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Silberblick, sechs Zehen an den Vorderpfoten, ein zu kleiner Kiefer für die Zunge und zu kurze Beine. Das sind die erkennbaren Eigenschaften, die Lil Bub zu einer berühmten Katze gemacht haben.

© Mike Bridavsky

Gendefekte machen Lil Bub so "süß": Ein Mutant, den Millionen lieben

Die Katze „Lil Bub“ ist ein Social-Media-Star. Nicht zuletzt aufgrund von zwei markanten Genveränderungen. Berliner Forscher haben ihr Erbgut entziffert.

2011 fand der US-Amerikaner Mike Bridavsky in einem Schuppen im US-Staat Indiana eine merkwürdige Katze. Sie hatte nicht nur einen hypnotischen Silberblick, sondern auch eine stets aus der Schnauze hängende Zunge, verkürzte Beine und sechs statt fünf Zehen an den Vorderpfoten. „Hey little Bub“ soll Bridavsky gerufen haben, bevor er sie bei sich aufnahm und – wie so viele Katzenbesitzer – ein Foto bei Tumblr hochlud. Der Rest ist Geschichte: Unter dem Namen „Lil Bub“ wurde das Tier zum Social-Media-Star (siehe lilbub.com) – nicht zuletzt weil sich herausstellte, dass das Tier wohl mit „Snowball“ verwandt ist, der Katze des sonst eher mit Stieren und Fischen in Verbindung gebrachten US-Autors Ernest Hemingway. Auch Snowball hatte Vielfingrigkeit (Polydaktylie) und vererbte sie. Noch heute leben Dutzende polydaktyle Katzen auf Hemingways Anwesen auf Key West, Florida.

Genom eines Internetstars

Auch Berliner Genforscher, die seltene erblich bedingte Entwicklungsstörungen beim Menschen untersuchen, hörten von Lil Bub. „Wenn wir die für Lil Bubs Aussehen ursächliche Genmutation fänden, könnten wir unser Verständnis für diese seltenen Erkrankungen beim Menschen erweitern“, so die Hoffnung von Daniel Ibrahim vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin-Dahlem. 2015 startete er mit Kollegen eine Crowdfunding-Kampagne auf experiment.com, um das Entziffern des Erbguts von Lil Bub zu finanzieren. Jetzt liegen die Ergebnisse des "Lilbubome" vor. Offenbar hat Lil Bub das Pech (oder Glück?), mit zwei sehr seltenen Gendefekten leben zu müssen.

Lilbubs Besitzer Mike Bidavsky.
Lilbubs Besitzer Mike Bidavsky.

© Mike Bidavsky/lilbub.com

Was Lil Bub in den Augen vieler Millionen Fans weltweit so „süß“ aussehen lässt, ist der Erbanalyse nach Folge von zwei Mutationen in wichtigen Entwicklungsgenen. Die zusätzlichen Zehen kommen zustande durch eine Mutation im Gen „Sonic hedgehog“. Der Austausch eines einzigen Erbgutbausteins („G“ statt „A“) stört das Ein- und Ausschalten des Gens während der Embryonalentwicklung der Gliedmaßen. Es wird in Zellen aktiv, in denen es eigentlich aus sein müsste, sodass zusätzliche Zehen entstehen. Es ist die gleiche Mutation, die auch bei den Hemingway-Katzen zu Zusatzzehen führt.

Nur ein fehlender Baustein bringt das Knochenwachstum durcheinander

Die kurzen Beine, den zu kleinen Kiefer und die anderen auf falsches Knochenwachstum (Osteopetrose) deutenden Fehlbildungen erklärt das aber nicht. Die Ursache musste in einem der anderen sechs Millionen Unterschiede zwischen Lil Bubs Erbgut und dem Referenzgenom einer „Durchschnittshauskatze“ liegen.

Lilbub hat nicht nur einen überzähligen Zeh an den Vorderpfoten, sondern sie hat auch ein übermäßiges Knochenwachstum, was sich in "Erlenmeyerkolben"-ähnlichen Auswüchsen zeigt.
Lilbub hat nicht nur einen überzähligen Zeh an den Vorderpfoten, sondern sie hat auch ein übermäßiges Knochenwachstum, was sich in "Erlenmeyerkolben"-ähnlichen Auswüchsen zeigt.

© D. Ibrahim

Die meisten dieser Abweichungen betreffen keine Gene, wirken sich also weder positiv noch negativ aus. Um die wenigen, Krankheiten auslösenden Mutationen herauszufiltern, vergleichen Forscher normalerweise das Erbgut des „Patienten“ mit möglichst engen, gesunden Verwandten – unmöglich in Lil Bubs Fall, denn Bridavsky konnte nicht einmal die Mutter seines Findlings ausfindig machen. Also durchsuchten die Forscher die Erbgutdaten mit Hilfe von Computern und dem Wissen von Experten für Knochendefekte. Nach vielen Wochenenden ehrenamtlicher Arbeit fanden die Forscher ein Gen, dem ein Erbgutbaustein fehlte und von dem bekannt ist, dass es in die Knochenentwicklung von Mensch und Maus involviert ist: RANK/TNFRSF11A.

Aufruf zur Mitarbeit

Das Gen ist nötig, damit jene Zellen richtig funktionieren, die Knochen abbauen: Osteoklasten, die Gegenspieler der Knochen aufbauenden Osteoblasten. Erst das Zusammenspiel dieser beiden Zelltypen lässt ein gesundes Skelett entstehen. Bei Lil Bub führte die Mutation dazu, dass manche Knochen in der Embryonalentwicklung nicht korrekt wuchsen. „Wir sind sicher, dass es die Mutation ist, die Lil Bubs Osteopetrose verursacht“, sagt Darío Lupiánez, vom Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max-Delbrück-Centrums. Um Zweifel auszuschließen, ruft er Experten auf, sich die Daten auf der Plattform BioRxiv anzusehen und nach weiteren Gendefekten zu suchen, die Lil Bubs Erscheinungsbild beeinflussen könnten.

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