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Fünf Milliarden Euro soll es für die Digitalisierung der Schulen geben.

© Friso Gentsch/dpa

Update

Fraktionen einigen sich auf Grundgesetzänderung: Weg für Digitalpakt für Schulen im Bundestag frei

Für den Digitalpakt für die Schulen ist eine Grundgesetzänderung nötig. Die kann zumindest im Bundestag kommen: Darauf einigten sich Union, SPD, FDP und Grüne.

Der Weg zum milliardenschweren Digitalpakt für die Schulen ist frei - zumindest im Bundestag. Nach langem Ringen einigten sich die Bundestagsfraktionen von Union, SPD, FDP und Grünen auf eine Grundgesetzänderung, die die große Koalition zur Voraussetzung für den Pakt gemacht hatte. Eine entsprechende gemeinsame Erklärung gaben die vier Fraktionen am Freitagmittag in Berlin ab.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sagte: „Wir haben durchgesetzt, dass der Bund in allen Kommunen in Deutschland in die Qualität und Ausstattung der Schulen investieren kann. Endlich können jetzt alle Schulen überall in Deutschland eine gute digitale Ausstattung bekommen – schnelles Internet, Tablets, Schulungen des Personals. Das sogenannte Kooperationsverbot ist aufgebohrt worden.“ FDP-Chef Christian Lindner sagte, damit sei „die Tür für die Reform des Bildungsföderalismus einen Spalt geöffnet“. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, bezeichnete den erzielten Kompromiss als einen „Baustein für mehr Chancengerechtigkeit für Schülerinnen und Schüler“. Unions-Fraktionsvize Nadine Schön sagte, damit sei der Weg frei für mehr digitale Bildung in Deutschland.

Macht der Bundesrat mit?

Als erstes Programm soll nun der schon länger vereinbarte Digitalpakt im Umfang von fünf Milliarden Euro umgesetzt werden. Der Bundestag soll die Änderung bereits kommende Woche beschließen, nötig ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Danach muss noch der Bundesrat zustimmen. Insbesondere Baden-Württemberg, NRW und Sachsen hatten sich zuletzt gegen eine Grundgesetzänderung gewandt.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) begrüßte dagegen den Bundestagsbeschluss. "Ich war noch nie ein Freund des Kooperationsverbotes und begrüße es sehr, dass zukünftig Investitionen des Bundes in Schulen wieder möglich sein sollen", sagte er dem Tagesspiegel. "Wir brauchen sehr viel Geld, um unseren Kindern und Jugendlichen vernünftige Schulgebäude, eine gute digitale Ausstattung und mehr pädagogisches Personal zur Verfügung stellen zu können.“ Eine gute Schulbildung für alle Kinder und Jugendlichen sei eine gesamtstaatliche Aufgabe. „Ich bin zuversichtlich, dass der Bund sich in Zukunft intensiver finanziell engagieren, gleichzeitig aber inhaltlich die Bildungshoheit der Länder respektieren wird.“ Auch Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) begrüßte die Einigung. Die Digitalisierung der Schulen sei "eine der großen Zukunftsaufgaben. Wir wollen so schnell wie möglich loslegen.“

Dagegen sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), sein Land werde der Grundgesetzänderung nicht zustimmen. „Wir werden diese Pläne im Bundesrat ablehnen und mit diesem Ansinnen auch auf andere Länder zugehen“, erklärte er. Es werde in den Kernbereich der Länder, nämlich in den Kultusbereich, eingegriffen. „Den Bildungsbereich besser auszustatten, ist absolut notwendig. Aber der Weg ist falsch.“ Er will stattdessen eine Steuerneuverteilung zugunsten der Länder und Kommunen.

Medientrainer für Schüler und Lehrkräfte

Strittig war zwischen den Regierungsfraktionen und der Opposition bis zum Schluss, wie weit das Kooperationsverbot tatsächlich gelockert wird. FDP und Grüne wollten, dass der Bund nicht nur in die Infrastruktur von Schulen in allen Kommunen investieren darf - wie von der Koalition vorgeschlagen -, sondern auch in Personal. Der betreffende Artikel 104c soll jetzt dahingehend geändert werden, dass der Bund "Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie mit diesen verbundene besondere unmittelbare Kosten im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren" darf - und zwar, um die "Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" sicherzustellen. Weil von "Kosten" und nicht von "Sachkosten" die Rede ist, könne der Bund jetzt auch in "pädagogische Köpfe und in Weiterbildungsmaßnahmen" investieren, sagte Lindner. Ein Erfolg der Initiative von FDP und Grünen sei es auch, dass jetzt die Qualität und die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens adressiert werden.

