklärt. Einige kennen nun die Sequenzen eines Teils ihrer Protein-codierenden Gene, anderen wurde nur die Zusammensetzung ihrer Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNP) erklärt, die kleine Marker der genetischen Variabilität darstellen. Letztendlich soll allen ihre vollständige Genomsequenz offengelegt werden.

Bislang hat keiner der Teilnehmer dramatische Enthüllungen hinsichtlich seines Risikos für bestimmte Erkrankungen erfahren und nur wenige hegten Befürchtungen, dass es negative Konsequenzen haben würde. John Halamka, Dekan des Fachbereichs Technologie an der Harvard Medical School in Boston, ist einer der acht, die alles offenlegen wollten, das bislang festgestellt wurde. Er sagt, dass das Inkrafttreten des Genetic Information Nondiscrimation Act in den Vereinigten Staaten Anfang diesen Jahres das Risiko verringert habe, dass die Teilnehmer ihre Krankenversicherung oder ihren Job aufgrund von genetischen Prädispositionen für bestimmte Erkrankungen verlieren könnten, fügt jedoch hinzu: "Es sagt nichts darüber, wie deine Angestellten oder Kollegen möglicherweise reagieren."

Misha Angrist vom Duke University Institute for Genome Sciences and Policy in Durham, North Carolina, sagte, er würde seine SNP-Daten posten, war jedoch unsicher, wie er mit den Daten seiner Sequenzierung umgehen würde, da er kleine Töchter hat, deren Zukunft möglicherweise davon beeinflusst würde. Der Psychologe Steven Pinker von der Harvard University meint, er würde alle seine Daten posten, unter Umständen jedoch entscheiden, Informationen über seine APOE-Gene, die ein Indikator für die Alzheimer-Erkrankung sind, zurückzuhalten. "Ich werde erst noch weiter darüber nachdenken", so Pinker.

Das Recht, zu wissen

Bis vor kurzem erhielten die Teilnehmer an genetischen Studien keine Informationen über sich selbst. Diese Regel war dazu gedacht, zu verhindern, dass Menschen für riskante Forschungsvorhaben geködert werden mit dem Versprechen, dass man ihnen helfen könne. Zum Beispiel werden die Daten tausender Menschen in Assoziationsstudien genutzt, um Gene aufzuspüren, die mit bestimmten Erkrankungen assoziiert sind, zum Beispiel Diabetes mellitus, doch die Teilnehmer erfuhren die Ergebnisse ihrer Sequenzierung nicht.

Das könnte sich nun ändern, wenn Studienteilnehmer nach ihrer Sequenzierung fragen. Das Personal Genome Project und verwandte Studien untersuchen, wie sich Menschen verhalten, wenn sie Informationen über ihre genetischen Risiken erhalten: "Die Leute haben das Gefühl, dass es ihr Recht ist, diese Daten zu bekommen", sagt Church.

Ähnliche Studien sind zum Beispiel die Coriell Personalized Medicine Initiative, die hofft, 100.000 Menschen einbeziehen zu können; eine Studie, an der Navigenics in Redwood Shores, Kalifornien, neben anderen Partnern beteiligt ist und die 10.000 Menschen einbezieht; zwei weitere Studien werden von den US National Institutes of Health in Bethesda, Maryland, gesponsert.

Einige Wissenschaftler haben bereits herausgefunden, dass die Menschen Informationen über ihr Genom und ihre Gesundheit wollen und dass dies ihre Fähigkeit zur Teilhabe an der Forschung beeinflussen kann. Die Genetikerin Joan Scott vom Genetics and Public Policy Center in Washington DC befragte mehr als 4.000 Menschen, ob sie Proben für eine große Biobank spenden würden. Die große Mehrheit der Befragten würde sich beteiligen. In kleineren Stichproben gaben die Befragten jedoch an, sie würden sich eher beteiligen, wenn sie Resultate aus den Studien, die auf die Biobank zurückgreifen, zurückbekämen, die eventuell Auswirkungen auf ihre eigene Gesundheit hätten.

Würden die meisten Forschungsprobanden Informationen im Austausch gegen ihre Teilnahme einfordern, würde dieses Umdenken neue Fragen für Wissenschaftler und Patienten aufwerfen. Zum Beispiel würde es logistische Hürden mit sich bringen, die Daten zu interpretieren und zu übermitteln. Und es ist nicht klar, was Patienten mit potenziell mehrdeutigen Ergebnissen tun würden.

Church hofft, dass seine Studie dazu beiträgt, einige dieser Fragen zu beantworten. Er sagt, es hätten sich mehr als 10.000 potenzielle Freiwillige für das Projekt gemeldet und Harvard habe grünes Licht gegeben, bis zu 100.000 Teilnehmer in die Studie einzuschließen.

Dieser Artikel wurde erstmals am 21.10.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.1182. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

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