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Gemeiner Blutsauger. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat als Überträger des West-Nil-Virus auch die in Deutschland heimische Gemeine Stechmücke identifiziert.

© Patrick Pleul/dpa

Gefahr aus den Tropen: Hot-Spot des West-Nil-Virus im Osten

Friedrich-Loeffler Institut hat Stechmücken als Überträger des Tropenvirus identifiziert. Auch Menschen können infiziert werden.

Ostdeutschland ist neben Bayern ein Brennpunkt für die Verbreitung des hierzulande erst seit Kurzem beim Menschen auftretenden West-Nil-Virus (WNV) durch heimische Stechmücken. Zu diesem Ergebnis kommt die Insektenforscherin Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Warum gerade der Osten ein Hot-Spot für die Übertragung sei, wissen die Forschenden noch nicht, so die Biologin.

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Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) sind Thüringen, Sachsen Anhalt, Sachsen und Brandenburg von der Ausbreitung betroffen. Als Überträger des West-Nil-Virus indentifizierte das FLI die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens), das Virus wird aber auch von der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) übertragen, von der im vergangenen Jahr eine Population in einer Berliner Kleingartenkolonie entdeckt worden war. Die wichtigsten Wirte der blutsaugenden Stechmücken sind Vögel. In selteneren Fällen kann laut FLI auch eine Übertragung auf Pferde und den Menschen stattfinden.

In Deutschland 22 infizierte Menschen 2020

In Deutschland werden Fälle beim Menschen nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) seit 2019 registriert. Das RKI weist für 2020 bei uns 20 symptomatische und zwei asymptomatische Infektionen mit dem West-Nil-Virus (WNV) bei Menschen aus, die nicht aus dem Ausland eingeschleppt waren. Es sei davon auszugehen, dass es auch weiterhin zur Zirkulation des Virus zwischen Stechmücken und Vögeln und in geringerem Maße auch zu mückenübertragenen Infektionen bei Menschen und Pferden komme.

Anfang September 2018 waren erstmals im östlichen Teil Deutschlands Infektionen bei Vögeln und bei zwei Pferden mit dem West-Nil-Virus nachgewiesen worden. Das Virus zirkuliert in Vögeln, kann durch die Mücken aber auch auf Menschen und Pferde übertragen werden. Im Laufe des Jahres 2020 waren über 60 infizierte Vögel und 22 Ausbrüche bei Pferden festgestellt worden.

Das Virus kommt ursprünglich vor allem in wärmeren Regionen der Erde vor. Es kann in Stechmücken überwintern. „Je wärmer es wird, um so besser können sich die Krankheitserreger weiterentwickeln“, erläutert Biologin Werner. Einige Infizierte leiden an grippeähnlichen Symptomen. Schwere Verläufe sind selten, können aber auch tödlich enden.

Pferden sollen rechtzeitig geimpft werden

Die Infektion mit dem West-Nil-Virus verläuft bei Pferden häufig subklinisch, also mit nur geringfügigen Symptomen. Bei rund acht Prozent der infizierten Pferde kommt es aber zu neurologischen, klinisch erkennbaren Veränderungen. Dieser Verlauf geht mit einer hohen Sterblichkeit von 30 bis 50 Prozent einher, so das FLI. Überlebende Pferde hätten häufig bleibende Schäden. Da davon auszugehen ist, dass das Virus sich weiter in Deutschland ausbreiten wird, hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) bereits im Herbst 2018 die Impfung von Pferden empfohlen. Die Impfung sollte rechtzeitig vor Beginn der jährlichen Mückensaison im Frühjahr erfolgen, um in der Zeit der wahrscheinlichsten Virusübertragung in der warmen Jahreszeit die höchsten Antikörpertiter zu erzielen.

In Deutschland war Ende August 2018 in Halle a.d. Saale erstmals ein mit WNV-infizierter Vogel gefunden worden. Bis Ende des Jahres waren es insgesamt zwölf Fälle bei Vögeln sowie zwei Nachweise bei Pferden. Für 2019 stellte das Nationale Referenzlabor für WNV-Infektionen bereits Anfang Juli den ersten amtlichen Fall fest, bis Jahresende folgten über 100 weitere Fälle. Im Herbst 2019 wurde das Virus außerdem erstmals in Mücken in Deutschland nachgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass das West-Nil-Virus erfolgreich in einheimischen Stechmücken in Deutschland überwintert.

Erneute Fälle bei Vögeln und Pferden ab Juli 2021 deuteten auf eine Etablierung des Virus in den bereits betroffenen Regionen hin. Seit 2019 wurden vereinzelt Erkrankungsfälle bei Menschen verzeichnet. Das West-Nil-Virus stammt ursprünglich aus Afrika. Es wurde erstmals 1937 im West-Nil-Distrikt in Uganda festgestellt. In Europa trat es erstmals Anfang der 1960er Jahre in Frankreich auf. Bisher wurden vor allem aus süd- und südosteuropäischen Ländern Infektionen bei Mensch, Pferd und Vogel gemeldet.

Mittlerweile nimmt auch der Klimawandel Einfluss auf das Zirkulieren von Viren in den Mücken. „Die Klimaveränderung führt dazu, dass sich die Erreger in den Mücken besser vermehren können“, lautet die Einschätzung von Doreen Werner dazu. Zentraler Dreh- und Angelpunkt für die Verbreitung von Infektionskrankheiten sei allerdings die zunehmende Globalisierung. 

Asiatische Tigermücke in Berlin

In einer Kleingartenkolonie im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick war im vergangenen Jahr eine Population der Asiatische Tigermücke nachgewiesen worden. Für die kleine, tagaktive und recht flugträge Stechmücke, die eine Vielzahl von Erkrankungen übertragen kann, reichen schon kleine Pfützen zur Vermehrung aus. 
Eigentlich bevorzugt diese Stechmücke tropische Temperaturen, lange, kalte und frostreiche Winter verhindern ihre Ausbreitung. In Deutschland war sie früher nicht heimisch, mit der fortschreitenden Erderwärmung scheint sich dies aber zu ändern.
Die Tigermücke ist als Trägerin von besonders vielen Krankheitserregern bekannt, darunter auch gefährliche tropische Fieberkrankheiten wie Dengue, Chikungunya, Zika oder eben auch das West-Nil-Virus. Mehr als 20 Erreger wurden in der Mücke bereits gefunden. Die als aggressiv gelten Mücke sticht mit Vorliebe mehrere Menschen hintereinander, was zur Ausbreitung der Krankheiten beiträgt.

Dass es zur Übertragung von Krankheiten kommt, setzt allerdings voraus, dass zuvor ein Mensch gestochen wurde, der ein entsprechendes Virus in sich trägt - etwa durch Reisrückkehrer aus tropischen Ländern.

Allerdings benötigen die Erreger der tropischen Fieber – abgesehen von Chikungunya – sehr hohe Temperaturen zur Vermehrung. 

In Südfrankreich waren im Oktober 2021 die ersten Zika-Fälle in Europa gemeldet worden, die von dort heimischen Tigermücken übertragen wurden. Dieses Virus ist vor allem für Schwangere gefährlich, da es beim ungeborenen Kind zu Hirn- und Schädelfehlbildungen führen kann.  (mit dpa)

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