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Schülerinnen und Schüler sitzen an einem Gruppenarbeitstisch in ihrer Klasse zusammen.

© Uwe Anspach/picture alliance/dpa

Update

Friedrich-Ebert-Stiftung: Privatschulen laut Studie kaum besser als öffentliche Schulen

Schüler, die auf Privatschulen lernen, schneiden bei Schulleistungstests teilweise besser ab. Rechnet man aber ihre sozialen Vorteile heraus, bleibt nur ein geringer Unterschied zu öffentlichen Schulen.

Schülerinnen und Schüler an privaten Schulen können besser zuhören als ihre Altersgenossen an öffentlichen Schulen. Der leichte Vorsprung der Privaten in den Kompetenz-Bereichen „Zuhören“ und „Hörverstehen“ bedeutet, dass die Schüler Unterrichtsinhalten, die ihre Lehrkräfte vortragen, etwas besser folgen können. Und sie sind eher dazu in der Lage, gezielt nachzufragen.

Diese Erkenntnisse für die Fächer Deutsch und Englisch gehören zum Kern einer Studie über „Privatschulen in Deutschland. Trends und Leistungsvergleiche“ für das Netzwerk Bildung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Untersuchung, an der unter anderem die Bildungsforscherin Petra Stanat und der Erziehungswissenschaftler Klaus Klemm mitgewirkt haben, wurde am Donnerstagvormittag publiziert. Insgesamt seien aber „nur geringfügige Unterschiede zwischen den an privaten und öffentlichen Schulen im Mittel erreichten Kompetenzen festzustellen“, heißt es im Resümee der Studie (die vollständige Studie finden Sie hier).

Auserlesene Schülerschaft: größere Vorteile erwartet

Rechnet man die soziale Herkunft ein, „schmilzt der Vorsprung der Privaten fast komplett zusammen“, sagte Petra Stanat, Direktorin des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), „Zeit online“. Vereinzelt gebe es sogar Vorteile für die staatlichen Schulen. „Angesichts der auserlesenen Schülerschaft könnte man erwarten, dass die Vorteile der Privatschulen größer sind“, wird Stanat zitiert. Privatschüler stammen häufiger aus gut situierten Familien und haben seltener einen Migrationshintergrund.

Bei der öffentlichen Präsentation der Studie am Donnerstagabend in der Friedrich-Ebert-Stiftung legte Stanat noch nach: "Nach Kontrolle der sozialen Komposition verschwinden die Unterschiede ganz." Rechne mal also auch die positiven Effekte einer homogeneren Schülerschaft auf das Lernklima in der Klasse heraus, bleibe von den leichten Leistungsvorsprüngen der Privatschüler nichts mehr übrig, teilweise kehre sich das Bild sogar zu einem Vorteil der öffentlichen Schulen um. Die Erkenntnisse zu den Kompositionseffekten sind aber nicht in der Publikation der Studie enthalten.

Der Leistungsvergleich basiert auf den Untersuchungen der IQB-Bildungstrends. Bei diesen bundesweiten Ländervergleichen werden Schüler am Ende der vierten Klassen (zuletzt 2016) und Schüler am Ende der 9. Klassen (2015) darauf getestet, inwiefern sie die Bildungsstandards in Kernfächern erfüllen.

Von vornherein geringerer Abstand am Gymnasium

Blickt man auf die von den Schülerinnen und Schülern absolut erreichten Punktzahlen, ergibt sich zunächst ein ganz anderes Bild. So erzielten die privat beschulten Viertklässler in Deutsch in allen drei Kompetenzbereichen signifikant bessere Ergebnisse: Beim Lesen waren es 33 Punkte mehr, beim Zuhören 42 Punkte und bei der Orthografie 15 Punkte. Ähnlich sieht es in der 9. Klasse an Schulen aus, die nicht zum Abitur führen: In den drei Deutschbereichen lagen die Privatschüler um 28 bis 36 Punkte vorn, in Englisch beim Leseverstehen um 32 Punkte und beim Hörverstehen um 36 Punkte.

In den 9. Klassen der Gymnasien war der Vorsprung der Privatschüler von vornherein schwächer - mit sieben Punkten im Deutsch-Lesen und 14 Punkten im Zuhören, keinen Unterschied gab es bei der Orthografie. Im Englischen lagen Gymnasiasten an beiden Schulformen in etwa gleichauf. Den Punktzahlen entspricht je nach Kompetenzbereich und Klassenstufe ein zu erwartender Lernzuwachs. 16 Punkte beim Deutsch-Zuhören in der 4. Klasse entsprechen beispielsweise einem viertel Schuljahr.

Üblich ist es bei solchen Leistungsvergleichen zwischen ungleichen Gruppen jedoch, die nicht von der Schule abhängigen Faktoren „herauszurechnen“. Dabei gehört es zu den Grundeinsichten der Bildungsforschung, dass Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit höheren Bildungsabschlüssen und einem höheren Einkommen in ihrer Schullaufbahn generell im Vorteil sind. Die Bessergestellten wiederum bilden mehrheitlich die Schülerschaft der Privatschulen, vor allem jener, die hohe Schulgelder verlangen.

Bildungsforscher bildeten "statistische Zwillinge"

Für die aktuelle Studie wurden dazu Daten des Nationalen Bildungsberichts von 2016 herangezogen. Demnach weisen die Privatschuleltern einen höheren sozioökonomischen Status auf, die Familien haben seltener einen Zuwanderungshintergrund und zu Hause wird folglich häufiger ausschließlich Deutsch gesprochen. Hinzu komme, dass Kinder an privaten Schulen im Schnitt länger eine Kita besucht haben.