Laut Göring-Eckardt können mit den Mitteln aus dem Bundesetat etwa medienpädagogische Trainer für Schüler und Lehrkräfte finanziert werden. Lindner und Göring-Eckardt betonten aber auch, dass es nun darauf ankomme, ob die große Koalition die Möglichkeit zu "Investitionen in Köpfe" im Digitalpakt auch nutze. Auch aus der SPD hieß es am Freitag, mit dem nun gefundenen Kompromiss könne "Sach- und Servicepersonal", im Fall des Digitalpakts zum Beispiel auch Wartungspersonal für Computer, finanziert werden.

Landkreistag lehnt ab: Verfassungsschrott

Das Geld kommt nicht zuletzt den Kommunen zugute, weil diese als Schulträger auch für die Infrastruktur zuständig sind. Der Landkreistag äußerte sich jedoch kritisch zu der Grundgesetzänderung. Dessen Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke sprach von „Verfassungsschrott“. Er befürchtet einen deutlichen „Verantwortungsverlust vor Ort“, wenn die Bundesmittel wie üblich mit Auflagen verbunden werden. „Was die Landkreise brauchen, ist eine Stärkung oder zumindest Beibehaltung dezentraler Gestaltungsmacht.“ Es sei ein Trugschluss, dass die Milliarden des Bundes „mit einem Ruck die Bildungssituation im Lande verbessert würden“. Die Kreise sind, je nach Land, Schulträger bei Berufsschulen, Gymnasien und Grundschulen.

An die Adresse des Bundesrats, indem die meisten Länder die Verfassungsänderung wohl mittragen werden, sagte Henneke: "Es ist unglaublich, wie die Länder mehr und mehr an den Ast sägen, auf dem sie sitzen." Bildung ist im Wesentlichen Sache der Länder und Kommunen. Wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat auch Henneke gefordert, die Investitionen in die Digitalisierung von Schulen über eine Neuverteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu regeln und nicht über die Grundgesetzänderung, die den Einfluss des Bundes erhöhen soll.

Digitalpakt steht auch inhaltlich

Auch inhaltlich ist für den Digitalpakt inzwischen die letzte Hürde genommen - die Ausgestaltung war wie die Grundgesetzänderung ebenfalls lange umstritten. So soll die Anbindung von Schulen an das Breitbandnetz jetzt aus Programmen des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) gezahlt werden, erfuhr der Tagesspiegel aus Regierungskreisen. Entsprechende BMVI-Programme gibt es bereits, sie müssen aber erweitert werden, um Schulen in allen Regionen förderfähig zu machen. Ob das wirklich passiert, war bis zuletzt offen. Vor allem Länder wie Berlin und Hamburg, die bislang nicht von den Programmen profitieren, hatten sich dafür stark gemacht.

Die Vernetzung innerhalb des Schulhauses wird dagegen durch den Digitalpakt getragen – dazu gehören vor allem eine WLAN-Ausstattung, Schulserver und neue Lernplattformen. Schulen hier technisch für das 21. Jahrhundert fit zu machen, ist das Hauptaugenmerk des Paktes. Bei Schulen, die diese moderne IT-Infrastruktur bereits haben, sollen auch Endgeräte gefördert werden können: Laptops, Notebooks und Tablets, nicht jedoch Smartphones. Vorgesehen sind dafür maximal 25000 Euro je einzelner Schule beziehungsweise 20 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens für alle Schulen eines Schulträgers.

Berlin bekommt 51 Millionen Euro pro Jahr

Die Bund-Länder-Vereinbarung zum Digitalpakt soll am 6. Dezember unterzeichnet werden - unabhängig davon, ob die Grundgesetzänderung dann schon in Bundestag und Bundesrat beschlossen ist. Dass die Mittel – insgesamt fünf Milliarden Euro – nach dem „Königsteiner Schlüssel“ bezahlt werden sollen, steht schon seit längerem fest. Dieser legt fest, wie die einzelnen Länder bei gemeinsamen Programmen bedacht werden. Parameter sind das Steueraufkommen und die Bevölkerungszahl der Länder. NRW als größtes Land würde demnach 1,05 Milliarden Euro erhalten, Bayern 770 Millionen Euro, Baden-Württemberg 650 Millionen Euro. Berlin kann mit 51 Millionen Euro pro Jahr rechnen, für die kommenden fünf Jahre sind das insgesamt 255 Millionen Euro. Die Länder beteiligen sich mit zehn Prozent an den Mitteln. Den Digitalpakt hatte die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bereits vor zwei Jahren mit den Ländern vereinbart.

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