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Kinder stehen vor einem Terrarium und schauen auf eine getigerte Schlange, die eine Lehrkraft in den Länden hält.

© Kitty Kleist-Heinrich

Förderung leistungsstarker Schüler: In jeder Schulstunde an die Begabten denken

Bund und Länder fördern leistungsstarke Schülerinnen und Schüler. 125 Millionen Euro für 300 Schulen und begleitende Forschung soll Überfliegern Rückenwind geben.

„Leistungsstarke und potenziell besonders leistungsfähige Schülerinnen und Schüler“ wollen Bund und Länder in einem gemeinsamen Programm in den kommenden zehn Jahren intensiver als bisher fördern. 125 Millionen Euro sollen in neue Initiativen an bundesweit 300 Grundschulen und weiterführenden Schulen investiert werden, in die Fortbildung von Lehrkräften und in begleitende Bildungsforschung.

Die TIMS-Studien, die Leistungen von Grundschülern in Mathematik und Naturwissenschaften international vergleichen, und die Pisa-Studien für 15-Jährige weltweit hätten immer wieder gezeigt, dass in Deutschland zu wenige Schüler Spitzenleistungen erzielen, begründete Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) das Programm.

Begabtenförderung als Teil der Chancengerechtigkeit

Die Initiative, mit der sich das ändern soll, stellten Wanka und Ländervertreter am Montag in Berlin vor – einen Tag vor der Veröffentlichung der neuen TIMS-Studie und eine Woche vor der Bekanntgabe der Ergebnisse von Pisa 2015 am kommenden Dienstag. „Eine alte Kulturnation wie wir es sind“, müsse allen Schülern Chancengerechtigkeit bieten, sagte Wanka. Dazu gehöre die Förderung von schwachen Schülern, aber eben auch die der Leistungsstarken. Das habe auch ökonomische Gründe: „Nur über Innovationen können wir Wohlstand generieren.“

Bis zu 15 Prozent der Schüler sind leistungsstark

Fördern will man anders als in vielen bereits laufenden Programmen nicht allein Hochbegabte mit einem Intelligenzquotienten ab 130, die etwa zwei bis drei Prozent der Schülerschaft ausmachen. Die Angebote sollen auch die bis zu 15 Prozent leistungsstarken Schülerinnen und Schüler erreichen, deren Potenzial oft erst entdeckt werden muss. Was die 300 Schulen, die in den ersten fünf Jahren besonders gefördert werden, ihnen anbieten, sei den Ländern und den von diesen ausgewählten Schulen überlassen, sagte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD), Sprecher der von SPD und Grünen geführten Länder.

Eine Aufgabe für jede Schule, jede Klasse und jede Stunde

Die möglichen Methoden reichten von der Binnendifferenzierung – im regulären Unterricht erhalten Begabte Aufgaben, die sie besonders herausfordern oder motivieren – über Zusatzangebote am Nachmittag oder in den Ferien bis zur Akzeleration durch frühe Einschulung, das Überspringen von Klassen oder das Schülerstudium. Verpflichtend ist es aber, dass die Schulen Angebote für die Kernfächer machen.

Darüber hinaus sollen alle 300 ein Leitbild für die Begabtenförderung entwickeln und untereinander Netzwerke bilden, in denen sie sich über ihre Arbeit austauschen. Und vor allem müsse die Begabtenförderung zur „Regelaufgabe“ jeder Schule werden, die in jeder Unterrichtsstunde mitgedacht wird, betonte Rabe.

Pilotschulen sollen in fünf Jahren Erkenntnisse weitergeben

Der Auftrag zur Begleitforschung wird vom Bundesbildungsministerium ausgeschrieben. Die Bildungsforscher sollen die Arbeit der Pilotschulen evaluieren und geeignete Instrumente zur Begabtenförderung identifizieren, die in der zweiten Programmphase nach fünf Jahren an andere Schulen weitergegeben werden sollen.

Kritiker fordern, alle Begabungen individuell zu fördern

Ein umfassenderes Programm, das eine verbesserte individuelle Förderung aller, also auch leistungsschwächerer Schüler ermöglichen würde, wie es der Verband Bildung und Erziehung gefordert hat, lehnt Wanka ab. Sie wolle kein Programm, „wo alles drin ist“. Für die Leistungsschwachen gebe es bereits viele Angebote. Auch Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, kritisierte, dass das Programm nicht alle Schulen so ausstatte, „dass sie uneingeschränkt auf die Diversität der Schülerklientel reagieren können“. Rosemarie Hein (Linke) forderte „statt einseitiger Begabtenförderung die Förderung aller Begabungen“.

Leistungsstarken und -schwachen helfen? Zwei Seiten einer Medaille!

Claudia Bogedan (SPD), Ministerin in Bremen und KMK-Chefin, nannte die Förderung leistungsschwacher und leistungsstarker Schüler indes „zwei Seiten einer Medaille“: Bei beiden gehe es darum, unterschiedliche Begabungen überhaupt zu erkennen und den Unterricht individueller zu gestalten – „mit den gleichen Instrumenten“.

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