Um diese Unterschiede für den statistischen Vergleich zu neutralisieren, bildete das Team um Petra Stanat „statistische Zwillinge“ aus Schülerinnen und Schülern beider Schulformen, die sich hinsichtlich ihres sozioökonomischen Hintergrunds und ihrer kulturellen Herkunft stark ähneln. Berücksichtigt wurden auch ihre kognitiven Grundfähigkeiten und die Anzahl der in der Familie vorhandenen Bücher, um ihr „kulturelles Kapital“ zu bestimmen.

Leichte Vorteile der Privaten bis zur 9. Gymnasialklasse ausgeglichen

Nach dieser „Kontrolle“ der Schülerleistungen in den IQB-Tests ergeben sich sehr viel geringere Unterschiede. Beim Deutsch-Lesen in der Grundschule etwa verringert sich der Abstand von 33 auf fünf Punkte und sinkt damit unter die Signifikanz-Grenze. Ähnlich sieht bei den nichtgymnasialen Neuntklässlern aus. Übrig bleibt für beide Altersstufen nur der Vorsprung der Privatschüler beim „Zuhören“ in Deutsch beziehungsweise beim Hörverstehen in Englisch: Zwölf Punkte an der Sekundarschule und 16 an der Grundschule entsprechen jeweils einem viertel Jahr Lernzuwachs.

Für die Gymnasien ergibt sich beim Deutsch-Zuhören ein signifikanter Leistungsvorteil für die Privaten von sieben Punkten – und damit ein halbes Jahr Lernzuwachs. Beim Leseverstehen in Englisch dagegen liegen die Schüler an öffentlichen Schulen um sieben Punkte vorn. Private und staatliche Gymnasien liegen also praktisch gleichauf. Die etwas größeren Vorteile in Teilbereichen, die Schüler von der privaten Grundschule mitbringen, haben sich bis zur 9. Gymnasialklasse relativiert.

Privatschüler trainieren Sprachkompetenz bei Aktivitäten im Alltag

Warum aber können Privatschüler am Ende doch etwas besser zuhören und mündlich reagieren? IQB-Befragungen zufolge sind sie häufiger im englischsprachigen Ausland unterwegs. Für Deutsch haben die Forscher eine ähnliche Hypothese: Leistungsvorteile könnten entstehen, weil Privatschüler häufiger an Aktivitäten teilnehmen, die ihre „rezeptive mündliche Sprachkompetenz“ fördern. An der Qualität der Privatschulen liegen die leichten Vorteile indes nicht: Die Befragung von Lehrkräften zeige, dass diese an privaten und öffentlichen Schulen mündliche Sprachkompetenzen ähnlich stark fördern, heißt es.

Die Frage, ob Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, nun angesichts der errechneten geringen Leistungsunterschiede enttäuscht sein könnten, behandelt die Studie nur indirekt. Zwar gebe es zur Motivation von Privatschuleltern kaum aktuelle und belastbare Untersuchungen, auf die man sich berufen könnte.

Eltern sind Persönlichkeitsbildung und Milieu wichtiger als Leistung

Frühere Befragungen zeigten aber, dass es den Eltern die zu erwartenden schulischen Leistungen ihrer Kinder gar nicht so wichtig sind. Bei den Entscheidungskriterien für Privatschulen stehe vielmehr die „schulische Atmosphäre“ im Vordergrund. Nach einer Umfrage von 2006 lag der Wunsch nach „Ausbildung der Persönlichkeit“ an der Spitze – gleichauf mit dem „besseren sozialen Milieu“, das die Privatschule biete.

Für die weitere Entwicklung der Privatschulen sehen die Autoren der Studie zwei Szenarien. Einerseits könnten steigende Schülerzahlen und der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften dazu führen, „dass Schüler die öffentlichen Schulen als überfordert und überfüllt wahrnehmen“ – und vermehrt auf die Privaten ausweichen. Doch auch dort würden bis 2030 Zehntausende Lehrkräfte in Rente gehen, was zu Konkurrenz mit den staatlichen Schulen und ihrer besseren Besoldung führen könnte – und in der Folge zu Engpässen auch bei den Privaten.

Von einem überwältigenden Ansturm auf private Schulen und einer Flucht aus öffentlichen Schulen zu sprechen, sei allerdings schon heute unangemessen. Zwar hat sich der Anteil der Schüler auf den mehr als 3600 allgemeinbildenden privaten Schulen seit 1992 auf heute rund neun Prozent verdoppelt. Das sei aber „im Wesentlichen auf einen Nachholeffekt in den ostdeutschen Ländern zurückzuführen“, heißt es.

GEW: Schluss mit der Legendenbildung

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert angesichts Studie, es müsse "Schluss mit der Legendenbildung" sein. "Dass Privatschulen besser als öffentliche Schulen seien, entpuppt sich als Legende, wenn man die Herkunft und die Zusammensetzung der Schülerschaft in Rechnung stellt", heißt es. Tatsächlich arbeiteten viele private Schulen "ganz konventionell", während viele öffentliche "reformfreudig, leistungsstark und förderorientiert" seien. Allerdings zeige die Studie auch, dass öffentliche Gymnasien ähnlich selektiv seien wie private.

Dies unterstrich bei der Veranstaltung in der Friedrich-Ebert-Stiftung auch Erziehungswissenschaftler Klaus Klemm. Der Abgleich des beruflichen Status der Eltern zeige einen großen Unterschied auch zwischen nichtgymnasialen öffentlichen Schulen (etwa Sekundar- oder Mittelschulen) und Gymnasien. "Wir haben generell ein großes Sonderungsproblem am öffentlichen Gymnasium", sagte Klemm.

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