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Mary Allen Wilkes (78), Computerpionierin aus Cambridge (USA) mit dem ersten Personalcomputer von 1963, den sie entwickelte.

© imago/epd/Werner Krueper

Gender im Museum: Pionierinnen im Abseits

Noch immer präsentieren Technikmuseen Frauen als Exotinnen. Wie sich das ändern könnte.

Museen zeigen, was eine Gesellschaft als ihr kulturelles Erbe betrachtet. Dem Anteil von Frauen daran wird dabei noch immer eine weit kleinere Rolle zugemessen. Besonders auffällig ist ihre Randständigkeit in Technikmuseen, kritisieren Hannah Fitsch und Daniela Döring vom Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin (ZIFG). Dort erscheinen Frauen vor allem als Ehefrau, als Konsumentin, im Haushalt oder als Exotin und Ausnahmefall. Zu sehen seien sie auch auf der Beifahrerseite von Autos am Schminkspiegel oder auf dem ihnen zugedachten hinteren Sitz eines Tandems ohne Steuerungsmöglichkeit.
Fitsch und Döring haben Vorschläge erarbeitet, wie sich die Museen ändern können. „Gender; Technik; Museum – Strategien für eine geschlechtergerechte Museumspraxis“, lautet der Name des Projekts, an dem auch das Deutsche Technikmuseum in Berlin Partner war und das vom Bundesministerium für Bildung gefördert wurde. Aber wie können Technikmuseen Frauen mehr würdigen? Schließlich konnten Frauen schon deshalb weniger erfinden und entdecken, weil sie lange aus Werkstätten und Laboren systematisch ausgeschlossen waren. Allerdings übersehen die Museen oft sogar den Anteil an technischen Entwicklungen, den Frauen gleichwohl hatten.

An der Wiege des Computers stand eine Frau: Ada Lovelace

Wer erfand den Computer? „Konrad Zuse“, lautet die typische Antwort. Dass an der Wiege des Computers eine Frau stand, ist jedoch weit weniger bekannt. Ada Lovelace (1815 bis 1852) verfasste das erste Programm. Sie schrieb eine Anweisung für die mechanische Rechenmaschine des Mathematikers Charles Babbit. Auch die weitere Entwicklung wurde maßgeblich von Frauen geprägt, ohne dass dies heute im kollektiven Bewusstsein präsent ist. Im Zweiten Weltkrieg betätigten sich Frauen als Programmiererinnen des US-amerikanischen Universalrechners ENIAC, zu tausenden arbeiteten sie in England bei der Entschlüsselung der deutschen Enigma-Chiffriermaschine mit, in Deutschland waren sie ebenfalls an umfangreichen Rechenaufgaben beteiligt, etwa an der TH Darmstadt für das Raketenprogramm in Penemünde.
Solche Pionierinnen würdigte das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn im vergangenen Jahr in einer Sonderausstellung über Ada Lovelace. Darunter waren auch Grace Hopper, die erste Admiralin der US-Navy und Entwicklerin des ersten Compilers, Mary Allen Wilkes, die den ersten Personal Computer mitentwickelte, oder Limor Fried, die 2011 als einflussreichste Frau in der Technologiebranche ausgezeichnet wurde – allesamt Frauen, deren Leistungen in herkömmlichen Technikmuseen kaum oder gar nicht vorkommen.

Technikgeschichte wird gerne entlang (männlicher) "Genies" erzählt

Das liegt wohl auch daran, dass Entwicklungen in der Technik- oder Naturwissenschaftsgeschichte bis heute am liebsten entlang von vermeintlichen (männlichen) Genies erzählt werden, wie die Genderforscherin Fitsch sagt. Durch diese Vereinfachung werde aber die Tatsache verdeckt, dass an Entwicklungen oft mehrere Personen, manchmal ganze Gruppen, beteiligt sind, nicht zuletzt Frauen.
Weltberühmte Frauen würden von den Museen inzwischen zwar berücksichtigt. Doch in der Praxis werde meist bloß nach dem Prinzip „Gegenüberstellung und Ergänzung“ verfahren: Den vielen männlichen Erfindergeschichten würden einige wenige Biografien von wenigen großen Erfinderinnen gegenübergestellt, wie Marie Curie, Käthe Paulus oder Ada Lovelace. Und manchen Museen gelingt noch nicht einmal das. So schaffte es bislang nur eine Frau unter über 40 männliche Erfinder und Wissenschaftler in den Ehrensaal des Deutschen Museums in München, nämlich Lise Meitner, die auch erst 1991 dazukam. Sprachlich markiert wird der Status dieser Ausnahmefrauen dadurch, dass sie – anders als Männer („Edison“, „Benz“, „Wright“) – immer auch mit ihrem Vornamen benannt und so als Abweichung von der Norm markiert werden: „Marie-Curie-Phänomen“, nennen die Forscherinnen das.

"Kritische Faszination" hervorrufen

Statt weiblichen Leistungen aber einen Sonderstatus zuzuweisen, sollten diese in die museale Inszenierung integriert werden, fordern die Forscherinnen. Dazu müssten die Technikmuseen nicht bloß isoliert große Maschinen und Apparate wie Eisenbahnen, Webstühle und Computer präsentieren, sondern sich an Fragestellungen orientieren, mit denen die Technik in ihre (geschlechtspolitischen) Lebensumstände eingeordnet werden kann: Wer hat die Technik genutzt? Unter welchen Bedingungen? Wie hat die Technik die Arbeit verändert? So lege das Technikmuseum in Wien Zusammenhänge offen, indem es die Exponate unter Überschriften wie „Arbeit“ oder „Mobilität“ präsentiert, wie Fitsch sagt: „Dann kann man die Geschichte der Eisenbahn auch anders erzählen: Wer war zum Beispiel ausgeschlossen von dieser neuen Form der Mobilität?“
Setzen Technikmuseen auf eine glorifizierende Faszination für Erfinder und ihre Meisterwerke, reproduzieren sie alte Technikvorstellungen, die Frauen ausklammern, meinen Fitsch und Döring. Museen sollten aber nicht an „kritikloses Vertrauen“ appellieren, sondern „kritische Faszination“ hervorrufen. Die Besucherinnen und Besucher sollten so auch durchaus dazu gebracht werden zu fragen, „warum die Faszination von mathematischen Berechnungen, mechanischen Abläufen, elektrischen Zusammenhängen und computergesteuerter Digitalisierung allein dem männlichen Geschlecht zugeschrieben wird“. Vielleicht räumt das Münchener Technikmuseum dann eines Tages seine Ehrenhalle um.
Im Zuge des Projekts ist ein Sammelband erschienen: Daniela Döring und Hannah Fitsch (Hg.): Gender Technik Museum. Strategien für Geschlechtergerechtigkeit in der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitik technischer Museen. ZIFG, TU Berlin 2016. ISBN 978-3-00-053782-0

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