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Mühsam voran. Männer helfen einander beim Aufstieg und übersehen geeignete Frauen – oft unbewusst. Die Innovationskraft leidet darunter, denn gut gemischte Forschungsteams sind kreativer. Das Foto zeigt die Karlsruher Informatik-Professorin Britta Nestler.

© picture-alliance/ dpa

Frauen in der Wissenschaft: Exzellente Quote

Die Wissenschaft ist stark männerdominiert. Daher wird auch hier seit langen über eine Quote für Frauen diskutiert. Einige halten sie für phantasielos, andere für unausweichlich - auch viele ältere Männer, die bei ihren Töchtern sehen, wie diesen Karrierewege verstellt werden.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
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Cornelia Quennet-Thielen las ihrem Publikum am Dienstagabend aus dem Grundgesetz vor. Die Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium trat bei den Forschungsorganisationen in Berlin auf, um über Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft zu diskutieren. „Es muss sich was ändern“, rief Quennet-Thielen. Noch 120 Jahre nach der ersten Frauenrechtsbewegung und noch nach 60 Jahren Grundgesetz seien Frauen in Führungspositionen dramatisch unterrepräsentiert, im Journalismus, in der Wirtschaft und in der Wissenschaft.

Die Politik sitzt der männerdominierten Forschung jedoch zunehmend im Nacken. Die vier außeruniversitären Organisationen Leibniz, Helmholtz, Fraunhofer und Max Planck sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bekommen im „Pakt für Forschung und Innovation“ seit Jahren Milliardenaufwüchse in ihren Etats. Im Gegenzug mussten sie sich verpflichten, Potenziale besser auszuschöpfen, zumal von Frauen.

Doch bislang ging es zu langsam voran, findet Quennet-Thielen. In 18 Jahren stieg der Anteil bei den Frauen auf Führungspositionen über alle fünf Organisationen hinweg von zwei Prozent auf elf Prozent. An den Hochschulen sind 82 Prozent der Professuren mit Männern besetzt. Darum erhöhen die Politiker jetzt den Druck. Im November forderten sie die Organisationen auf, für ihre Einrichtungen angemessene Quoten zu entwickeln und umzusetzen.

Über Quoten wird auch in der Wissenschaft seit langem diskutiert. Zuletzt kochte die Debatte vor fünf Jahren hoch. Ernst-Ludwig Winnacker, damals Präsident der DFG, verlangte „eine harte Quote“ für die Wissenschaft. Winnacker hat sich damit nicht durchgesetzt, nicht einmal in der DFG. So hält Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der DFG, die Quote für „ein zu einfaches Instrument“, das letztlich phantasielos mache. Tatsächlich hat die DFG ihre Mitglieder, die Unis und Forschungsorganisationen, auch ohne harte Quote in Bewegung gebracht. Seit 2008 gelten die „Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards“ der DFG. Unis und Institute verpflichten sich selbst, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sie ihren Frauenanteil erhöhen. Dafür gibt die DFG Tipps in einem „Instrumentekasten“. Nach dem name-and-shame-Prinzip wird im Internet veröffentlicht, ob eine Uni bei der Umsetzung ihrer eigenen Konzepte nach Ansicht der zuständigen DFG-Arbeitsgruppe voran kommt oder stagniert. Stellt die DFG fest, dass Einrichtungen die Standards nicht einhalten, müssen deren Forscher mit Nachteilen im Wettbewerb um DFG-Mittel rechnen, etwa im Exzellenzwettbewerb.

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), glaubt dennoch nicht, dass es ohne die Quote geht. Genau so dächten gerade auch „ältere Herren“ in der Wissenschaft: „Weil sie weise sind und weil sie Töchter haben, deren Karrieren sie verdutzt beobachten.“ Für die Sache der Frau in der Wissenschaft seien darum „mehr ältere Männer mit viel versprechenden Töchtern“ hilfreich.

Hat eine Forschergruppe eine bessere Mischung der Geschlechter, ist sie kreativer und innovativer, sagte DFG-Präsident Matthias Kleiner. Das bewirkten die unterschiedlichen „Erfahrungskontexte“, wie Studien immer wieder bewiesen hätten. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), erklärte, Männer würden Anträge und Papiere von Frauen „oft unbewusst“ schlechter bewerten und ihre Geschlechtsgenossen bevorzugen. Darum hätten Frauen auch bessere Chancen, wenn sie von vorgesetzten Frauen beurteilt würden.

