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Der Flensburg-Meteorit ist über 4,5 Milliarden Jahre alt.

© Addi Bischoff.

Fund in Flensburg: Warum dieses Meteoritenbruchstück ein Geheimnis enthält

Wann gab es das erste Mal Wasser in unserem Sonnensystem? Ein Meteoritenfund in Flensburg gibt einen Hinweis auf diese Frage.

Am 12. September 2019, 14:49 Uhr Sommerzeit, trifft ein kleiner Himmelskörper mit rund zwei Meter Durchmesser aus dem Weltraum auf die Atmosphäre der Erde und rast als gut sichtbare Feuerkugel über den Himmel Norddeutschlands. Am nächsten Tag findet Erik Due-Hansen einen schwarzen, verkohlten Stein auf dem Rasen seines Vorgartens im Flensburger Stadtteil Weiche.

Das nur 24,5 Gramm schwere, kleine Meteoritenbruchstück birgt ein großes Geheimnis: Es enthält die bislang ältesten Spuren von flüssigem Wasser auf der Erde. Zu diesem Schluss kommen Addi Bischoff von der Universität Münster, Mario Trieloff von der Universität Heidelberg und 39 Kollegen im Fachblatt „Geochimica et Cosmochimica Acta“, die den kosmischen Boliden untersucht haben.

Winzige Mineralkörner in dem Meteoriten zeugen davon, dass bereits drei Millionen Jahre nach der Entstehung der ersten festen Himmelskörper in unserem Sonnensystem flüssiges Wasser entstanden war. Vor 4,565 Milliarden Jahren waren im noch jungen Sonnensystem gerade erst riesige Gasplaneten wie der Jupiter entstanden, Gesteinsplaneten wie Erde, Mars oder Venus folgten erst viele Jahrmillionen später.

Der Raum um die junge Sonne war noch voller Gas und Staub, der sich allmählich zu immer größeren Strukturen zusammenballte. „Einer dieser jungen Himmelskörper hatte nach unseren Modellberechnungen einen Durchmesser von vielleicht hundert Kilometern, ein kleines Bruchstück davon landete 2019 in Flensburg als Meteorit auf der Erde“, sagt der Physiker und Geochemiker Trieloff zur Herkunft des Vorgartenfundes.

Die Sonne war damals nicht allein. In ihrer kosmischen Nachbarschaft entstanden Hunderte, Tausende weiterer Sterne, „darunter auch Riesensterne, die ihren Brennstoff sehr schnell verfeuern und viel schneller als unsere Sonne altern“, sagt Trieloff.

Isotop-Rückstände geben Hinweis auf Meteoritenalter

Kurz vor ihrem Ende produzierten diese Sternen-Giganten viele schwere Elemente, etwa die radioaktiven Isotope Mangan-53 und Aluminium-26, und schleuderten sie bis in unser Sonnensystem, wo es im Gestein der sich allmählich bildenden Planeten eingelagert wurde, gleich neben dem „irdischen“ Mangan-55-Isotop.

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Da Mangan-53 mit einer Halbwertszeit von 3,7 Millionen Jahren zerfällt, ist von diesem Isotop heute längst nichts mehr übrig. Das daraus entstandene Chrom-53 ist dagegen stabil und noch vollständig vorhanden. Anhand der Mengenverhältnisse der Isotope konnte Trieloffs Team das Alter des Flensburger Meteoriten bestimmen: auf eben 4,565 Milliarden Jahre. „Damit stecken im Flensburg-Meteoriten die ältesten Karbonatgesteine, die bisher in solchen Himmelskörpern gefunden wurden“, sagt Trieloff.

Beim Flug durch die Erdatmosphäre bildete sich die dunkle Kruste auf dem oben gezeigten Flensburg-Meteoriten, ein abgesprungenes Teil zeigt das Innere des Kohlenstoff-haltigen Gesteins. Die weißlichen Sulfid-Plättchen auf dem Bild rechts unten entstanden ähnlich wie die grauen Carbonat-Mineralien in Wasser.
Beim Flug durch die Erdatmosphäre bildete sich die dunkle Kruste auf dem oben gezeigten Flensburg-Meteoriten, ein abgesprungenes Teil zeigt das Innere des Kohlenstoff-haltigen Gesteins. Die weißlichen Sulfid-Plättchen auf dem Bild rechts unten entstanden ähnlich wie die grauen Carbonat-Mineralien in Wasser.

© Addi Bischoff

Doch die Forscher entdeckten noch mehr: „Als wir mit der Heidelberger Ionensonde die Zusammensetzung der Sauerstoff- und Kohlenstoff-Isotope in den winzigen Karbonat-Teilchen des Flensburg-Meteoriten extrem genau bestimmten, fanden wir eindeutige Hinweise darauf, dass die Karbonate aus heißem Wasser ausgefallen sind“, sagt Trieloff.

Meteorit lässt Rückschlüsse auf Wasser zu

Die Energie für dieses Aufheizen des Wassers kam aus dem Aluminium-26, das von den sterbenden Riesensternen in der Nachbarschaft des jungen Sonnensystems geliefert wurde. Dieses Isotop zerfällt mit einer Halbwertszeit von 720.000 Jahren. Dabei wird Energie frei, die vom Gestein kaum abgeleitet wird und sich daher als Wärme in seinem Inneren staut.

„Dieser Prozess liefert nach unseren Berechnungen genug Energie, um Wasser auf Temperaturen von 100 bis 200 Grad Celsius zu erhitzen, bei denen sich die Karbonate gebildet haben“, erklärt Trieloff. Damit haben die Forscher den bislang ältesten Hinweis auf flüssiges Wasser im Sonnensystem gefunden. Offenbar „regnet“ es seit Jahrmilliarden mit Meteoriten auf die Erde – eine der Voraussetzungen für Leben.

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