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Die asiatische Tigermücke überträgt Zika und Dengue-Fieber. Forscher wollen solche Krankheiten durch Genomeditierung eindämmen.

© Jonathan Gathany/dpa

Forschung zu "Gene Drive": Genetisch veränderte Mücken sollen beim Kampf gegen Krankheiten helfen

Forscher wollen durch einen Eingriff in das Erbgut verhindern, dass Mücken Malaria oder Zika übertragen. Das wirft rechtliche und ethische Fragen auf.

Es ist das tödlichste Tier der Welt. Jedes Jahr sterben seinetwegen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 725.000 Menschen. Die Rede ist nicht von Schlangen oder Skorpionen, sondern von Stechmücken.

Mit einer „Gene Drive” genannten gentechnischen Methode wollen Forscher nun gezielt gegen die Mücke und die von ihr übertragenen Krankheitserreger vorgehen. Vor allem in Afrika südlich der Sahara und Südostasien verbreiten die Mücken Krankheiten wie Malaria.

Allein daran starben 2015 429.000 Menschen, das geht aus dem Welt-Malaria-Report der WHO hervor. Davon betroffen sind vor allem Kinder unter fünf Jahren und Schwangere.

„Wir haben die Krankheit bisher durch den Einsatz von Bettnetzen und Insektiziden eingedämmt“, sagt der Biologe Nikolai Windbichler.

Damit konnte die Infektionskrankheit aber nicht besiegt werden. Zudem haben die Mücken Immunitäten gegen die Insektizide entwickelt. „Gene Drive könnte eine neue Methode zur Krankheitsbekämpfung sein“, erklärt der Forscher vom Imperial College in London bei einer Veranstaltung im Naturkundemuseum.

Bei „Gene Drive“ kommt eine Methode zum Einsatz, die sicherstellt, dass sich gewisse genetischen Eigenschaften zu 100 Prozent vererben. Normalerweise dauert es viele Generationen, bis sich ein verändertes Gen in einer Mückenpopulation verbreitet.

Mit „Gene Drive“ geht das um ein Vielfaches schneller. Die Forscher haben zwei Optionen. Entweder sie verändern das Mücken-Erbgut so, dass die Insekten Malaria nicht mehr übertragen können oder sie sorgen dafür, dass sie steril werden und die Anzahl der Tiere reduziert wird oder die Population in einer Region sogar komplett zusammenbricht.

Erfolge mit radioaktiv bestrahlen Mücken

Die Idee, durch veränderte Insekten Krankheiten auszumerzen, ist keineswegs neu. In früheren Versuchen behandelten Forscher Fliegen mit radioaktiver Strahlung und machten sie dadurch unfruchtbar. Auf diese Weise schaffte man es 1997 auf der Insel Sansibar, die Tsetsefliege auszurotten, die die Schlafkrankheit überträgt.

Die Forscher züchteten die Fliegen im Labor, bestrahlten sie und ließen sie dann frei. Aufgrund der großen Menge paarten sich vor allem sterile Fliegen mit den freilebenden Tsetsefliegen. Der Nachwuchs blieb aus und nach anderthalb Jahren brach die Population zusammen.

Diese Sterilisationstechnik beseitigte auch die Schraubenwurmfliege in Nordamerika und die Mittelmeerfruchtfliege in Mittelamerika. Auch bei der Zika-Epidemie in Südamerika in Südamerika wurde debattiert, sterile Mücken zu züchten und freizulassen. Seit 2009 testet auch die britische Firma Oxitec (inzwischen Teil der Biotechfirma Intrexon) gentechnisch veränderte Tigermücken (Aedes aegypti), die neben Zika auch das Dengue-Fieber übertragen, in Freilassungsversuchen auf den Kaiman Inseln, in Brasilien und in Panama. Doch diese Mücken sind noch nicht mit dem „Gene Drive“ ausgestattet.

Mit dieser Methode wäre es theoretisch möglich, „eine Welt ohne Mücken” zu schaffen – so der Titel einer kontroversen Diskussion über „Gene Drive“, die kürzlich im Berliner Naturkundemuseum stattfand. „Wir müssen aufhören, davon zu reden, dass hier Spezies ausgerottet werden, das kann die Technologie gar nicht leisten”, sagte Windbichler.

Ausrottung sei auch nicht das Ziel. Es gehe darum, die Verbreitung von Malaria zu unterbinden. Alternativ bliebe der Einsatz von Insektiziden – und diese schaden nicht nur den Überträgern, sondern auch anderen Tieren.

Sorgen um unkontrolliertes Artensterben seien unbegründet, meint auch Ernst Wimmer. Der Entwicklungsbiologe von der Universität Göttingen wünscht sich „weniger Hype”, denn „die Angst, dass uns Gene Drives entgleiten, ist nicht berechtigt”. Erste Untersuchungen deuten laut Wimmer und Windbichler darauf hin, dass das Erbgut nach einigen Generationen wieder zu dem Zustand zurückkehrt, in dem es vor der Veränderung durch „Gene Drive“ war.

Schwerwiegende Folgen für das Ökosystem durch Artensterben seien nicht zu befürchten. Die Forscher erhoffen sich vielmehr weniger Erkrankungen und Todesfälle und einen verringerter Einsatz von Chemikalien als Folge eines Einsatzes der Technik.

Kann man die Veränderung der Gene rückgängig machen?

Christoph Then von der Organisation „Testbiotech” äußert dennoch Bedenken. „Durch „Gene Drive“ verbreiten sich die veränderten Gene rasend schnell.“ Wie und ob sich das wieder aufhalten lässt, sei kaum erforscht.

Es gibt auch rechtliche Unsicherheiten. „Man kann nicht kontrollieren, wo die veränderten Mücken hinfliegen“, sagt Uta Eser vom „Büro für Umweltethik“. „Entscheidet sich ein Land für die Methode, tragen auch die Nachbarstaaten die Folgen.“ Man müsse sich fragen, wer entscheiden darf, wie und wann diese Technik zum Einsatz kommt.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „GenomeELECTION” der Universität Halle versucht, Antworten auf solche Fragen zu finden. Seit 2016 untersuchen der Ethiker Hans Zillmann und Kollegen „ethische, rechtliche und kommunikationswissenschaftliche Aspekte” der Genomeditierung.

„Neben den rechtlichen gibt es auch ethische Fragen: Dürfen wir eingreifen, nur weil wir können? Wie viel müssen wir wissen, bevor wir eine neue Technologie anwenden? Wer profitiert, wer trägt die Kosten?”

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