Demnach geht der Forschung durchaus Qualität verloren, weil sie zu wenig Frauen hat. In der Quote sieht Gruss aber gleichwohl eine Gefahr für das „Leistungsprinzip“ in der Forschung. Die MPG hat sich eine jährliche Steigerung in Führungspositionen um ein Prozent vorgenommen: „Jede darüber hinausgehende Quote würde die Qualität der Wissenschaft in Frage stellen, zum Schaden auch der Frauen“, sagte Gruss.

Staatssekretärin Quennet-Thielen betonte aber, dass die Quote keineswegs vom Leistungsprinzip abgekoppelt ist. Dominiert im öffentlichen Dienst ein Geschlecht auf einer Ebene, wird nur bei gleicher Qualifikation eine Person des jeweils anderen Geschlechts bevorzugt. Bei den Unternehmen zeige sich jedenfalls, dass die erfolgreichen unter ihnen einen höheren Anteil von Frauen haben. Es sei allerdings nicht zu ergründen, ob diese Unternehmen mehr Frauen einstellten, weil sie besser geführt würden, oder mehr Frauen das Unternehmen erfolgreicher machten: „Klar ist jedenfalls, dass mehr Frauen nicht schaden.“ Quennet-Thielen ist der Quote zwar nicht abgeneigt. Allerdings dürfe damit auf keinen Fall suggeriert werden, dass das Problem damit schon gelöst sei: „Es geht um einen Mentalitätswandel.“

Die Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen auf Professuren sind komplex. „Überkommende Denkmuster“ wirken fort, sagte Quennet-Thielen. Noch immer lebe das Bild des erfolgreichen Wissenschaftlers als Mann fort. In intransparenten Berufungen würden Männer andere Männer wegen ihrer habituellen Ähnlichkeit meist vorziehen. Aus dem gleichen Grund zögen Frauen zwar auch andere Frauen vor. Das könne sich wegen ihrer Unterrepräsentanz aber nicht auswirken. Ein Teufelskreis, auch weil manche Frauen die männlich geprägte Arbeitskultur als abschreckend empfinden und gar nicht erst versuchen, hineinzukommen: „Wir müssen auch darüber reden, ob es nur um die Teilhabe von Frauen am männlichen System geht oder darum, das System gemeinsam fortzuentwickeln“, sagte DFG-Präsident Kleiner.

Doch wie kann das geschehen? Jutta Allmendinger nannte eine Reihe von Paradoxien: So würden spezielle Förderprogramme für Frauen zwar ihre Inklusion anstreben, aber letztlich zur Segregation führen. Langfristig seien sie darum wirkungslos. Fragwürdig seien auch manche Coachings: „Aus grauen Mäuschen werden graue Panther, die völlig überzogene Forderungen stellen“, sagte Allmendinger. Schlecht sei es für das Fortkommen von Frauen in der Wissenschaft ferner, wenn sie sich ob ihrer Unterzahl weit mehr als ihre Kollegen in Kommissionen und Gremien engagieren müssten und dadurch weniger Zeit zum Forschen hätten. Allmendinger hielt auch einen Strampelanzug mit „WZB“-Aufdruck am Po ins Publikum. Unter den Risiken einer wissenschaftlichen Laufbahn mit ihren kurzfristigen Verträgen litten Männer und Frauen. Allmendinger forderte mehr Berechenbarkeit in den Karrieren und mehr Professuren. In Berufungsverfahren dürfe es nicht mehr so stark auf die Masse der Publikationen ankommen. Nur die besten fünf Veröffentlichungen sollten herangezogen werden, um Eltern nicht zu benachteiligen.

Der Berliner Ökonomie-Professor Tilmann Brück sympathisiert wie Allmendinger mit einer Quote. „Nur wenn die Regeln und die Systeme konsequent verändert werden, wird es funktionieren. Sonst können noch so viele Frauen studieren.“  Als Beispiel  für die Veränderbarkeit von kulturellen Normen unter großem Druck nannte er die Kriegerwitwen in Ruanda. Sie hätten wegen des Genozids entgegen der starken Tradition ohne Männer auskommen müssen und Männerarbeiten wie Dachdecken selbst verrichtet. Als die Lage sich konsolidierte, hätten die Männer die Frauen aufgefordert, jetzt wieder vom Dach zu kommen. Die Frauen hätten gesagt: „Nein, wir bleiben hier oben.“

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