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Forschung im Eis: Maulwurf im Gletscher

Aachener Wissenschaftler entwickeln eine Schmelzsonde, die Eismassen erkundet – auf der Erde und vielleicht einmal auf dem Saturnmond Enceladus.

Ein Maulwurf wühlt sich durch Erde, ein „Eismaulwurf“ durchdringt Gletschereis. Die Rede ist nicht von einem Fabelwesen – es gibt den Eismaulwurf wirklich. Studenten und Wissenschaftler an der Fachhochschule Aachen haben die Sonde, die sich durchs Eis schmelzen kann, gemeinsam entwickelt. Sie ist ebenso blind wie ihr tierisches Pendant. Das längliche, rechteckige Instrument kann an Orte vordringen, die sonst jeder Erkundung verschlossen bleiben würden. Der „Icemole“, wie er für die internationale Forschergemeinde genannt wurde, dürfte zu den bizarrsten Sonden zählen, die je zur Erderkundung erfunden wurde.

Warum "blutet" der Gletscher?

Vor ein paar Wochen ist eine Gruppe Aachener Wissenschaftler aus der Antarktis zurückgekehrt. Dort nahm sie mit ihrer Schmelzsonde an einem Projekt von US-Kollegen teil, die den Ursprung der rätselhaften „Blood Falls“ klären wollen: Am Rand des Taylor-Gletschers quillt aus dem Eis blutrotes, salziges Wasser. Das Team um Jill Mikucki von der Universität Tennessee nimmt an, dass Mikroorganismen die rote Farbe produzieren. Sie sollen in Spalten unter dem Gletscher leben und sich von Schwefel- und Eisenverbindungen ernähren.

Mikucki zeigt sich von dem Eismaulwurf beeindruckt. Das Gerät erreicht mit seiner Schmelztechnik eine Geschwindigkeit von rund einem Meter pro Stunde. In der Antarktis wurde die Sonde unter den harschen Bedingungen gründlich getestet. Im November kehren die Wissenschaftler an die Blood Falls zurück, um erstmals reine Salzlake und eventuell auch die Mikroorganismen aufzuspüren. Die Sonde kann nämlich Proben aufnehmen, welche anschließend analysiert werden. Dazu soll das Gerät 50 Meter tief ins Eis eindringen, wie Mikucki erläutert.

Eissonde. So sieht die Schmelzsonde aus - ohne Hülle. Mit der Schraube am Kopf bohrt sie sich ins Eis.
Eissonde. So sieht die Schmelzsonde aus - ohne Hülle. Mit der Schraube am Kopf bohrt sie sich ins Eis.

© FH Aachen

Die Sonde schraubt sich ins Eis

Vor fünf Jahren fing alles an, als der Icemole von Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik an der FH Aachen entwickelt wurde. Sonden zum Einschmelzen in Gletscher gibt es seit den 1960er Jahren. Die Aachener wählten aber einen neuen Ansatz. Sie bauten in den beheizbaren Kupferkopf der Sonde eine hohle Eisschraube ein, wie man sie vom Eisklettern kennt. Damit zieht sich der Icemole dicht an das Eis heran. Das optimiert die Wärmeabgabe des Kupferkopfs, also auch das Schmelzen. Dank der Eisschraube kann sich die Sonde sogar aufwärtsbewegen, berichtet Clemens Espe, Ingenieur an der FH Aachen.

Im Prinzip könnte man mit dem Eismaulwurf nicht nur die Blood Falls, sondern auch Seen unter der Antarktis erforschen, etwa den „Wostoksee“. Denn die Sonde ist leicht zu reinigen. Man muss nicht befürchten, die seit langer Zeit isolierten Gewässer zu kontaminieren.

Unter dem Eis des Enceladus schlummert ein Ozean

Der Icemole eignet sich aber nicht bloß für irdische Ziele. Derzeit tüfteln die Wissenschaftler an der neuesten Version der Sonde. Sie wurde für das Verbundprojekt „Enceladus Explorer“ konzipiert, an dem noch fünf weitere deutsche Hochschulen beteiligt sind. Das Projektteam will Techniken zur Navigation einer Sonde entwickeln, die eines fernen Tages in die Eiskappe des Saturnmonds Enceladus eindringen soll. Um das Jahr 2050 könnte es so weit sein.

Der Eispanzer von Enceladus hat Spalten, an denen Geysire unterkühltes Wasser ins All spucken. Das deutet auf einen versteckten Ozean hin, der unter enormem Druck steht. Mit dem Enceladus Explorer will man die Spalten ansteuern, um mehr über das geheimnisvolle Meer zu erfahren, in dem es gemäß Spekulationen primitive Lebewesen geben könnte.

Der Eismaulwurf kann auch navigieren

Das aktuelle Modell der Enceladus-Sonde ist zwei Meter lang. Die Heizelemente in seinem Kopf lassen sich separat aufwärmen. Generatoren lieferten dafür eine elektrische Leistung wie für zwei Bügeleisen, sagt Espe. Wird das Modell nur auf einer Seite beheizt, schmilzt es das Eis asymmetrisch und macht eine Kurve mit einem Radius von zehn Metern. Die Sonde kann also selbsttätig an die Eisoberfläche zurückkehren.

Dank aufwendiger Technik kann sie sich unter dem Eis orientieren. Zwei Magnetometer an der Oberfläche und in der Sonde erfassen die Lage im Erdmagnetfeld. Aus den Unterschieden zwischen den Messwerten lässt sich die räumliche Orientierung des Geräts errechnen. Zusätzlich misst ein sogenannter Laserkreisel Beschleunigungen in drei Rotationsachsen. Darüber hinaus empfängt die Sonde Tonsignale, die mit Signalgebern an der Eisoberfläche ausgelöst werden. Aus der Laufzeit der Schallwellen wird die Position der Sonde bestimmt – ähnlich wie bei der GPS-Navigation anhand von Radiosignalen.

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